ArbG Köln: Allein die Teilnahme an „Potsdamer Treffen“ rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 05.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|508 Aufrufe

Können Arbeitgeber außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern zum Anlass einer Kündigung nehmen? Die Frage stellte sich zuletzt bei den ausländerfeindlichen Gesängen auf Sylt. Vor dem ArbG Köln (Urteil vom 03.07.2024 – 17 Ca 543/24, PM 4/24) ging es um eine ähnliche Fragestellung, nämlich um die Kündigung wegen der Teilnahme am sog. „Potsdamer Treffen“. Quintessenz der Entscheidung ist, dass sich pauschale Beurteilungen verbieten.

Die 64-jährige – tariflich ordentlich unkündbare - Klägerin ist seit dem Jahr 2000 bei der Stadt Köln beschäftigt und war zuletzt als zentrale Ansprechpartnerin für das Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt tätig. Sie nahm am 25.11.2023 an einem Treffen in der Villa Adlon in Potsdam teil, über welches bundesweit berichtet wurde. Auf der Veranstaltung stellte der Rechtsextremist Martin Sellner als „Masterplan zur Remigration“ bezeichnete Überlegungen vor. Sowohl die inhaltlichen Enthüllungen als auch die Vernetzung zwischen AfD und anderen Rechtsextremen führten zu einer breiten Welle der Empörung bei zahlreichen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Stadt Köln nahm die Teilnahme der Klägerin an diesem Treffen zum Anlass, ihre mehrere außerordentliche Kündigungen auszusprechen. Die Stadt begründet die Kündigungen damit, dass die Klägerin durch die Teilnahme an dem Treffen mit mutmaßlich rechtsextremen Teilnehmern und dort diskutierten Remigrationsplänen gegen ihre Loyalitätspflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber verstoßen habe.

Das ArbG Köln hat indes entschieden, dass allein die Teilnahme an dem Treffen im konkreten Fall keine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Ein wichtiger Grund sei nicht gegeben. Die Klägerin träfe aufgrund ihrer konkreten Tätigkeit nur eine sogenannte einfache und keine gesteigerte politische Treuepflicht. Das Maß an Loyalität und Treue zum öffentlichen Arbeitgeber sei von Stellung und Aufgabenkreis des betroffenen Arbeitnehmers abhängig. Danach schulde ein Arbeitnehmer lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unabdingbar sei. Diese einfache Treuepflicht werde erst durch ein Verhalten verletzt, das in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet sei, verfassungsfeindliche Ziele aktiv zu fördern oder zu verwirklichen. Allein die Teilnahme an dem Treffen rechtfertige nicht den Schluss, dass sich die Klägerin in innerer Übereinstimmung mit dem Inhalt der Beiträge befunden habe. Ein Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele, z.B. durch Wortbeiträge im Rahmen des Treffens, habe die Beklagte nicht behauptet.

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