Pfändungsfreies Nettoentgelt darf nicht durch Sachbezüge substituiert werden

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 07.06.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1784 Aufrufe

Nach § 107 Abs. 2 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass das Arbeitsentgelt teilweise als Sachbezug gewährt wird, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Allerdings darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.

Nach der aktuell noch geltenden Pfändungsfreigrenzenverordnung 2022 (in Kraft seit 1.7.2022) sind bei einem Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten 1.339,99 Euro netto pfändungsfrei. Der Betrag erhöht sich bei der Unterhaltspflicht für eine Person (z.B. den Ehegatten) auf 1.839,99 Euro netto, für zwei Personen (z.B. Ehegatte und ein Kind) auf 2.109,99 Euro netto, für drei Personen auf 2.389,99 Euro netto usw. (Tabelle hier).

Vor diesem Hintergrund verlangt der Kläger für die Zeit von Januar 2017 bis April 2020 Nachzahlung von knapp 30.000 Euro. Sein Monatsverdienst betrug immerhin 4.285 Euro brutto, anstelle einer Entgelterhöhung erhielt er im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses zusätzlich einen auch zur privaten Nutzung freigegebenen Dienstwagen. Dieser wurde mit der steuerlichen Pauschale von 1 % des Bruttolistenpreises als Sachbezug gewährt (445 Euro). Des Weiteren zahlte die Arbeitgeberin eine Entfernungspauschale von 747,60 Euro für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (56 km). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das LAG Niedersachsen ihr hinsichtlich der Nettobeträge stattgegeben. Auf die vom BAG zugelassene Revision der beklagten Arbeitgeberin hat der Fünfte Senat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen:

Die vereinbarte Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO. Der Wert dieses Sachbezugs beläuft sich grundsätzlich auf 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung. Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf dieser Wert allerdings nicht die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigen. Der unpfändbare Betrag des Entgelts muss dem Arbeitnehmer in Geld ausgezahlt werden. Zur Ermittlung des pfändbaren Teils des Einkommens sind Geld- und Sachleistungen nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften zusammenzurechnen. Nicht einbezogen wird dabei der steuerlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil für die Nutzung des PKW auf dem Weg von der Wohnung zum Betrieb in Höhe von monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer (sog. 0,03 %-Regelung).

BAG, Urt. vom 31.5.2023 - 5 AZR 273/22, Pressemitteilung hier

 

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