LAG Schleswig-Holstein: Schadensersatz wegen diskriminierender Stellenanzeige in Ebay-Kleinanzeigen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.09.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht11|3363 Aufrufe

Wussten Sie, dass sich im Internetportal „Ebay-Kleinanzeigen“ auch Stellenangebote finden? Ich war – etwas naiv – davon ausgegangen, dass dort im Wesentlichen nur gebrauchte Dinge zum Verkauf angeboten werden. Ein Blick auf die Seiten von Ebay-Kleinanzeigen zeigt dann aber schnell, dass dort auch in nicht geringem Umfang Stellenangebote eingestellt werden. Dies reicht von Altenpflegefachkräften, über Verkaufsmitarbeiter (m/w/d) bis hin zu Projektmanagern. Arbeitgeber, die sich dieses Mediums bedienen, unterliegen ebenfalls den Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und laufen Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Dies zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein (21.6.2022 – 2 Sa 21/22, NZA-RR 2022, 455).

In diesem Fall hatte sich der Kläger auf eine in Ebay-Kleinanzeigen veröffentlichte Stellenanzeige beworden, in der es wörtlich hieß:

„Sekretärin gesucht!

Beschreibung:

Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.

Vollzeit/Teilzeit

Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen. …“

Der Kläger antwortete dem Unternehmen über die Chat-Funktion u.a. mit folgenden Worten:

„Hallo, ich habe gerade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die sie fordern.

Ich bewerbe mich hiermit auf ihrer Stelle. …“

Das Unternehmen antwortete schließlich mit folgenden Worten:

„…vielen Dank für Interesse in unserem Hause. Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wünschen Ihnen alles Gute Vielen Dank. …“

Der Kläger machte gegenüber dem Unternehmen eine Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern geltend.

Das LAG hält den für die Geltendmachung von Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG erforderlichen Bewerberstatus für gegeben. Wer eine Stellenanzeige in Ebay Kleinanzeigen veröffentlich, müsse damit rechnen, dass sich die Bewerber über die Ebay-Kleinanzeigen-Chatfunktion bewerben und nicht auf klassische Weise schriftlich unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers werde gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers müsse identifizierbar sein. Die Bewerbung des Klägers sei auch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. An eine solche Annahme würden hohe Anforderungen gestellt: Es müssten im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Das von der Beklagten Vorgetragene habe dafür nicht ausgereicht. Im Hamburger Umland sei unter Beachtung der laufenden Stellenangebote für eine Sekretärin in Vollzeit ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von EUR 2.700,00 zu zahlen, sodass die Klage in Höhe von EUR 7.800,00 (drei Gehälter á EUR 2.600,00) nicht überzogen gewesen sei.

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11 Kommentare

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Die Entschädigungen nach dem AGG sind völlig überzogen. Wenn es für den Tod eines Menschen als Richtwert 10.000 Euro Hinterbliebenengeld gibt (BT-Drs. 18/11397 S. 11), sind hier kaum mehr als 100 Euro angemessen. Wer als Bestqualifizierter durch die Benachteiligung einen echten Vermögensschaden erlitten hat, kann den ja geltend machen.

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Sie verkennen leider die Zielrichtung des AGGs. Hier geht es um "Abschreckung" für den Arbeitgeber selbst sowie um Abschreckung Dritter, künftig nicht zu diskriminieren. Der Staat hat sich aus der Verfolgung von Diskriminierungen herausgehalten. Denken Sie etwa, dass ein mittelständisches Unternehmen, das pro Jahr zweistellige Millione-Beträge für Personalkosten aufwendet, sich durch lächerlich EUR 10.000,- Entschädigung "abschecken" lässt. Die Entschädigung nach dem AGG müssten daher aus Abschreckungsgründen weitaus höher sein

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Zweistellige Millionenbeträge an Personalkosten? Aus dem Tatbestand des hier vorgestellten Urteils: "Bei der Bekl. handelt es sich um einen familiengeführten Kleinbetrieb mit weniger als 10 Arbeitnehmern".

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Selbst da wären 10.000,- EUR kein angemessener Betrag, um eine abschreckende Wirkung zu entfachen. Ich bezweifle auch, dass dort tatsächlich 10.000,- Entschädigung ausgeurteilt worden sind. Die Entschädigung orientiert sich ja an Monatsgehältern. Wenn ein Arbeitnehmer 6 Wochen krankheitsbedingt ausfällt, dann zahlt der Arbeitgeber auch 1,5 Gehälter umsonst. Derartige Kosten muss man eben einkalkulieren, wenn man eine Stelle besetzen will. Schließlich hat sich der Arbeitgeber ja die Kosten für eine offzielle Stellenausschreibung gespart. Diese Erparnis könnte er jetzt in die Entschädigung investieren.

Selbst wenn ein Familienbetrieb nur 10 Mitarbeiter beschäftigt kommt da schnell ne halbe Million an Personalkosten pro Jahr raus. Gemessen daran wären auch 10.000,- EUR Entschädigung lächerlich, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Ich verstehe auch gar nicht, warum dieses Urteil überhaupt erwähnenswett ist bzw. warum es keine Entschädigun geben sollte, wenn ie Stelle bei ebay-Kleinanzeigen veröffnetlicht wurde.

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Ich wundere mich auch immer, mit welcher Unbefangenheit z. B. in meinem Stammcafe am schwarzen Brett immer wieder eine "Köchin", "Kassiererin" oder "Serviererin" etc. gesucht werden. Kürzlich habe ich den Inhaber darauf und auf das Risiko angesprochen und nicht einmal dann hat er es verstanden sondern nur einen Witz gemacht, ob ich mich vielleicht bewerben will. Da ist wirklich trotz 15 Jahren AGG noch viel Nachholbedarf, der wohl nicht anders als durch den abschreckenden Griff in den Geldbeutel, wo es am meisten wehtut, geleistet werden kann.

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So sehe ich das auch. Nur das eigentliche Problem ist, dass nicht "Arbeitgeber" abgestraft werden, sondern Kläger, die für eine derartige Abstrafung sorgen. Ich verweise auf die interessante Diskussion um das Skandalurteil des Landgerichts München I hier im blog in Bezug auf den bekannten AGG-Anwalt Nils Kratzer

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Wie bitte? Ein Rechtsanwalt wird verfolgt, weil er ein Diskriminierungsopfer vor Gericht vertreten hat? DAS gibt es noch im Deutschland des Jahres 2022? Könnte mir das bitte jemand erklären?

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Ja.... das gibt es leider.... wieder. Hoffentlich nur in Bayern und nie wieder. Man kann nur beten, dass diese Infos nicht über den Großen Teich wandern. 

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Wenn man die großen Online-Schlagzahlen dort liest, ist das wohl schon geschehen. Es gibt einen richtigen Shitstorm gegen die deutsche Justiz von dort

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Also das ist ja wohl auch eine ganz miese Nummer, nur Frauen eine Chance zu geben. Ich hoffe, der Diskriminierer wurde ordentlich zur Kasse gebeten

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