Der zweite Versuch wird sicher schwieriger für`s AG Borken

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.08.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1167 Aufrufe

Der Betroffene einem Einsatzfahrzeug mit Martinshorn und Blaulicht keinen Platz. So verurteilte ihn das AG Borken zu Geldbuße und Regelfahrverbot. Wahrscheinlich vollkommen zu recht. Aber: Wie so oft in solchen VerkehrsOWi-Fällen waren dem OLG die tatsächlichen Feststellungen nicht dicht genug: Das OLG hätte gerne nähere Feststelungen zu gefahrenen Geschwindigkeiten und Abständen gelesen. Dazu etwas beim "2. Aufguss" festzustellen wird sicher schwierig. Vielleicht daher dann entwas für § 47 OWiG?

 

Das Urteil des Amtsgerichts Borken vom 13.03.2024 wird mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

 Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Borken zurückverwiesen (§ 79 Abs 6 OWiG).

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht Borken hat den Betroffenen am 13.03.2024 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht, einem Einsatzfahrzeug mit Blinklicht und Einsatzhorn sofort freie Bahn zu schaffen, zu einer Geldbuße in Höhe von 240 € verurteilt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Dazu hat es festgestellt, dass der Betroffene am 07.06.2023 auf der A N01 in Richtung R. als Führer eines Lastkraftwagens zunächst den rechten Fahrstreifen befahren habe. Ein Streifenwagen mit Blaulicht und Martinshorn habe sich hinter dem Betroffenen befunden. Er sei dann auf den linken Fahrstreifen gewechselt, um ein anderes Fahrzeug zu überholen. Daraufhin habe der nach ihm fahrende Streifenwagen stark abbremsen müssen und sei insoweit an seiner uneingeschränkten Weiterfahrt gehindert gewesen, was der Betroffene bei der Durchführung des Überholmanövers habe absehen müssen.

 Dagegen wendet sich der Betroffene mit der am 15.03.2024 per beA-Schriftsatz eingelegten Rechtsbeschwerde, die er – nach Urteilszustellung am 18.04.2024 – mit beA Schriftsatz vom 17.05.2024 mit der Rüge formellen und materiellen Rechts begründet hat. Er rügt die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht. Zudem wendet er sich gegen die Entscheidung zur Anordnung des Fahrverbots.

 Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

 II.

 Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründete Rechtsbeschwerde hat auf die allgemein erhobene Sachrüge hin Erfolg.

 Das angefochtene Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel. Die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung ermöglichen dem Rechtsbeschwerdegericht keine ausreichende Prüfung dahingehend, ob hier ein sorgfaltswidriger Verkehrsverstoß gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO vorliegt. Die Pflicht der übrigen Verkehrsteilnehmer nach § 38 Abs. 1 S. 2 StVO richtet sich im Einzelfall nach der jeweiligen konkreten Verkehrslage, zu der das Tatgericht ausreichende Feststellungen treffen muss (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 13.01.1984 – 1 Ss 905/83 = BeckRS 1984, 497). Daran fehlt es hier.

 Das Amtsgericht hat es in den Urteilsgründen (UA S. 2 f.) unterlassen, Feststellungen im Hinblick auf die Geschwindigkeit des vom Betroffenen gesteuerten Lastkraftwagens zu treffen. Außerdem fehlen Angaben dazu, in welchem Abstand sich das Polizeifahrzeug hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befand. Ohne diese Angaben ist es dem Rechtsbeschwerdegericht verwehrt, eine eigene Prüfung des etwaigen Sorgfaltspflichtverstoßes vorzunehmen. Denn ohne eine Vorstellung von der gefahrenen Geschwindigkeit des Lastkraftwagens und dessen Abstand zum – mit ca. 180 km/h fahrenden – dahinter befindlichen Streifenwagen lässt sich nicht ausreichend beurteilen, ob es dem Betroffenen vor dem Überholvorgang bei aufmerksamer Beobachtung der Verkehrslage überhaupt möglich gewesen wäre, das mit Sonderrechten ausgestattete Polizeifahrzeug wahrzunehmen.

 Diese unterlassenen Sachverhaltsfeststellungen haben zudem für die Beurteilung des Vorliegens des Regelfahrverbots eine gewisse Relevanz, da nur unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrslage eine etwaige Abweichung vom Regelfall tragfähig beurteilt werden kann.

 Im Übrigen sei angemerkt, ohne dass dies entscheidungserheblich ist, dass sich ein Fahrverbot grundsätzlich auch auf das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen bezieht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.04.2002, Az. Ss (B) 13/02 (18/02) = BeckRS 2002, 30252577).

OLG Hamm Beschl. v. 2.7.2024 – 5 ORbs 132/24, BeckRS 2024, 17208

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