Die Gegenvorstellung: was sollte man wissen?

von Dr. Oliver Elzer, veröffentlicht am 13.07.2020
Rechtsgebiete: Zivilverfahrensrecht1|17683 Aufrufe

Anregung an das Gericht zur Selbstprüfung!

Die „Gegenvorstellung“ ist gesetzlich nicht geregelt. Sie stellt nach hM eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern (stRspr, exemplarisch BGH BeckRS 2020, 13680 Rn. 2; BGH BeckRS 2020, 12931 Rn. 4). Sie könne allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen dürfte.

Statthaftigkeit

Obwohl die Prüfung eigentlich nicht möglich ist (ist doch die Gegenvorstellung ungeregelt), prüft die Rechtsprechung, ob die Gegenvorstellung statthaft ist. Dies wird verneint bei einer Gegenvorstellung gegen ein Urteil oder einen Beschluss, die in materieller Rechtskraft erwachsen sind oder die materielle Rechtskraft herbeiführen, wie dies auch bei der Nichtzulassungsbeschwerde der Fall ist. Eine Gegenvorstellung ist ferner unstatthaft und ermöglicht keine Eigenkorrekturen, wenn ein Rechtsmittel oder förmlicher Rechtsbehelf eröffnet ist; dies gilt auch bei Fristablauf. Rechtsbehelf in diesem Sinne ist auch die Anhörungsrüge.

Zulässigkeit

Eine statthafte Gegenvorstellung ist nach hM formfrei, muss nicht begründet werden, unterliegt aber vor den Land- und Oberlandesgerichten sowie dem BGH einem Anwaltszwang (BeckOK/Elzer § 318 Rn. 58). Auch Fristen sind grundsätzlich nicht zu beachten. Etwas anderes soll gelten, wenn sich die Gegenvorstellung gegen eine ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung richtet. In diesem Falle soll § 321 Abs. 2 S. 1 ZPO analog gelten. Geht es um den Streitwert, soll die sechsmonatige Frist von §§ 68 Abs. 1 S. 3, 63 Abs. 3 S. 2 GKG analog gelten. Ferner soll ein Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen sein.

Verfahren und Entscheidung

Der Antragsteller kann die Gegenvorstellung nach hM entsprechend § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO auf neue Tatsachen stützen (BeckOK ZPO/Wulf § 567 Rn. 22). Die Entscheidung des Gerichts ergeht ohne mündliche Verhandlung (§128 Abs. 4) und, entsprechend § 572 Abs. 4 ZPO nach hM durch Beschluss. Sofern das Gericht beabsichtigt, seine Entscheidung auf die Gegenvorstellung hin abzuändern, muss es dem Gegner rechtliches Gehör gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG).

Rechtsmittel

Die Entscheidung über die Gegenvorstellung selbst ist – entsprechend der „Natur“ der Gegenvorstellung als „Eigenkontrolle / Selbstkorrektur“ – unanfechtbar (BGH BeckRS 2016, 19302 Rn. 4). Ob dem Gegner bei einer erfolgreichen Gegenvorstellung ein Rechtsmittel zusteht, hängt nicht von der Entscheidung über die Gegenvorstellung ab. Durch die Gegenvorstellung selbst kann kein Rechtsmittel eröffnet werden, dass das Verfahrensrecht nicht ohnehin zulässt. Auch eine (falsche) Rechtbehelfsbelehrung würde daran nichts ändern. Die Statthaftigkeit eines Rechtmittels hängt daher allein von der Frage, ob die geänderte Entscheidung mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann.

Anwendungsbeispiele

  • Ein Gericht soll befugt sein, auf eine Gegenvorstellung einen Grundrechtsverstoß jenseits des § 321a ZPO zu korrigieren.
  • Ein Gericht soll befugt sein, auf eine Gegenvorstellung seinen Streitwertbeschluss zu ändern (stRspr, exemplarisch BGH BeckRS 2020, 14171). Auch die Gegenvorstellung des Prozessbevollmächtigten einer Partei soll in analoger Anwendung des § 32 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig sein (stRspr, exemplarisch BGH BeckRS 2020, 14171). Dies dürfte der häufigste Anwendungsfalll mit der größten Aussich auf eine Änderung sein.
  • Ein Gericht soll befugt sein, auf eine Gegenvorstellung verfahrensleitende Verfügungen und Beschlüsse, wie Terminsverfügungen, oder Entscheidungen in unselbständigen Nebenverfahren, wie die Erteilung der Vollstreckungsklausel, zu ändern.
  • Ein Gericht soll befugt sein, auf eine Gegenvorstellung, eine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren im Berufungs- und Revisionsverfahren zu ändern (BeckOK/Elzer § 318 Rn. 55).
  • Ein Gericht soll befugt sein, auf eine Gegenvorstellung eine Entscheidung, mit der eine Frist zu Unrecht als verpasst angesehen wurde, zu ändern.
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1 Kommentar

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Nach meinem Eindruck ist aber das Verhältnis von (formloser) Gegenvorstellung und (formeller) Anhörungsrüge noch nicht richtig geklärt.

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