LAG Baden-Württemberg zur Entgeltgleichheit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 17.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1432 Aufrufe

Immer öfter müssen sich die Arbeitsgerichte mit Fragen der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen befassen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wann ein Indiz für die Beweislasterleichterung des § 22 AGG angenommen werden kann. Ein neueres Urteil des LAG Baden-Württemberg (Teilurteil vom -19.6.2024 - 4 Sa 26/23) bietet ein anschauliches Beispiel.

In diesem Fall ging es um eine Angestellten eines im Großraum Stuttgart ansässigen Unternehmens, die unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) eine höhere Vergütung für das Jahr 2021 geltend macht. Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unionsrechtskonform auszulegen.

Im hier betroffenen Fall ist die Abgrenzung der einschlägigen männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe von deren Vergütung zwischen den Parteien unstreitig. Demnach sind jedenfalls die Gehaltsbestandteile Grundgehalt und Dividendenäquivalent bei der Klägerin geringer als beim Median ihrer männlichen Vergleichsgruppe. Eine derartige Vergütungsdifferenz ist nach Ansicht der 4. Kamer des LAG Baden-Württemberg (im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 488/19) ein Indiz für eine Verletzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit. Die entsprechende Vermutung müsse die Arbeitgeberin im Sinne eines Vollbeweises widerlegen. Das bedeute, dass die Arbeitgeberin die prozessuale Last habe, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorlag, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der Klägerin geführt haben. Zulässige andere Gründe wären beispielsweise geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit gewesen.

Hier hatte sich die Arbeitgeberin zwar darauf berufen, dass die männlichen Kollegen der Klägerin durchschnittlich etwas länger im Unternehmen beschäftigt seien und dass die Klägerin unterdurchschnittlich „performed“ hätte. Damit hatte sie jedoch nach Ansicht des LAG die von ihr angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. Denn aus ihren Angaben sei nicht hervorgegangen, wie sie die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet und wie sie diese Kriterien zueinander gewichtet hatte. Damit habe sie keine Tatsachen angegeben, die eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit durch die Gerichte ermöglicht hätten. Dies wirke sich zu ihren Lasten aus.

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