Falschparken auf Radweg: Abschleppen geht eigentlich immer!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.06.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|5009 Aufrufe

Das Auto des Klägers wurde abgeschleppt. Er hatte auf einem Radweg geparkt. Über eine halbe Stunde. Die Abschleppkosten wollte er nicht zahlen. Das VG fand das Abschleppen ok:

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 Der Bescheid der Beklagten vom 25.2.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesdirektion vom 25.5.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist als Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen verpflichtet, der Beklagten die mit der Abschleppmaßnahme vom 2.12.2019 verbundenen Kosten i. H. v. 305,60 Euro zu erstatten.

 Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 24 Abs. 1 SächsVwVG. Danach kann die Vollstreckungsbehörde auf Kosten des Vollstreckungsschuldners eine vertretbare Handlung durch einen Dritten vornehmen lassen oder diese selbst vornehmen, wenn die Pflicht zur Vornahme durch den Vollstreckungsschuldner nicht erfüllt wird. Die Kosten einer solchen Ersatzvornahme werden nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SächsVwVG durch Leistungsbescheid gegenüber demjenigen festgesetzt, der die Ersatzvornahme veranlasst hat. Zu diesen Kosten gehören im Falle einer Abschleppmaßnahme insbesondere die vom Abschleppunternehmen in Rechnung gestellten Beträge, welche Auslagen der Behörde darstellen.

 Voraussetzung für die Kostenauferlegung ist allerdings die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme selbst (vgl. OVG NW, Urt. v. 28.11.2000, NJW 2001, 2035). Vorliegend stellt die von der Beklagten am 2.12.2019 durchgeführte Abschleppmaßnahme wegen des verbotswidrig parkenden Fahrzeugs des Klägers eine rechtmäßige Ersatzvornahme i. S. d. § 24 Abs. 1 SächsVwVG dar (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 20.11.2000, SächsVBl. 2001, 94).

 Der Ersatzvornahme lag ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt i. S. d. § 2 SächsVwVG in Form von Verkehrszeichen zugrunde. Es handelt sich hierbei um das im Bereich des - auf Höhe des in stadtauswärtiger Richtung rechts aufgestellte Zeichen 237 (Radweg) sowie um die Markierung mit Zeichen 295 (Begrenzung von Fahrbahnen und Sonderwegen) der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO nebst Piktogramm „Fahrrad“, wie es auf den Fotos zum Abschleppvorgang abgelichtet ist (vgl. Bl. 1 - 5 d. VA). Dabei ist gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 StVO klargestellt, dass nicht nur die Beschilderung, sondern auch die Radverkehrsführungsmarkierung ein Verkehrszeichen darstellt, das den Radweg als Sonderweg ausweist (vgl. Ziff. 1 Nr. 3 Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO). Solche Verkehrszeichen beinhalten nicht nur das Gebot zur entsprechenden Benutzung des Sonderwegs durch den Fahrradverkehr (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO und Nr. 16 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Ge- und Verbote Nr. 1 zu Zeichen 237). Sie enthalten zugleich das Verbot der Benutzung durch anderen Verkehr (vgl. Nr. 16 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Ge- und Verbote Nr. 2 zu Zeichen 237). Damit ist nicht nur das Überfahren des Radwegs mit einem Pkw grundsätzlich untersagt (vgl. Nr. 68 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, 1. Ge- und Verbote Nr. 3 b) und c) sowie Erläuterung Nr. 3 zu Zeichen 237), sondern auch das Parken, wofür nach § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO ansonsten der rechte Seitenstreifen oder Fahrbahnrand zu nutzen ist (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000 - 3 Bf 215/98 -, juris Rn. 24). Aus diesem Verbot folgt gleichsam für die Verkehrsteilnehmer, die den Sonderweg nicht benutzen dürfen, das Gebot des Wegfahrens, was eine Verpflichtung zu einer vertretbaren Handlung darstellt (zum Haltverbot vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996, BVerwGE 102, 316 [319]). Dieses Gebot ist sofort vollziehbar, weil es analog § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO auf unbedingte Befolgung angelegt ist und deshalb funktionell einer unaufschiebbaren, von einem Polizeivollzugsbeamten getroffenen Anordnung entspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 3 C 25/16 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 26.1.1988 - 7 B 189/87 -, juris Rn. 8; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 80 Rn. 64 m. w. N.).

