Man zieht dem Kollegen nicht die Hose runter

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 23.08.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3343 Aufrufe

Es kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) darstellen, wenn ein Arbeitnehmer einen Kollegen dadurch sexuell diskriminiert (§ 3 Abs. 4 AGG), dass er ihm in Gegenwart weiterer Kollegen die Arbeits- und die Unterhose herunterzieht, sodass seine Genitalien entblößt werden.

Das hat das BAG entschieden.

Der Kläger ist in der Automobilproduktion der Beklagten beschäftigt. In der Nachtschicht vom 1./2.5.2019 näherte er sich einem Leiharbeitnehmer und zog diesem unvermittelt die Arbeits- und die Unterhose herunter. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigungsschutzklage hatte erst- und zweitinstanzlich Erfolg. Das LAG hat angenommen, der Kläger habe die fehlende Vollmacht des Personalleiters unverzüglich gerügt, § 174 BGB. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Anwendung des § 174 BGB durch das Berufungsgericht war von Rechtsfehlern geprägt. Zu § 626 Abs. 1 BGB führt das BAG aus:

Auch eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG ist gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (…). Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen … Ein sexualbezogener Übergriff liegt auch dann vor, wenn die Genitalien eines anderen nicht berührt, aber unter Missachtung seines Rechts auf Selbstbestimmung, wem gegenüber und in welcher Situation er sich unbekleidet zeigen möchte, entblößt werden. Auch ein solches Verhalten hat das Geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand (…).

BAG, Urt. vom 20.5.2021 - 2 AZR 569/20, BeckRS 2021, 21422

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