ArbG München zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.09.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|990 Aufrufe

Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung und zunehmender Brisanz war vor kurzem Gegenstand einer Entscheidung des ArbG München (Urteil vom 14.8.2024 - 33 Ca 1352/23, nicht rechtskräftig). Es geht darum, ob Bewerber für eine Angestelltentätigkeit im öffentlichen Dienst wegen der Betätigung in extremistischen Organisationen abgelehnt werden können. Spontan fallen einem sog. Reichsbürger und AfD-Funktionäre in Bundesländern ein, in denen die AfD als gesichert rechtsextremistisch gilt. Im Fall des ArbG München ging es hingegen um einen Bewerber, der dem linksextremistischen Lager zuzuordnen war.  

Der Kläger bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik an der Technischen Universität München. Der Kläger verfügte über einen Bachelor in Geographie und einen Master in Urbanistik. Nach einem Bewerbungsgespräch teilte ihm die Lehrstuhlinhaberin Prof. M. mit, man habe sich für ihn entschieden. Das Einstellungsverfahren erfolge über die Personalabteilung. Der Kläger füllte im Rahmen des Einstellungsverfahrens den Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue aus. Der Kläger war Mitglied des Vereins „Rote Hilfe e.V.“ sowie zwischen 2012 und 2014 Mitglied von „Die Linke.SDS“. Beide Organisationen waren in einem dem Fragebogen beigefügten Verzeichnis extremistisch oder extremistisch beeinflusster Organisationen enthalten. Es wurde eine Anfrage beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz durchgeführt. Aufgrund Nachfragen hat der Kläger im Einstellungsverfahren zu seiner Verfassungstreue Stellung genommen. Der Kläger erhielt eine Ablehnung auf seine Bewerbung.

Der Kläger hatte unter der Internetseite der deutschen Sektion der „Revolutionären internationalistischen Organisation“ Artikel veröffentlicht und war Sprecher und Mitorganisator der Proteste des Aktionsbündnisses „STOP G7“ gegen den G7 - Gipfel im Jahr 2015.

Das ArbG München hat die Klage des Klägers auf Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgewiesen, da die Voraussetzungen des Art. 33 Abs.2 GG als Anspruchsgrundlage für seine Klage auf Einstellung nicht erfüllt seien. Nach Art. 33 Abs.2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Zur Eignung im Sinne von Art. 33 Abs.2 GG zähle auch die sogenannte politische Treuepflicht. Die Einstellungsbehörde müsse im Rahmen der Prüfung der Eignung notwendigerweise auch die Frage entscheiden, ob der Bewerber für ein Amt im öffentlichen Dienst nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, dass er den sich aus der erstrebten Aufgabe oder dem erstrebten Amt gegebenen Anforderungen an seine politische Treuepflicht genügen werde. Auch nach der Tarifregelung des § 3 Abs.2 TV-L seien die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiere für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht. Gehe es um eine Einstellung, genüge es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind. Ausreichend sei jedoch nicht die bloße Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe e.V. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue seien nicht schon dann anzunehmen, wenn man Anhänger einer verfassungsfeindlichen Organisation sei. Die nicht ausräumbaren Zweifel des Beklagten an der Verfassungstreue des Klägers beruhten auf vom Kläger verfassten Artikeln, in denen er die Idee vertritt, mit rechtswidrigen Mitteln gegen den Staat vorzugehen, um eine neue Gesellschaftsordnung zu erreichen. Auch seine Äußerungen als Sprecher und Mitorganisator der Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 begründeten die Zweifel an seiner Verfassungstreue. Der Kläger wäre im Rahmen seiner angestrebten Tätigkeit auch für die Betreuung von Studenten zuständig. Aufgrund des Verhaltens des Klägers habe der Beklagte annehmen dürfen, dass der Kläger keine ausreichende Gewähr für die funktionsbezogene Verfassungstreue bietet.

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