 Angesichts der Zeichen 237 und 295 war der Kläger als Fahrzeughalter verpflichtet, am 2.12.2019 seinen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen umgehend vom Abstellort im zu entfernen. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen. Das Fahrzeug parkte am 2.12.2019 ausweislich der Fotos der Vollzugsbediensteten (Bl. 1 - 5 d. VA) und der weiteren Feststellungen der Vollzugsbediensteten laut Datenbestandsblatt der Verkehrsüberwachung (Bl. 11 d. VA) und Abschleppauftrag (Bl. 6 d. VA) jedenfalls von 20:15 bis 20:54 Uhr auf dem stadtauswärtigen Radweg. Dieser war im Bereich hinter dem Fahrzeug des Klägers mit Zeichen 237 und dem Piktogramm „Fahrrad“ sowie durchgehend ab der Beschilderung mit Zeichen 295 gekennzeichnet. Die Radverkehrsführungsmarkierung (Zeichen 295) befand sich auch noch am Abstellort und endete erst vor dem Fahrzeug des Klägers. Die Markierung wurde nicht von der Einmündung der Straße Rabensteinplatz unterbrochen, weil sich die Einmündung auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Abstellortes befand. Insoweit war nach dem Bereich der Einmündung bzw. am Abstellort keine erneute Beschilderung mit Zeichen 237 geboten; es genüge die durchgehende Markierung mit Zeichen 295.

 Der mit den Zeichen 237 und 295 der Anlage 2 StVO nebst Piktogramm „Fahrrad“ verkörperte Radweg und das hiermit verbundene Parkverbot ist gegenüber dem Kläger als Fahrzeughalter auch wirksam geworden, selbst wenn er es nicht persönlich zur Kenntnis genommen haben sollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 3 C 25/16 -, juris Rn. 15).

 Für die Durchführung der Ersatzvornahme ist es ausreichend, dass ein wirksamer, sofort vollziehbarer Verwaltungsakt vorliegt, während es auf dessen Rechtmäßigkeit nicht ankommt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.2.2002, - 3 Bf 237/00 -, Urt. v. 29.1.2008 - 3 Bf 253/04 -, juris). Die für die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts in Form eines Verkehrszeichens bedeutsame Bekanntgabe erfolgt nach den Vorschriften der StVO durch das Aufstellen des Verkehrsschildes bzw. das Anbringen der Markierung (vgl. § 39 Abs. 2 und 5, § 45 Abs. 4 StVO). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und bei ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 - 3 C 10/15 -, LS juris; Urt. v. 11.12.1996, BVerwGE 102, 316 [318]). Die Wirksamkeit entfällt gemäß § 43 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - nur dann, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Mangel leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1970, BVerwGE 35, 334).

 Hieran gemessen bestehen an der Wirksamkeit der durch die Zeichen 237 und 295 der Anlage 2 StVO nebst Piktogramm „Fahrrad“ verkörperten Anordnung eines Radwegs keine Bedenken. Die primäre Anforderung, die Verkehrszeichen erfüllen müssen, ist, dass sie eine bestimmte und klare Regelung enthalten, die jeder durchschnittliche Verkehrsteilnehmer auf Anhieb versteht (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 26.2.2019 - 5 K 814/18.NW -, juris Rn. 56, juris). Die Verkehrszeichen müssen deshalb dem Sichtbarkeitsgrundsatz genügen, wobei die Einhaltung der Vorgaben der VwV-StVO hierfür ein Indiz ist. Die Nichteinhaltung rechtfertigt aber nicht stets die Annahme, dass die Verkehrszeichen weder hinreichend sichtbar noch zumindest insoweit wahrnehmbar sind, dass Anlass zur Nachschau besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.4.2016 - 3 C 10/15 -, juris Rn. 23). Die Frage der hinreichenden Sichtbarkeit muss dann gegebenenfalls anhand der konkreten Umstände beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.1.2018 - 3 B 4/17 -, juris Rn. 29). Vorliegend war die Erkennbarkeit des Radwegs angesichts der zum Abschleppvorgang angefertigten Fotos (Bl. 1 - 5 d. VA) gegeben. Das Zeichen 237 der Anlage 2 StVO war ordnungsgemäß und für den fließenden Verkehr ohne Weiteres erkennbar am rechten Straßenrad aufgestellt. Das Zeichen 295 und das Piktogramm „Fahrrad“ waren sichtbar auf der Straße angebracht. Am Abstellort des Fahrzeugs war die Radverkehrsführungsmarkierung (Zeichen 295) auch nicht derart verwittert, dass sie selbst unter Beachtung der nach § 1 StVO gebotenen Sorgfalt nicht mehr wahrzunehmen gewesen wäre. Die Markierung war, auch wenn sie unmittelbar vor dem Fahrzeug des Klägers endete, am Abstellort trotz Dunkelheit im Licht der Straßenlaternen sichtbar, was die Fotos der Vollzugsbediensteten, die teilweise ohne Blitzlicht aufgenommen wurden, belegen. Zumindest nach dem Abstellen des Fahrzeugs hätte der Radweg im Wege einer einfachen Umschau daher wahrgenommen werden können. Gleichermaßen war das Piktogramm „Fahrrad“ zu erkennen, das sich im Bereich hinter dem Fahrzeug des Klägers in Sichtweite befand und im Zeitpunkt der Abschleppmaßnahme auch nicht zugeparkt gewesen ist. Insofern kann dahinstehen, dass das Zeichen 237 in erster Linie den fließenden Verkehr regelt und ob der Fahrzeugführer den Abstellort über die Straße angesteuert haben könnte - was vom Kläger nur als Möglichkeit erwogen wurde -, sodass nur die Rückseite des Zeichens 237 beim Einparken zu sehen gewesen wäre. Denn die Erkennbarkeit des Zeichens 295 und des Piktogramms „Fahrrad“ war ausreichend, um am Abstellort den Radweg als solchen zu erkennen und gab - ohne dass es hierauf noch ankommt - Anlass dazu, die Vorderseite des in der Entfernung stehenden Zeichens 237 in den Blick zu nehmen.

