BGH: Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital – Wie genau müssen die Vorgaben sein?

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 17.07.2023

Der BGH hat entschieden, dass die Hauptversammlung ein genehmigtes Kapital mit Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auch ohne abschließende Aufzählung möglicher Ausschlussfälle beschließen kann (Urteil vom 23. Mai 2023, II ZR 141/21; BeckRS 2023, 15243).

Beispielhafte Abgrenzung der Ermächtigung im Vorstandsbericht

Die Hauptversammlung einer im Freiverkehr notierten AG hatte den Vorstand per genehmigtem Kapital dazu ermächtigt, im üblichen zeitlich und finanziell beschränkten Umfang das Grundkapital zu erhöhen. Im selben TOP wurde der Vorstand ermächtigt, bei einer Erhöhung das Bezugsrecht auszuschließen. Die Fälle, in denen ein Ausschluss möglich sein sollte, waren nur im Vorstandsbericht zum TOP und in Form einer nicht abschließenden Liste aufgeführt.

Ausschluss kann komplett im Ermessen des Vorstands stehen

In seiner Entscheidung bejaht der Senat – wie schon die Vorinstanzen (siehe OLG Nürnberg, 12 U 1149/18; BeckRS 2021, 22150) – die Rechtmäßigkeit der Ermächtigung. Die Entscheidung, im Rahmen eines genehmigten Kapitals das Bezugsrecht auszuschließen, könne uneingeschränkt ins Ermessen des Vorstands gestellt werden. Die Zwecke eines Ausschlusses müssten nicht abschließend und im Ermächtigungsbeschluss aufgeführt werden; sie könnten auch nur beispielhaft und in einem der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Bericht aufgeführt werden. Hierdurch erhalte der Vorstand keinen zu großen Spielraum, und die Aktionäre seien dennoch vor einem rechtswidrigen Ausschluss geschützt. Die Entscheidung des Vorstands könne beispielsweise per Unterlassungs- oder Feststellungsklage überprüft werden.

Auslegung der Ermächtigung auch anhand des Berichts

Bei der Auslegung der Ermächtigung sei der Vorstandsbericht mit heranzuziehen. Bei der Auslegung von Satzungsbestimmungen wie derjenigen zum genehmigten Kapital, so der Senat im Anschluss an frühere Rechtsprechung, könnten auch aus den Registerakten ersichtliche Umstände berücksichtigt werden. Dazu gehöre auch ein Vorstandsbericht zum genehmigten Kapital.

Im Zweifel restriktive Auslegung

Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei einer gegen einen Vorstandsbeschluss erhobenen Aktionärsklage komme dem Aktionärsschutz entgegen. Denn Unklarheiten der Ermächtigung dürften angesichts der grundsätzlichen Kompetenz der Hauptversammlung für den Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 AktG nicht zum Nachteil der Aktionäre gehen. Bei Zweifeln habe der Vorstand von der Ausübung der Ermächtigung abzusehen.

Keine strengeren Anforderungen wegen Existenz eines Großaktionärs

Auch die Existenz eines Großaktionärs führe nicht dazu, dass strengere Anforderungen an die Rechtfertigung des Ermächtigungsbeschlusses zu stellen seien. Der Gefahr, dass der Vorstand bei Ausübung der Ermächtigung das Gesellschaftsinteresse gegenüber dem Interesse des Großaktionärs zurückstelle, sei nicht auf Ebene der Ermächtigung zu begegnen. Vielmehr sei die spätere Vorstandsentscheidung in diesem Fall besonders streng zu prüfen.

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