Verfrühte Beiziehung von Unterlagen: Passfoto und FAER-Auszug?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.07.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2017 Aufrufe

Über was man sich so alles Gedanken machen und was man alles so in die Rechtsbeschwerde bringen kann. Nicht nur die Frage der Zulässigkeit etwa einer Passfotobeiziehung, sondern auch der Zeitpunkt der Beiziehung des Fotos und des FAER-Auszugs. Auch wenn es in der Rechtsbeschwerde nichts brachte, finde ich die Verteidigung soch schon sehr kreativ!

 

Die Beanstandung, die Bußgeldbehörde habe verfrüht ein Passfoto der Betroffenen bei der Meldebehörde angefordert, greift nicht durch.

 Vorliegend war die Betroffene die Halterin des Fahrzeugs. Ihr Alter (Jahrgang …) passte zu der weiblichen Person, die auf dem Messfoto abgebildet ist. Bei dieser Verdachtslage wurde der Tatvorwurf in dem Anhörungsschreiben vom 1. Februar 2021 gegen sie als die beschuldigte Betroffene erhoben. Sie war nicht lediglich eine „potentiell Betroffene“ (vgl. zu diesem dem Gesetz fremden Begriff: AG Landstuhl, Beschluss vom 8. Januar 2020, 2 OWi 4211 Js 12883/19, bei juris).

 Parallel hierzu hat die Bußgeldbehörde mit Schreiben vom 2. Februar 2021 ein Passfoto bei der Meldebehörde angefordert. Der Senat vermag den Regelungen in § 22 Abs. 2 PassG und § 24 Abs. 2 PAuswG nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der schriftlichen Anhörung des Betroffenen abgewartet werden muss, bevor ein Passfoto angefordert werden darf. Dies gilt umso mehr, als das Gesetz für die Anhörung des Betroffenen nur dahin eine zeitliche Grenze vorsieht, dass die Anhörung spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen zu erfolgen hat (§ 55 Abs. 1 OWiG, § 163a Abs. 1 StPO). Auch in Bußgeldsachen können Ermittlungen vor der Anhörung des Betroffenen durchgeführt werden.

 Im Übrigen hat die Betroffene auf das Anhörungsschreiben nicht reagiert. Die schriftliche Anhörung hatte keine Auswirkung auf die Verdachtslage und die Erforderlichkeit der Passbildanforderung. Andere Maßnahmen zur Feststellung der Identität (z.B. Aufsuchen der Betroffenen an der Wohnanschrift) hätten wesentlich stärker in ihre Persönlichkeitssphäre eingegriffen.

 Selbst wenn man zugunsten der Betroffenen einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen unterstellt, würde dies weder ein Verfahrenshindernis noch ein Beweisverwertungsverbot begründen (vgl. OLG Bamberg DAR 2006, 336; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 22895; OLG Koblenz NStZ 2021, 504). Ebenso wenig gibt der vorliegend gewählte Zeitpunkt der Passbildanforderung Anlass für eine Einstellung des Verfahrens (§ 47 Abs. 2 OWiG).

 7. Die Beanstandung, die Bußgeldbehörde habe zur Person der Betroffenen verfrüht einen Auszug aus dem Fahreignungsregister (FAER) eingeholt, wirkt sich ebenfalls nicht aus.

 Bei der am 3. Februar 2021 durchgeführten Abfrage hatte die Betroffene eben diesen Status. Sie wurde wegen einer bestimmten Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr verfolgt (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 StVG). Vorbelastungen waren bei Erlass eines Bußgeldbescheides ggf. zu berücksichtigen.

 Aus der einschränkenden Bezugnahme auf die in § 28 Abs. 2 StVG genannten Zwecke (hier Nr. 2: Ahndung von Verstößen im Straßenverkehr) lässt sich allerdings ableiten, dass der Auszug aus dem Fahreignungsregister erst bei Ahndungsreife erforderlich ist (vgl. Gratz DAR 2021, 650, 651). Dieses Stadium war bei der Abfrage vom 3. Februar 2021 noch nicht erreicht. Das Passfoto der Betroffenen lag der Bußgeldbehörde erst am 4. März 2021 vor.

OLG Düsseldorf Beschl. v. 16.5.2022 – 2 RBs 71/22, BeckRS 2022, 10553

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Warum der Senat allerdings nicht einfach schreibt, dass das Urteil darauf ohnehin nicht beruhen kann, wissen nur die Götter - oder eben das OLG Düsseldorf. Die paar Beschlusszeilen hätte man auch an anderer Stelle sinnvoller einsetzen können.

 

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