 Gemäß § 21 SächsVwVG bedurfte es vor der Durchführung der Ersatzvornahme in Form der Abschleppmaßnahme wegen Gefahr im Verzug keiner Androhung und Fristsetzung. Vom Fahrzeug des Klägers ging - wie dargelegt - wegen des Verstoßes gegen Zeichen 237 und 295 der Anlage 2 StVO bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit aus, deren umgehende Beseitigung geboten war, um die Nutzbarkeit des Radwegs sicherzustellen.

 Die Anordnung der Abschleppmaßnahme genügt als Form der Ersatzvornahme auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie war geeignet, erforderlich und angemessen.

 Geeignet war die Abschleppmaßnahme, weil hierdurch die Sicherheit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs an der betreffenden Straßenstelle wiederhergestellt werden konnte und zugleich der vom Fahrzeug des Klägers ausgehende ordnungswidrige Zustand beendet wurde. Die Abschleppmaßnahme war auch erforderlich, denn ein milderes Mittel stand nicht zur Verfügung. Ein solches ist insbesondere nicht in einem bloßen Verwarnungsgeld zu erblicken, mit dem die Störung der öffentlichen Sicherheit nicht behoben worden wäre. In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass eine vorherige Halterermittlung, um das Wegfahren zu ermöglichen, wegen ungewisser Erfolgsaussichten und nicht abzusehender Verzögerungen regelmäßig nicht geboten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.7.1983, Buchholz 442.151 § 13 StVO Nr. 3; Beschluss vom 27.5.2002, VRS 103, 309; SächsOVG, Beschluss vom 5.2.2010 - 3 A 141/08 -, juris Rn. 7). Dennoch wurde hier laut Abschleppauftrag vom 2.12.2019 eine Haltermittlung durchgeführt, wobei der Kläger nicht erreichbar war. Außerdem war laut Abschleppauftrag kein Parkplatz in der Nähe für eine bloße Umsetzung des Fahrzeugs gegeben.

 Die Anordnung der Abschleppmaßnahme war auch angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig. Der Kläger dringt insbesondere nicht mit dem Einwand durch, sein Fahrzeug habe jedenfalls am Ende des Radwegs gestanden und die Fahrradfahrer seien nicht behindert worden, weil sie wegen eines hinter dem Fahrzeug des Klägers stehenden Fahrzeugs ohnehin vom Radweg hätten ausweichen müssen.

