"Sale & rent back" beim OLG Frankfurt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.07.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|535 Aufrufe

Etwas Zivilrecht diesmal. Die Beklage betreibt bundesweit mit 20 Filialen ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Sie verfolgt das Geschäftsmodell, dass sie Eigentümern von Kraftfahrzeugen diese Kraftfahrzeuge abkauft und sie ihnen für einen Folgezeitraum gegen ein monatliches Entgelt unmittelbar zur Miete überlässt. Nach Ende der Mietzeit soll sie das Fahrzeug öffentlich versteigern. Gegenüber der Kfz Zulassungsstelle reicht die Klägerin nach Abschluss des Vertrages mit dem Kunden in der Regel eine „Anzeige einer Vollübereignung“ ein und zeigt an, dass Kfz als Leasinggeberin zu Eigentum erworben zu haben und beantragt nach Beendigung der Laufzeit in der Regel eine Aufhebung der Sicherungsübereignung durch ein Formblatt.

Mit diesem Geschäftsmodell hat sich gerade das OLG Frankfurt befasst.

Die Klägerin schloss nämlich noch mit der Beklagten einen Mietvertrag über die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs im Rahmen des Vertragsmodells „Sale-and-rent-Back“, wonach die Vermieterin dem Mieter das vorgenannte Fahrzeug entgeltlich zu privaten Nutzung überlasse, der allerdings Versicherungsnehmer und auf den das Fahrzeug allerdings während gesamten Vertragslaufzeit zugelassen bleiben sollte. Der Nutzungsvertrag sollte am 07.01.2020 beginnen und durch Zeitablauf am 07.07.2020 enden. Die Klägerin verpflichtete sich monatlich im Voraus einen Mietzins i.H.v. 415,80 €, „rabattiert“ nach § 7 lit. d) des Vertrages um eine monatliche Pauschale für Steuern/Versicherung/Wartungsreparaturen um 118,80 € auf 297,00 €, zu zahlen (§§ 4 lit. c) bis h), 5 MV). Hierfür sahen § 7 lit. c) und d) MV die Wahlmöglichkeit vor, dass sich die Vermieterin an den anteiligen Kosten für Kfz Versicherung und Kfz-Steuer beteilige und dies am Schluss des der Laufzeit erstattet werde oder der Mieter berechtigt sei, den „Block“ Steuern/Versicherung/Wartung/Reparaturen zu übernehmen, wofür ihm ein Pauschalbetrag gutgeschrieben werden sollte. Nach § 5 lit a) MV waren sich Vermieterin und Mieter darüber einig, dass in dem Mietzins keine Kapitalrückzahlung enthalten sei, sondern dass es sich um ein reines Entgelt für die Gebrauchsüberlassung handele. Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages durch Verstoß des Vermieters gegen eine Verpflichtung aus dem Mietvertrag sollte dieser der Vermieterin den Mietzins bis zum ordentlichen Ablauf des Mietvertrages als Schadenersatz zu erstatten haben (§ 4 lit. d) MV). Das Mietverhältnis sollte nach § 6 lit a) MV mit Ablauf der Mietzeit enden, ohne dass einer Kündigung bedürfe. Bei Zahlungsverzug (§ 6 lit b) MV) sollte die Vermieterin zur sofortigen Kündigung des Vertrages unter den dort im Einzelnen dargelegten Umständen berechtigt sein.

In allen Fällen der Vertragsbeendigung sollte der Mieter nach § 6 lit. c) MV verpflichtet sein, das Fahrzeug nebst Zulassungsbescheinigung Teil 1 und den Fahrzeugschlüsseln sofort innerhalb einer Frist von 24 Stunden an die Vermieterin zurückzugeben, wobei die Vermieterin nach § 6 lit. d) bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung berechtigt sein sollte, dem Mieter den Besitz ohne dessen Willen zu entziehen und das Fahrzeug in Besitz zu nehmen, was auch die Berechtigung enthielt, befriedetes Besitztum des Mieters zu öffnen und zu betreten, ohne Beschränkung der Tageszeit. Nach § 6 lit. e) MV sollte der Vermieter ferner berechtigt sein, das Fahrzeug im Falle von Zahlungsverzuges ohne Ankündigung vorläufig sicherzustellen, wobei nach § 6 lit f) der Mieter im Falle der Wegnahme des Fahrzeugs durch die Vermieterin auf die Einrede der Wegnahme durch verbotene Eigenmacht und auf Ansprüche nach § 859 ff. BGB verzichtet. § 11 „Besonderheiten“ enthält unter lit. b) eine mit § 6 lit. b. des Kaufvertrages eine im wesentlichen identische Regelung, wonach der Mieter auf § 34 Abs. 4 GewO hingewiesen worden sei, wonach der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung eines Rückkaufsrechts verboten sei und der Mieter ausdrücklich bestätige, dass ihm während der Vertragsverhandlung wieder schriftlich noch mündlich zugesagt noch der Eindruck vermittelt worden sei, dass er das von ihm an die Vermieterin verkaufte Fahrzeug durch einseitige Erklärung dieser gegenüber zurück kaufen könne.

Das OLG Frankfurt in seinen Leitsätzen:

1. Übersteigt der Händlereinkaufswert oder der Marktwert den von dem Pfandleihhaus gezahlten Kaufpreis, der vereinbart wird, um das Fahrzeug anschließend vom Pfandleihhaus anzumieten, um das 5 – 6-fache, so liegt ohne weiteres ein auffälliges und grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, das zur Nichtigkeit des Kaufvertrages, des Mietvertrages, aber auch der Übereignung wegen eines sittenwidrigen – weil wucherähnlichen – Geschäftes führt (§ 138 Abs. 1 ZPO). Angesichts des auffälligen und groben Missverhältnisses kann ohne weiteres auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten geschlossen werden.

 2. Angesichts des Geschäftsmodells kann nicht angenommen werden, dass sich die Beklagte mit Abschluss des Kaufvertrages den erzielten Mehrwert nicht endgültig habe einverleiben wollen, auch wenn für den Fall der Versteigerung des Fahrzeugs nach Ende der Mietzeit unter Umständen ein Mehrerlös an den Mieter und Verkäufer hätte zugewandt werden sollen.

 3. In derartigen Fällen übersteigt die vereinbarte Miete auch regelmäßig den tatsächlichen Nutzungsvorteil des Fahrzeugs.

 4. In den entsprechenden Fällen der sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch einen erheblich zu niedrigen Kaufpreis ist der Kunde nicht verpflichtet, den Kaufpreis zurückzuzahlen, auch wenn er das Eigentum an dem Fahrzeug nicht verloren hat. § 817 S. 2 BGB ist auf den Kondiktionsanspruch des Pfandleihhauses anwendbar. Bei Vorliegen eines derart groben, auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung kann auch ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich der Leistende der Rechtswidrigkeit seines Handelns zumindest leichtfertig verschlossen hat.

 5. Insoweit schließt sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Oberlandesgerichts München, die in derartigen Fällen ebenfalls einen Kondiktionsauschluss annehmen, ausdrücklich an.

OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 11.4.2024 – 2 U 115/20, BeckRS 2024, 9761

 

 

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