Doch keine Schrotflinte - § 8c KStG trifft nicht alle Verlusttöpfe (BFH v. 24.4.2024 - IV R 27/21)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 06.06.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2780 Aufrufe

Jetzt kommt es knüppeldick für die Vorschrift zum Verlustuntergang nach § 8c KStG – unter Feuer ist er nicht nur vom I. Senat des BFH, der die AdV gegen Verlustfeststellungsbescheide gewährt (BFH v. 12.4.2023 – I B 74/22, BeckRS 2023, 15981; „faktische Außerkraftsetzung von § 8c KStG unabhängig von seiner jeweiligen Fassung“, Suchanek/Rüsch, FR 2023, 787, 789). Ganz zu schweigen vom immer noch anhängigen Verfahren zur verfassungsrechtlichen Würdigung beim Bundesverfassungsgericht 2 BvL 19/17 (Vorlage des FG Hamburg v. 29.8.2017 – 2 K 245/17, BeckRS 2017, 122798).

Zu all dem kommt jetzt auch noch der IV. Senat des BFH hinzu, der den „scope“ des § 8c KStG einschränkt. Gesetzlich wird § 8c KStG durch § 10a Satz 10 1. HS GewStG auf den gewerbesteuerlichen Fehlbetrag einer Körperschaft entsprechend angewendet. Durch § 10a Satz 10 2. HS GewStG setzt sich dieses System bei unmittelbar oder mittelbar von der Körperschaft gehaltenen gewerblichen Mitunternehmerschaften fort (BeckOK GewStG/Weiss GewStG § 10a Rn. 743 ff.). Daneben dehnt § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG die Regelung auf den Zinsvortrag (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG) der Körperschaft aus, während § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG diese Rolle für den „Zinsvortrag einer Gesellschaft …, soweit an dieser unmittelbar oder mittelbar eine Körperschaft als Mitunternehmer beteiligt ist“, übernimmt.

Die Finanzverwaltung sieht den sachlichen Anwendungsbereich hingegen noch weiter: In ihrem Schreiben vom 28.11.2017 (BeckVerw 349265), dort Rz. 2, sieht sie „insbesondere die Verluste nach § 2a, § 10d (Verlustvor- und ‑rücktrag, einschließlich der Verlustvorträge einer Organgesellschaft aus vororganschaftlicher Zeit), § 15 Abs. 4, § 15a und § 15b EStG sowie festgestellte verbleibende Verlustvorträge i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG“ als umfasst an. Im Schrifttum ist sie hiermit auf Kritik gestoßen (zu § 15a EStG BeckOK KStG/Thonemann-Micker/Kanders KStG § 8c Rn. 78; zu § 10 AStG bspw. Weiss, NWB 2016, 1360).

Dieser Kritik schließt sich der BFH mit seinem Urteil vom 24.4.2024 (IV R 27/21) an: Das Finanzamt hatte ein § 8c-KStG-Ereignis auf Ebene einer vorgeschalteten Körperschaft zum Anlass genommen, die § 15a EStG-Verluste auf Ebene einer nachgeschalteten Mitunternehmerschaft untergehen zu lassen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sieht der IV. Senat die Verluste nach § 15a EStG gerade nicht als von § 8c KStG sachlich umfasst an. Beachtlich war dabei insbesondere der Charakter des § 15a EStG, der sich bereits nicht unter die von § 8c KStG in den Blick genommenen Verluste von Körperschaften subsumieren lässt. Vielmehr wandelt § 15a EStG nur einen Teil der Verluste auf Ebene der Mitunternehmerschaft in „verrechenbare Verluste“ um, die zunächst für den Kommanditisten nicht nutzbar sind. All diese Vorgänge finden aber bei der Mitunternehmerschaft und gerade nicht bei der Körperschaft statt.

Mithin bedarf es – wie in § 10a Satz 10 2. HS GewStG oder § 4h Abs. 5 Satz 3 EStG – einer gesetzlichen Anordnung zur „entsprechenden“ Anwendung des § 8c KStG auf Verluste bei Mitunternehmerschaften. Diese Anordnung ist jedoch für Zwecke der Körperschaftsteuer nicht erkennbar. Gewerbesteuerlich ist § 15a EStG ohnehin unbeachtlich (GewStR 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5; zuletzt FG Bremen v. 16.2.2023 – 1 K 21/21, BeckRS 2023, 11022 Rn. 125).

Interessant dürfte ein solches Urteil mithin auch für die anderen in Rz. 2 des BMF-Schreibens vom 28.11.2017 (BeckVerw 349265) genannten „Verlusttöpfe“ sein – etwa die Verluste aus „Zwischengesellschaften“ unter § 10 Abs. 3 Satz 5 f. AStG. Vorsicht ist hingegen bei Umwandlungen geboten, bei denen das Umwandlungssteuergesetz als „für die einbezogenen Umwandlungsvorgänge … eigenständiger und sondergesetzlicher Rechtskreis, der den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften vorgeht“ (BFH v. 21.2.2018 – I R 46/16, BeckRS 2018, 11693) anwendbar ist. Der Verlustuntergang wird dort durch Regelungen wie § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG explizit auch für „verrechenbare Verluste“ angeordnet (BeckOK UmwStG/Kaiser/Möller-Gosoge UmwStG § 4 Rn. 159).

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