Das Einmaleins der Rechtsfolgen in Betäubungsmittelsachen – Teil 2: Einfluss der Betäubungsmittelart

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 25.05.2021
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht|7160 Aufrufe

Art, Menge und Qualität des Rauschgifts sind bei Betäubungsmitteldelikten wesentlich prägende Faktoren für den Unrechtsgehalt der Tat. Sie sind deshalb als bestimmende Gründe in die Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts einzustellen. Hinsichtlich der Art der Betäubungsmittel wird abhängig vom Gefährlichkeitspotential in einem Stufenverhältnis unterschieden (vgl. BGH NStZ 2016, 614):

„Grundsätzlich kommt im Rahmen der Strafzumessung der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit eine eigenständige Bedeutung zu (BGH Beschl. v. 29.6.2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 208), wobei nach der Rspr. des BGH diesbezüglich ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis von sog. „harten“ Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack (BGH Urt. v. 22.1.1998 – 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148; vgl. auch BGH Beschl. v. 29.6.2000 – 4 StR 202/00, StV 2000, 613) über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt (vgl. BGH Beschl. v. 28.6.1990 – 2 StR 275/90, StV 1990, 494; v. 10.2.1993 – 2 StR 20/92, NStZ 1993, 287; v. 30.10.1996 – 2 StR 508/96, StV 1997, 75 und v. 26.3.2014 – 2 StR 202/13, StV 2015, 353), bis hin zu sog. „weichen“ Drogen, wie Cannabis (dazu BGH Urt. v. 2.12.1986 – 1 StR 599/86, StV 1987, 203 und v. 28.1.2009 – 5 StR 465/08), besteht (vgl. insgesamt Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 114, 126, 209 ff. mwN).“

Danach gilt Folgendes:

1. Harte Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain oder Crack = strafschärfende Berücksichtigung

Bei Heroin, Fentanyl, Kokain oder Crack handelt es sich um sog. „harte“ Drogen, die sich strafschärfend auswirken können (z.B. zu Fentanyl: BGH Beschl. v. 9.7.2015 – 1 StR 7/15, BeckRS 2015, 13123):

„Das Landgericht durfte ohne Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten würdigen, dass es sich bei … und Fentanyl … um sehr gefährliche Drogen mit hohem Suchtpotential handelt.“

2. Drogen mittlerer Qualität wie Amphetamin und Ecstasy = weder Strafschärfungs- noch Strafmilderungsgrund:

BGH Beschl. v. 26.3.2014 – 2 StR 202/13, BeckRS 2014, 12009: "Auch hinsichtlich dieses Angeklagten berücksichtigt die Strafkammer zu seinen Lasten, dass er "als gefährlich einzustufende Drogen in großen Mengen" hergestellt hat. Der Senat besorgt auch insoweit, dass dem eine unzutreffende Einschätzung der hergestellten Amphetaminbase zugrunde liegt (s. dazu schon oben II. a.E.), und hebt die Strafaussprüche auf.“

BGH Beschl. v. 14.6.2017 – 3 StR 97/17, BeckRS 2017, 116536: „Nicht frei von Bedenken ist auch die strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei den Betäubungsmitteln in allen Fällen „um Amphetamin, also eine sog. harte Droge mit hohem Gefährdungspotential“ gehandelt habe. Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung zwar grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht insoweit indes ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis, das von sog. harten Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen, wie Cannabis reicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 508/96, StV 1997, 75 f.; vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, juris Rn. 20; vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314 mwN). Daran gemessen ist es verfehlt, Amphetamin als „harte“ Droge anzusehen.“

BGH Beschl. v. 23.1.2018 – 3 StR 586/17, BeckRS 2018, 3956: „Darüber hinaus sind die Erwägungen des Landgerichts auch nicht frei von Bedenken, soweit es strafschärfend berücksichtigt, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt. ... Daran gemessen ist es verfehlt, dem Umstand, dass es sich bei Amphetamin nicht um eine weiche Droge handelt, strafschärfendes Gewicht beizumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, juris Rn. 13).

