BGH: Abfindungsvereinbarung erhöht Gegenleistung nach § 31 Abs. 6 WpÜG (STADA/Elliott)

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 18.07.2023

Der BGH hat entschieden, dass eine im Anschluss an ein Übernahmeangebot geschlossene Vereinbarung zwischen dem Bieter und einem Paketaktionär über die Höhe der Abfindung zu einem geplanten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) zu einer nachträglichen Erhöhung des Angebotspreises führen kann (Urteile vom 23. Mai 2023, II ZR 219/21, II ZR 220/21; BeckRS 2023, 16633; BeckRS 2023, 16636).

Bieter sichert sich mit Paketaktionär die BGAV-Mehrheit

Im vorliegenden Fall hatte sich der Bieter per Übernahmeangebot zunächst rund 64% der Aktien der Zielgesellschaft gesichert. Um im Anschluss die Dreiviertel-Hauptversammlungsmehrheit für den Abschluss eines BGAV zu erreichen, schloss der Bieter mit einem zu rund 13% beteiligten Paketaktionär ein sog. Irrevocable Committment. Darin verpflichtete sich der Aktionär, für den BGAV zu stimmen, wenn die im BGAV festgelegte Abfindung für außenstehende Aktionäre mindestens einem bestimmten, über dem vormaligen Angebotspreis liegenden Abfindungsbetrag entspreche.

Irrevocable Committment ist Nacherwerbsvereinbarung

In seinen Entscheidungen spricht der Senat zwei ehemaligen Aktionären, die das Übernahmeangebot angenommen hatten, eine Erhöhung der ihnen gewährten Gegenleistung zu. Es bestehe gemäß § 31 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 S. 1 WpÜG ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem Angebotspreis und dem Preis des Irrevocable Committments. Nach diesen Vorschriften ist der Bieter den Ex-Aktionären, die das Angebot angenommen haben, zur Zahlung des Unterschiedsbetrags verpflichtet, wenn er binnen eines Jahres nach Ende der Annahmefrist außerhalb der Börse Aktien der Zielgesellschaft für eine höhere als die im Angebot gewährte Gegenleistung erwirbt bzw. wenn er entsprechende Vereinbarungen abschließt, auf Grund derer die Übereignung verlangt werden kann. Eine solche Nacherwerbsvereinbarung, so der Senat, liege auch im Irrevocable Committment.

Auch Andienungsvereinbarung kann Erwerbsvereinbarung sein

Zu den Voraussetzungen einer Vereinbarung nach § 31 Abs. 6 S. 1 WpÜG gehöre es nicht, dass der Bieter die Übereignung verlangen könne. Entscheidend sei, dass die Vereinbarung eine auf den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft gerichtete rechtsgeschäftliche Disposition des Bieters enthalte. Dabei spiele es keine Rolle, welche Seite aus der Vereinbarung berechtigt und welche verpflichtet sei, ob es tatsächlich später zum Erwerb komme, ob die Ausübung eines Veräußerungsrechts wahrscheinlich sei oder ob für das Entstehen des Veräußerungsrechts weitere Voraussetzungen (im konkreten Fall: Eintragung des BGAV im Handelsregister) erfüllt werden müssten. Auch Vereinbarungen, mit denen der Bieter ein Andienungsrecht einräume, könnten unter die Regel fallen. Der Senat wendet sich damit gegen die bislang herrschende Meinung und die Verwaltungspraxis der BaFin zu dieser Frage.

Kein hinreichend enger Zusammenhang mit gesetzlicher Abfindung

Der Anspruch auf die Differenz sei auch nicht nach § 31 Abs. 6 S. 1, Abs. 5 S. 2 Fall 1 WpÜG ausgeschlossen. Nach diesen Vorschriften entfällt der Anspruch beim Erwerb von Aktien (bzw. bei einer gleichgestellten Vereinbarung) „im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung einer Abfindung“. Ein solcher Zusammenhang ergebe sich nicht für eine Vereinbarung der hier abgeschlossenen Art, mit der sich ein Paketaktionär vor einem BGAV-Abschluss dazu verpflichte, die Zustimmung der Hauptversammlung zu unterstützen, wenn eine bestimmte Mindestabfindung für außenstehende Aktionäre vorgesehen sei. Eine solche Vereinbarung sei das Ergebnis einer freien Verhandlung der Parteien; sie nehme nicht an der Privilegierung i. R. d. § 31 Abs. 6 S. 1, Abs. 5 S. 2 WpÜG teil. Die Vorschrift sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen.

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