VG Frankfurt am Main: Delisting-Erwerbsangebot auch bei insolventer Emittentin erforderlich

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 21.09.2020

Das VG Frankfurt am Main hat mit erst jetzt bekannt gewordenem Urteil vom 8. März 2019 (2 K 6239/17.F; BeckRS 2019, 42688) entschieden, dass der Widerruf der Handelszulassung auch dann gemäß § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG von einem Erwerbsangebot abhängt, wenn die Emittentin insolvent ist.

Insolvenzverwalter stellt Delisting-Antrag

Im vorliegenden Fall waren die Aktien der Emittentin zum regulierten Markt (General Standard) an der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) zugelassen. Der Insolvenzverwalter beantragte gemäß § 39 Abs. 2 BörsG, § 46 Abs. 1 BörsO FWB den Widerruf der Zulassung. Ein Erwerbsangebot an die Aktionäre der Emittentin war nicht abgegeben worden.

§ 39 Abs. 2 BörsG: Kein Delisting ohne Erwerbsangebot

In seiner Entscheidung bestätigt das Gericht den ablehnenden Bescheid der Börse. Ein Anspruch auf Widerruf scheitere wegen § 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG am fehlenden Erwerbsangebot. Nach der Vorschrift ist ein Widerruf u. a. bei Aktien, die – wie hier – an keinem weiteren regulierten Markt zugelassen sind, nur dann möglich, wenn parallel zum Delisting-Antrag ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere, die Gegenstand des Antrags sind, nach den Vorschriften des WpÜG veröffentlicht wurde.

Keine ungeschriebene Ausnahme für insolvente Unternehmen

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift, wonach in der Insolvenz der Emittentin ein Widerruf ausnahmsweise auch ohne Angebot möglich sei, komme nicht in Betracht. Der Wortlaut des § 39 Abs. 2 S. 3 BörsG („…ist ein Widerruf nur zulässig, wenn…“) stelle zweifelsfrei klar, dass die gesetzlichen Widerrufsgründe zwingend und abschließend seien. Sowohl dieser abschließende Charakter als auch die Frage, ob es einer abweichenden Regelung für insolvente Unternehmen bedürfe, seien im Gesetzgebungsverfahren, das der Neuregelung der Delisting-Voraussetzungen 2015 zugrunde lag, ausdrücklich zur Sprache gekommen. Eine planwidrige Regelungslücke und entsprechende richterliche Rechtsfortbildung seien damit ausgeschlossen.

Angebotserfordernis dient der Rechtssicherheit

Gegen eine ungeschriebene Ausnahme für insolvente Unternehmen spreche auch der Sinn und Zweck der Vorschrift – nämlich ein einfaches, rechtssicheres Verfahren zur Verfügung zu stellen, in dem ohne Einzelfallprüfung nur formal die Abgabe eines Angebots zu prüfen sei.

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