Unterrichtung über Betriebsübergang - BAG deutet Rechtsprechungsänderung an

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.10.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|3594 Aufrufe

§ 613a Abs. 5 BGB verlangt, dass bei einem Betriebsübergang der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten hat.

Die Rechtsprechung des BAG zu den Anforderungen an die korrekte Erfüllung dieser Unterrichtungspflichten war bislang recht streng, in der Literatur wurde sie als "ausufernd" (Naber, FS Willemsen, 2018, S. 339) bis "uferlos" (Willemsen, FS Küttner, 2006, S. 417, 419) kritisiert. Seit 2021 ist beim BAG nicht mehr der 8. Senat, sondern der 2. Senat für Entscheidungen über Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang zuständig (hier der GVP 2021 des BAG).

In einigen jetzt veröffentlichten (Parallel-)Entscheidungen deutet der Senat an, dass er möglicherweise beabsichtigt, die Anforderungen an die ordnungsgemäße Unterrichtung und damit den Beginn der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB etwas zu lockern:

Der erkennende Senat muss nicht darüber befinden, ob an den durch die bisherige Rechtsprechung aufgestellten inhaltlichen Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben und den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerspruchsfrist (vgl. BAG 13. Juli 2006 – 8 AZR 303/05 – Rn. 22 ff., BAGE 119, 81; 13. Juli 2006 – 8 AZR 305/05 – Rn. 17 ff., BAGE 119, 91; sh. auch BAG 26. Mai 2011 – 8 AZR 18/10 – Rn. 20 ff.; 23. Juli 2009 – 8 AZR 538/08 – Rn. 31, BAGE 131, 258; 22. Januar 2009 – 8 AZR 808/07 – Rn. 26) uneingeschränkt festzuhalten ist, oder ob jedenfalls bei Fehlern, die regelmäßig für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer ohne Belang sind, eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich ist. Dies kann schon deshalb offenbleiben, da sich die Klage auch unter Anwendung der bisherigen Rechtssätze als unbegründet erweist ...

BAG, Urt. vom 22.7.2021 - 2 AZR 6/21, NZA 2021, 1405 und weitere Entscheidungen vom gleichen Tage

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So wird es kommen. Die Rechtslage wird dadurch noch absurder. Bislang konnte man einen Arbeitnehmer immerhin dahingehend beraten, dass man schauen konnte, ob die Unterrichtung in Ordnung war. Dann musste man noch beleuchten, was nach dem BÜ so alles passiert war, was man als verwirkungsbegründende Umstände entgegengehalten bekommt. Wenn das BAG zukünftig auch noch prüfen will, ob der Fehler im Schreiben relevant war, dann ist die Rechtslage so unsicher, dass man keinem Arbeitnehmer noch zum Widerspruch raten kann.

Politisches Ziel des Ganzen ist es, Widersprüche nach Ablauf von einem Monat und dahingehende Prozesse zu verhindern.

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