 Die Verhältnismäßigkeit einer Abschleppmaßnahme setzt grundsätzlich keine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer voraus (BVerwG, Beschluss vom 1.12.2000 - 3 B 51/00 -, juris Rn. 4). Nicht jeder Parkverstoß rechtfertigt zwar allein unter Berufung auf eine negative Vorbildwirkung und auf den Gesichtspunkt der Generalprävention ohne Weiteres das Abschleppen eines Fahrzeugs. Die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, dürfen nicht außer Verhältnis zum bezweckten Erfolg stehen, was aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilten ist (BVerwG, Beschluss vom 18.2.2002 - 3 B 149/01 -, juris Rn. 4). Unzweifelhaft ist aber, dass verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge regelmäßig dann abgeschleppt werden dürfen, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Dies gilt etwa beim Verstellen des gesamten Bürgersteigs oder beim Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn, bei Funktionsbeeinträchtigungen einer Fußgängerzone oder beim verbotswidrigen Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz, in Feuerwehranfahrzonen oder auch bei einem Abschleppen zur Verhinderung von Straftaten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 - 3 C 5/13 -, BVerwGE 149, 254-265, juris Rn. 12). Ebenso ist das Abschleppen eines Fahrzeugs, das in einen Radweg hineinragt, wegen der Verkehrsbedeutung des Sonderweges regelmäßig nicht zu beanstanden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2011 - 5 A 954/10 -, juris Rn. 10; OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000 - 3 Bf 215/98 -, juris Rn. 28).

 Gemessen daran führt die Abwägung vorliegend nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Abschleppmaßnahme. Durch das Fahrzeug des Klägers war am Abstellort zu Lasten der Sicherheit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs die gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO vorgeschriebene Radwegbenutzungspflicht nicht mehr sichergestellt. Diese Funktionsbeeinträchtigung war erheblich, denn das Fahrzeug ragte nicht nur minimal in den Radweg hinein, vielmehr stand es insgesamt auf dem Radweg, so dass - was die Fotos zum Abschleppvorgang erkennen lassen (Bl. 1 und 4 d. VA) - Fahrradfahrer den Radweg am Abstellort nicht mehr nutzen konnten, sondern auf die Fahrbahn ausweichen mussten. Es mag sein, dass das Fahrzeug des Klägers unmittelbar am Ende des Radwegs stand und Fahrradfahrer gegebenenfalls bereits wegen des - zumindest im Zeitpunkt der Abschleppmaßnahme - noch hinter dem Fahrzeug des Klägers stehenden Fahrzeugs ausweichen mussten. Dies ändert jedoch nichts an der vom Fahrzeug des Klägers ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung des Sonderwegs und der hiermit verbundenen - zumindest erhöhten - Gefährdung des fließenden Verkehrs infolge ausweichender Fahrradfahrer. Darüber hinaus ist in den Blick zu nehmen, dass das Fahrzeug des Klägers nicht nur kurzzeitig verbotswidrig parkte, sondern zumindest für mehr als eine halbe Stunde, nämlich von 20:15 bis 20:54 Uhr. Hinzukommt das generalpräventiv begründete öffentliche Interesse an der Entfernung des Fahrzeugs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.2.2002 - 3 B 149/01 -, juris Rn. 4). Dieses Interesse hat im vorliegenden Fall nicht nur deshalb Gewicht, weil durch den Radweg der Sicherheit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs im Wege einer räumlichen Trennung von Fahrrad- und Pkw-Verkehr im besonderen Maße Rechnung getragen werden sollte. Vielmehr kommt dem generalpräventiven Interesse auch deshalb Gewicht zu, weil erfahrungsgemäß Fahrzeuge, die - wie hier - längere Zeit ordnungswidrig abgestellt sind, andere Kraftfahrer zum gleichen verbotswidrigen Verhalten im betreffenden Bereich veranlassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.11.1977, NJW 1978, 656, juris Rn. 5). Soweit der Kläger einwendet, dass hinter seinem Fahrzeug ein weiteres Fahrzeug auf dem Radweg gestanden habe, verdeutlicht dies den bereits eingetretenen Nachahmungseffekt. Demgegenüber stehen die durch das Abschleppen entstandenen Nachteile des Klägers, sein Fahrzeug an einer anderen Stelle abholen zu müssen und die Kosten für die Abschleppmaßnahme zu bezahlen, nicht außer Verhältnis. In der Abwägung aller Umstände überwiegt daher der mit der Abschleppmaßnahme bezweckte Erfolg, die durch den Verkehrsverstoß andauernde Störung der öffentlichen Sicherheit zu beheben und die der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dienende Nutzbarkeit des Radwegs wiederherzustellen.