BGH Beschl. v. 20.2.2018 – 3 StR 645/17, BeckRS 2018, 5630: „Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Trotz der zweifelhaften Bewertung von MDMA als „harte Droge“ (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 5 StR 705/98, juris Rn. 2; zum Meinungsstand Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vorbem. zu §§ 29 ff. Rn. 213 mwN; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 1 Rn. 364 mwN) hat der Strafausspruch Bestand, da die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).“

3. Cannabis = sog. „weiche“ Droge, die strafmildernd zu berücksichtigen ist (so z.B. BGH Urt. v. 12.3.2020 – 4 StR 537/19, BeckRS 2020, 6555; vgl. auch BGH Beschl. v. 12.1.2021 – 4 StR 411/20, BeckRS 2021, 1255):

„Das Landgericht hat unter anderem strafmildernd berücksichtigt, dass sich die Taten des Angeklagten „nicht auf so genannte ‚harte Drogen‘, sondern auf Substanzen von mittlerer Gefährlichkeit“ beziehen. Zwar kommt der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich eigenständige Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, StV 2019, 265, 266). Es handelt sich bei Marihuana jedoch - entgegen der Auffassung des Landgerichts - um ein Rauschgift, das auf der Gefährlichkeitsskala keinen mittleren Platz einnimmt, sondern um eine so genannte weiche Droge … . Es ist deshalb - wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. November 2019 - 4 StR 504/19 und vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 231/18) - verfehlt, Marihuana als Substanz „mittlerer Gefährlichkeit“ einzuordnen. Die Erwägung des Landgerichts lässt besorgen, dass es die im Vergleich zu anderen illegalen Betäubungsmitteln geringere Gefährlichkeit von Marihuana zum Nachteil des Angeklagten mit zu geringem Gewicht in die Strafzumessung eingestellt hat.

BGH Beschl. v. 5.12.2018 – 4 StR 231/18, BeckRS 2018, 33689: „Zwar begegnen die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG rechtlichen Bedenken, bei Marihuana handele es sich „keinesfalls“ um eine „ungefährliche“ bzw. als „deutlich weniger gefährlich“ einzustufende Droge, ihre Gefährlichkeit ergebe sich aus ihrer leichten Zugänglichkeit und ihrem niedrigen Kaufpreis. Denn zum einen lassen diese Ausführungen besorgen, dass das Landgericht die - im Vergleich zu anderen illegalen Betäubungsmitteln - geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten nicht hinreichend berücksichtigt hat ... , zum anderen übersieht die Strafkammer, dass sich die Gefährlichkeit eines Betäubungsmittels nicht nach seiner Zugänglichkeit oder seinem Kaufpreis, sondern nach seinem Suchtpotential bemisst.“

4. Sonderfall Methamphetamin – umstritten:

- 1. Strafsenat des BGH (BGH NStZ 2016, 614 BGH Beschl. v. 8.12.2016 – 1 StR 499/16, BeckRS 2016, 111123: sieht es als nicht näher belegt an, dass es sich - wie von der 1. Instanz angenommen - bei Methamphetamin „gerichtsbekannterweise um eine extrem gefährliche und gesundheitsschädigende Droge mit hohem Suchtpotential handelt“)

- 2. Strafsenat (BGH Beschl. v. 14.2.2017 – 2 StR 303/16, BeckRS 2017, 103847: offen gelassen)

- 5. Strafsenat (BGH Beschl. v. 26.4.2017 – 5 StR 87/17, BeckRS 2017, 111478: bestätigte ausdrücklich die strafschärfende Würdigung des Handels mit Methamphetamin (Crystal) durch ein Landgericht)

- 1. Strafsenat (BGH NStZ 2020, 229: sieht Methamphetamin nun als „harte Droge“ an, rügt aber die gleichzeitige Berücksichtigung der erheblichen Überschreitung der nicht geringen Menge, da der Gefährlichkeitsgrad bereits Einfluss auf die Festsetzung der nicht geringen Menge habe; s. dazu meinen Blog-Beitrag vom 9.11.2019)

Im nächsten Teil des Einmaleins der Rechtsfolgen in Betäubungsmittelsachen werde ich die Berücksichtigung der Gewichtsmenge der Betäubungsmittel und der Wirkstoffmenge besprechen…

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