Verzicht auf Kündigungsschutzklage muss eindeutig sein

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.06.2011

Ein Arbeitnehmer kann nach Zugang der Kündigung auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichten. Dieser Vertrag bedarf nach Überzeugung des Zweiten Senats des BAG der Schriftform des § 623 BGB, also auch der Unterzeichnung seitens des Arbeitgebers (BAG, Urt. vom 19.04.2007, NZA 2007, 1227; a.A. zu Recht BAG - Sechster Senat - 23.11.2006, NZA 2007, 466 für einen Abwicklungsvertrag, dessen regelmäßiger Inhalt eine Klageverzichtsvereinbarung ist).

LAG Berlin-Brandenburg: Verzicht muss eindeutig sein

Ein jetzt veröffentlichtes Urteil des LAG Berlin-Brandenburg (vom 05.01.2011 - 15 Sa 1992/10, BeckRS 2011, 70439) betont zudem, dass ein Klageverzicht nur dann anzunehmen ist, wenn die Erklärung des Arbeitnehmers entsprechend eindeutig ist. Im Anschluss an ein Personalgespräch hatte ein Vertreter der beklagten Arbeitgeberin dem Kläger die Kündigung überreicht. Außerdem hatte er ihm ein Schreiben vorgelegt, das auszugsweise lautet:

Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010.

Dieses Schreiben wurde von beiden Seiten unterzeichnet. Eine Woche später erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht gab der Klage statt, weil der Arbeitgeberin kein Kündigungsgrund i.S. von § 1 KSchG zur Seite stand. Der Kläger hatte auch nicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet, wie die Auslegung seiner Erklärung nach §§ 133, 157 BGB ergibt:

Ziffer 1 der Vereinbarung kann auch so gelesen werden, dass nur wiedergegeben wird, wie es zu dem in der Betreffzeile angegebenen „Ausscheiden per 30.09.2010“ kommt, nämlich durch die Kündigung vom 15. Juni 2010, die eine Beendigung zum 30. September 2010 vorsieht.

Hätte man eine eigenständige Regelung gewollt, dann hätte man eine Formulierung wählen können, die eindeutig ist. So heißt es z.B. häufig in gerichtlichen Vergleichen: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom ... am ... endet.“ Eine solche Formulierung hätte klargestellt, dass es der eigenständige und gemeinsame Wille der Parteien ist, zu dem entsprechenden Zeitpunkt eine Beendigungswirkung herbeizuführen.

Gegen eine eigenständige Regelung spricht auch, dass dies in keiner Weise dem Interesse des Klägers entsprochen hätte. Dieser hatte um das Gespräch gebeten, um u.a. atmosphärische Störungen mit seinem Vorgesetzten zu besprechen. Er selbst hat nach eigener Darstellung vorgetragen, wie und warum er sich bei einzelnen Montageaufträgen verhalten hatte. Aus seiner Perspektive war er sich eines relevanten Fehlverhaltens nicht bewusst, was die Beklagte als „uneinsichtig“ charakterisiert. Die von der Beklagten vorgeschlagene Freistellung von 3 ½ Monaten war durchaus nicht so attraktiv, um auf ein langjähriges Arbeitsverhältnis zu verzichten, zumal der hier klagende Arbeitnehmer selbst davon ausging, dass ein Fehlverhalten nicht vorliegt.

Die Begründung, insbesondere im letzten Absatz, überzeugt zwar nicht uneingeschränkt. Das Ergebnis ist aber sicher zutreffend.

Klare Formulierung wählen

Eine eindeutige Formulierung lautet beispielsweise:

Frau/Herr … erhebt gegen die ihr/ihm am … zugegangene ordentliche Kündigung keine Einwendungen und wird ihr/sein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen oder eine mit diesem Ziel bereits erhobene Klage zurücknehmen.

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2 Kommentare

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Der hier vorgestellten Entscheidung kann ich nur im Ergebnis folgen. Der Argumentationsgang selbst überzeugt mich nicht im geringsten und hinterlässt leider den schalen Eindruck, hier sei der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen. Die Lektüre der berühmten Schrift von Josef Esser (†1999) Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung (1970) schärft das Auge für Vorgänge, in denen das Bedürfnis, es müsse partout ein bestimmtes Ergebnis herauskommen, der Frage, wie sich denn dies verlixt noch mal begründen lasse, weit, weit vorgelagert ist. Entsprechend angreifbar werden dann die Begründungen.