 Die Abschleppkosten durften gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SächsVwVG auch durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kläger als Fahrzeughalter festgesetzt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 3 C 25/16 -, juris; SächsOVG, Beschluss vom 23.3.2009 - 3 B 891/06, juris; OVG Hamburg, Urt. v. 29.1.2008 - 3 Bf 253/04 -, juris Rn. 31). Die Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 1 SächsVwVG gewährt ihrem Wortlaut nach der Behörde keinen Spielraum, im Einzelfall von der Erhebung der Kosten der Ersatzvornahme abzusehen. Nach allgemeiner Auffassung scheidet eine Kostenauferlegung allerdings ausnahmsweise in Fällen einer Unbilligkeit aus (vgl. § 1 Abs. 2 i. V. m. § 11 Nr. 5 SächsVwKG; SächsOVG, Urt. v. 23.3.2009 - 3 B 891/06 -, juris Rn. 30, OVG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2009, NVwZ-RR 2010, 263). Ein atypischer Fall ist in diesem Sinne anzunehmen, wenn von einem Fahrzeug, das ohne Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften geparkt war, später eine Störung ausgeht, die nicht vorhersehbar war und nicht in der Risikosphäre des Halters oder Fahrers lag (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 3 C 25/16 -, juris Rn. 21; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.6.1991, DVBl. 1991, 1330).

 Gemessen daran erweist sich die Kostenerhebung vorliegend nicht ausnahmsweise als unbillig. Es liegt kein atypischer Fall im vorgenannten Sinne vor. Ein solcher kann insbesondere nicht dem Vorbringen des Klägers entnommen werden, dass der Radweg nicht offensichtlich zu erkennen gewesen sei. An der Erkennbarkeit des Radwegs bestehen - wie bereits ausgeführt - auch angesichts der Witterungsverhältnisse, des Zustands der Radverkehrsführungsmarkierung und der übrigen in Sichtweite vorhandenen Kennzeichnung keine Bedenken. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass - zumindest im Zeitpunkt der Abschleppmaßnahme - hinter dem Fahrzeug des Klägers ein weiteres Fahrzeug auf dem Radweg stand und vor dem Fahrzeug des Klägers - nach dem Ende des Radwegs - Fahrzeuge parkten. Denn unabhängig davon, dass der Kläger nichts Substantielles zum Einparkvorgang und der tatsächlichen Situation in diesem Zeitpunkt vortragen konnte, folgt hieraus nicht, dass der Radweg verdeckt gewesen wäre. Vielmehr war am Abstellort die Radverkehrsführungsmarkierung (Zeichen 295) und die weitere Kennzeichnung trotz der auf den Fotos zum Abschleppvorgang (Bl. 1 - 5 d. VA) erkennbaren Parkstation zu sehen, so dass der Radweg und das hiermit einhergehende Parkverbot unter Beachtung der nach § 1 StVO gebotenen Sorgfalt hätte erfasst werden können. Eine Unbilligkeit der Kostenauferlegung ist hiernach unter Würdigung der Gesamtumstände nicht gegeben.

 Die Höhe der mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid festgesetzten Kosten der Abschleppmaßnahme und der Verwaltungskosten begegnet keinen Bedenken. Der Kläger hat hierzu auch keine konkreten Einwände erhoben.

VG Leipzig Urt. v. 5.5.2021 – 1 K 860/20, BeckRS 2021, 12741

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1 Kommentar

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Natürlich geht Abschleppen vom Radweg immer. Man muss nur wollen. Nach so einem Abschleppvorgang verteidigt die Verwaltung ihr Handeln auch immer und oft erfolgreich. Aber das sagt natürlich nichts darüber aus, ob das auch wirklich flächendeckend umgesetzt wird. In Hamburg, wo die Polizei zugleich die Straßenverkehrsbehörde ist, wurde noch vor kurzer Zeit das Parken teilweise auf dem Radweg angeordnet(!). Da kann man dann nicht 100 Meter weiter aus ähnlicher Position heraus abschleppen. Ein höherrangiger Polizist hat mir sogar einmal anvertraut, dass seine Leute noch nicht einmal Knöllchen schrieben, wenn die Kfz nicht auf der Fahrbahn sondern "verkehrsgerecht" auf dem Radweg stehen, d.h. den Verkehr nicht behindern. Mit Fortbildung ist dem auch kaum beizukommen, weil die Polizisten das geschrieben Recht kennen, aber für falsch oder "unpraktisch" halten. Andernorts ist es ja nicht anders (s. Tagesspiegel: Berlins Behörden denken weiter autofreundlich: Wer verhält sich hier falsch? Das Kind - meint das Amt).

Das hier vorgestellte Urteil hat also schon eine krumme Vorgeschichte. Nur deshalb erscheint Ihnen diese Urteil übrigens auch bemerkswert, Hr. Krumm.

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