ArbG Aachen: Mittels App eingesetzte Auslieferungsfahrer in einem abgrenzbaren Liefergebiet können einen eigenständigen Betriebsrat wählen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1183 Aufrufe

Neue, digital organisierte Arbeitsformen werfen auch im Betriebsverfassungsrecht interessante Fragen auf. So verhält es sich auch in einem vor kurzem vom ArbG Aachen (Beschluss vom 23. April 2024 – 2 BV 56/23, BeckRS 2024, 14382) entschiedenen Fall.

Die Arbeitgeberin ist ein Lieferdienst, der über ein Onlineportal die Bestellung und Auslieferung der von ihren Partnerrestaurants angebotenen Speisen und Getränke organisiert. Im Mai 2023 wählten die Auslieferungsfahrer des Liefergebietes Aachen einen dreiköpfigen Betriebsrat. Diese Wahl hält die Arbeitgeberin für unwirksam, da das Liefergebiet Aachen über keine hinreichende organisatorische Selbstständigkeit verfüge. Vielmehr würden die Beschäftigten in Aachen mit den in Köln tätigen Arbeitnehmern einen einheitlichen Betrieb bilden.

Das ArbG Aachen wies die Wahlanfechtung der Arbeitgeberin indes zurück. Auch in einem qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 BetrVG könne ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden. Diese Voraussetzungen erfülle das Liefergebiet Aachen. Gegenüber dem Hauptbetrieb sei es räumlich und organisatorisch abgrenzbar. Die Auslieferungsfahrer seien dem Liefergebiet fest zugeordnet; einen Austausch von Arbeitnehmern, etwa mit dem Liefergebiet Köln, gebe es nicht. Auch sei die den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Einheit hinreichend institutionalisiert. Da die Arbeitgeberin den Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer digital durch eine App steuere, sei es ausreichend, wenn alle Arbeitnehmer der abgrenzbaren Einheit den Weisungsrechten einer Leitungsmacht unterstehen würden, die für die Einheit zuständig sei. Es komme nicht darauf an, dass eine Person räumlich vor Ort in dem Betriebsteil anwesend sei, die Weisungsrechte per App auf den Weg bringe.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss wurde Beschwerde beim LAG Köln eingelegt.

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