 

Haben wir es hier mit einem solchen Fall zu tun? Folgt man dem Gedankengang das LAG Berlin-Brandenbürg, so werden hier im Ergebnis die bewährten Grundsätze, wonach sich eine Partei von rechtlich verbindlichen Willenserklärungen nur unter den engen Voraussetzungen des Anfechtungsrechts (§§ 119, 123 ff. BGB) wieder lösen kann, von Bord geworfen durch den Kunstgriff, eine von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beidermaßen unterschriebene Erklärung, ihr Anstellungsverhältnis ende aufgrund einer Kündigung zu einem bestimmten Datum, sei gar keine vertragliche Regelung. Darauf muss man erst einmal kommen!

 

In der von Ihnen, Herr Prof. Rolfs, zitierten Textpassage verwendet das LAG Berlin-Brandenburg drei Mal das Wort "eigenständig". Warum diese Redundanz? Das liegt daran, dass die Richter sich sichtlich bemühen, aus der übereinstimmenden Äußerung beider Parteien "Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010" zu einer bloßen "Wissenserklärung" zu machen. Um dieses Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, musste in dem Urteil argumentativ ein Unterschied geschaffen werden zwischen solchen Teilen der Abrede der Parteien, die vertraglich bindende Regelungen darstellen, und solchen, die diese Eigenschaft nicht besitzen. Die ersteren nennt das Gericht "eigenständige Regelungen" und setzt sie deutlich von der bloßen Wissenserklärung ab. Der Passus "Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010" sei gerade keine "eigenständige" Regelung, denn die Erwähnung, welches Gehalt der Arbeitnehmer bis zu seinem Ausscheiden (das war ebenfalls Teil des von beiden Seiten unterzeichneten Schreibens) sei ja ebenfalls keine "eigenständige" Regelung, weil ja die Parteien - mangels Streits hierüber - keine vertragliche Vereinbaung über die Gehaltshöhe hätten treffen wollen. - Ein hinkender Vergleich par excellence! Denn im Gegensatz zur Gehaltshöhe war die berufliche Existenz des Arbeitnehmers ja gerade der Hauptkonflikt, den die Partein zum Gegenstand des Abwicklungsvertrages machten.

 

Wer so argumentiert wie das LAG, sieht in dem als "Wissenserklärung" apostrophierten Passus eine bloß "deklaratorische" Äußerung. Vor diesem Hintergrund wird allerdings die vom LAG vorgeschlagene Alternative zum Bumerang. Sein Gegenvorschlag "Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom ... am ... endet" setzt sich nämlich derselben Kritik aus, die die die Richter an dem  von den Parteien verwendeten Text "Das zwischen der Gesellschaft und Herrn V. bestehende Anstellungsverhältnis endet gemäß Kündigung vom 15.06.2010 zum 30.09.2010"  üben wollen. Hier wie dort wird nämlich auf die Kündigung Bezug genommen. Wenn das LAG meint, die Parteien hätten - ohne vertragliche Bindung - "nur wiedergegeben, wie es zu dem [...] Ausscheiden kommt, nämlich durch die Kündigung" - was folglich keine "eigenständige Regelung" sei, dann gilt das für den richterlichen Alternativvorschlag genauso. Dieser hat übrigens den Schönheitsfehler, dass das LAG selbst ausführt, derlei würde man "häufig in gerichtlichen Vergleichen" antreffen.  In der Tat! Dann ist aber die Auslegungsfrage, ob in einer solchen Erklärung ein vertraglich verbindlicher Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage steckt, obsolet, derartige Vergleiche werden ja gerade im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung geschlossen, weil die Klage schon erhoben ist.

 

Das Urteil ist nach meiner Ansicht im Ergebnis nur deshalb vertretbar, wenn man annimmt, dass es sich bei dem Abwicklungsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Das tut das LAG an späterer Stelle seiner Urteilsbegründung und hält dem Arbeitgeber als "Verwender" die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB vor. Methodisch wäre es dann aber angebracht gewesen, diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen und nicht in einer Nachbemerkung vom (m. E. fragwürdigen) Rest der Entscheidungsgründe abzukoppeln. Denn schon die Formulierung des LAG, wenn es die vom BAG zum Verzicht auf die Kündigungsschutzklage entwickelten Grundsätze anwende, könne nicht "mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass ein Klageverzichtsvertrag vorliegt", ist m. E. nur haltbar, wenn es sich hierbei um die Anwendung der Unklarheitenregel handeln soll.

@ Martin Bender:

Die Begründung ist in der Tat mehr als zweifelhaft. Wie Sie halte auch ich das Ergebnis aber für richtig. Nach meiner Überzeugung stellt der Satz "Das Arbeitsverhältnis ... endet gemäß Kündigung ..." überhaupt keine Willenserklärung dar. Denn er bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Parteien um die zuvor ausgesprochene Kündigung wissen. Die Bekundung eines bestimmten Willens, insbesondere desjenigen des Arbeitnehmers, die Kündigung nicht gerichtlich zur Überprüfung stellen zu wollen, vermag ich ihm nicht zu entnehmen.

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