BGH: Bestimmung des Ausgleichs im Beherrschungsvertrag anhand des Börsenwerts möglich (WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG)

von Julia MacDonald, veröffentlicht am 13.04.2023

Der BGH hat mit Beschluss vom 21. Februar 2023 (II ZB 12/21, BeckRS 2023, 6362) entschieden, dass der zur Ermittlung des angemessenen Ausgleichs nach § 304 Abs. 1 AktG heranzuziehende Unternehmenswert anhand des Börsenwerts der Gesellschaft geschätzt werden kann.

Hintergrund der Entscheidung ist ein zwischen zwei börsennotierten Aktiengesellschaften geschlossener Beherrschungsvertrag. Die darin festgesetzte Abfindung nach § 305 Abs. 1 AktG und die Ausgleichszahlung nach § 304 Abs. 1 AktG für außenstehende Aktionäre wurden durch den Parteigutachter und den gerichtlich bestellten Vertragsprüfer auf Grundlage des Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 ermittelt. Die auf Erhöhung der Kompensation gerichteten Spruchverfahrensanträge von Minderheitsaktionären der beherrschten AG blieben erfolglos. Die Instanzgerichte bestimmten den Unternehmenswert anhand des Börsenwerts beider Gesellschaften auf den Durchschnittskurs innerhalb eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor dem Stichtag der Bekanntmachung der Absicht, einen Beherrschungsvertrag zu schließen. Der BGH wies die Rechtsbeschwerden zurück.

Nach Ansicht des Senats – anknüpfend an die herrschende Meinung – ist die marktorientierte Bewertungsmethode zur Heranziehung des Börsenwerts einer Gesellschaft grundsätzlich für die Bestimmung der angemessenen Abfindung der außenstehenden Aktionäre nach § 305 Abs. 1 AktG geeignet. Im Fall der Abfindung in Aktien nach § 305 Abs. 3 Satz 1 AktG könne dazu die Wertrelation zwischen den beteiligten Gesellschaften anhand ihrer Börsenkurse ermittelt werden. Insbesondere dürfe das Beschwerdegericht von der im Bewertungsgutachten und von dem Vertragsprüfer verwendeten Ertragswertmethode abweichen, da es an eine Methodenwahl nicht gebunden sei.

Weiter bejaht der Senat die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage, ob der Börsenwert der Gesellschaft eine geeignete Methode auch für die Ermittlung des angemessenen Ausgleichs nach § 304 Abs. 1 AktG sein kann. Die Heranziehung dieser marktorientierten Bewertungsmethode war bislang mit Blick auf den Wortlaut des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Teil abgelehnt worden. Demnach sollen die (künftigen) Ertragsaussichten der Gesellschaft maßgeblich sein, worin eine gesetzliche Festschreibung der Ertragswertmethode gesehen wurde. Der Senat versteht den Wortlaut hingegen nicht als Ausschluss einer marktorientierten Bewertungsmethode, da sich die künftigen Erfolgsaussichten auch im jeweiligen Börsenkurs ausdrückten. Der Sinn und Zweck der Vorschrift – die Sicherung der außenstehenden Aktionäre – stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Denn die künftigen Ertragsaussichten einer Gesellschaft würden in einem funktionierenden Kapitalmarkt zutreffend bewertet. Auch mit Blick auf die Gesetzessystematik würde bei einer Heranziehung des Börsenwerts ein „Gleichlauf“ zwischen den §§ 304 und 305 AktG dadurch erreicht werden, dass die Bestimmung der angemessenen Abfindung anhand des Börsenwerts erfolge.

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