Widersprüchliche Rechtsprechung zum Vertrauensschutz bei Altverträgen – Inhaltskontrolle

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.03.2008

Die AGB-rechtlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB gelten seit dem 1.1.2003 auch für vor der Schuldrechtsreform abgeschlossene Altarbeitsverträge. Den wohl auch verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz hat der 5. Senat in seiner grundlegenden Entscheidung zu Widerrufsvorbehalten vom 12.1.2005 (NZA 2005, 465) auf der Rechtsfolgenseite bewerkstelligt. Der Widerrufsvorbehalt – so der 5. Senat – falle nicht ersatzlos weg, sondern könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit verändertem Inhalt aufrechterhalten werden. Nur so werde die unverhältnismäßige Rückwirkung des § 306 Abs. 2 BGB verfassungskonform abgemildert und dem Willen und den Interessen der Parteien Rechnung getragen. Der 5. Senat hat hierfür viel Zustimmung erfahren. In einer neueren Entscheidung setzt sich der 9. Senat (19.12.2006, NZA 2007, 809, 812) von dieser Ansicht deutlich ab, indem er eine teilweise Aufrechterhaltung eines Widerrufsvorbehalts in einem Altvertrag nur noch in Betracht zieht, wenn der Arbeitgeber während der einjährigen Übergangsfrist des Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB erfolglos einen Versuch unternommen habe, den Vertrag den neuen Vorgaben anzupassen. Damit wird der Vertrauensschutz ganz erheblich reduziert, ja sogar weitgehend eleminiert. Ob der Widerspruch dem 9. Senat überhaupt aufgefallen ist, erscheint zweifelhaft, da sich im Urteil kein Hinweis auf die anderslautende Entscheidung des 5. Senats findet. Da die praktische Bedeutung dieser Fragestellung immer noch sehr groß ist, ist diese Unsicherheit auf der Rechtsfolgenseite äußerst mißlich. Zum Thema auch Stoffels, NZA 2005, 726.

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