Sperre für immer? "Schwerste Verkehrskriminalität" reicht dafür nicht!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.11.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|939 Aufrufe

Ja. Der Angeklagte ist wohl ein schlechter Mensch. Aber was sagt das schon nach einer schweren Straftat und die sich dann anschließende Haft über die Fahreignung des Angeklagten aus? "Nicht sooooo viel", meint der BGH. Auch bei schwersten Delikten muss die Dauer der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach bekannten Kriterien geprüft werden:

3. Der Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Jedoch kann der Ausspruch über die lebenslange Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nicht bestehen bleiben. Die Strafkammer hat dazu lediglich ausgeführt, dass das Verhalten des Angeklagten „schwerste Verkehrskriminalität“ darstelle und „eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr aufgrund erheblicher Charaktermängel“ offenbare. Das reicht zur Rechtfertigung einer lebenslangen Sperre nicht aus.

 Entscheidend für die Dauer der Sperrfrist ist die voraussichtliche Ungeeignetheit des Täters. Eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 2 StGB kann nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, juris Rn. 9; Beschluss vom 20. November 1990 – 4 StR 502/90, juris Rn. 2). Die Schwere der Tatschuld ist dabei nur insoweit von Bedeutung, als sie Hinweise auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Täters und den Grad seiner Ungeeignetheit zu geben vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1990 – 4 StR 502/90, juris Rn. 2). Zudem hat das Landgericht nicht erkennbar Dauer und Wirkung eines langjährigen Strafvollzugs in den Blick genommen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17, juris Rn. 36; Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, juris Rn. 9 mwN).

BGH Beschl. v. 15.8.2023 – 4 StR 514/22, BeckRS 2023, 23529

 

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Angesichts der abgeurteilten Tat ist das Urteil des BGH schon verwunderlich. Würde ein Jäger, der seine Waffen so gegen seine Frau und seinen Sohn einsetzt, seinen Jagdschein jemals zurückerhalten? Würde er nicht. So gesehen hat der BGH praktsich ein Grundrecht auf einen Führerschein eingeführt, das es aber nicht gibt. Wer sein Kraftfahrzeug einmal als Waffe gegen einen Menschen eingesetzt hat, sollte nach Absitzen der Strafe den Rest seines Lebens einfach Fahrrad, Bus und Bahn fahren müssen. Gehen ist auch ganz gesund und schadet niemandem.

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