Bekommt der Stadtkämmerer etwas vom Gewinn des Corona-Testzentrums? (FG Köln vom 24.4.2024 - 3 K 910/23)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 05.08.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2741 Aufrufe

Nach diversen „Corona-Steuerhilfegesetzen“, die ertragsteuerlich u.a. die Steuerfreiheit für Beihilfen des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 11a EStG brachten, kommt nun die Aufarbeitung des Pandemiegeschehens auch bei den Finanzgerichten an. Wer ein Corona-Testzentrum als Facharzt betrieben hat, muss sich ertragsteuerlich fragen, ob er Einkünfte nach § 15 EStG oder nach § 18 EStG erzielt. In ersterem Fall ergibt sich eine sachliche Gewerbesteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG), deren ökonomische Auswirkungen wiederum durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG abgemildert werden. In letzterem Fall hingegen bleibt es bei voll einkommensteuerlich zu erfassenden, aber nicht gewerbesteuerpflichtigen Einkünften. Daneben ergeben sich diverse weitere Folgerungen, etwa unter § 141 AO oder auch § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG für die „Ist-Besteuerung“. In den Katalog-Berufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hat der Gesetzgeber zwar die Ärzte in weitem Umfang berücksichtigt – die Covid-Pandemie konnte er jedoch nicht vorhersehen…

Wer das Ganze auch noch in gesamthänderischer Verbundenheit in einer GbR durchführt (§ 18 Abs. 4 Satz 2 EStG), muss weitere Fussangeln beachten (H 15.6 EStH, „Gesellschaft“). Wer in dieser Rechtsform technische Übersetzungen anbietet, muss der entsprechenden Sprachen selbst mächtig sein. Ein Zukauf von Expertise in „erheblichem Umfang“ ist dann schädlich (BFH v. 21.2.2017 – VIII R 45/13, BeckRS 2017, 111953). Alle Gesellschafter müssen dem Grunde nach in der Lage sein, Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu erzielen. Oder umgekehrt: Ein einziger „Berufsfremder“ ist bereits schädlich (BFH v. 28.10.2008 – VIII R 69/06, BeckRS 2008, 24003581), selbst eine Komplementär-GmbH (wegen § 8 Abs. 2 KStG) ohne Vermögensbeteiligung (BFH v. 10.10.2012 – VIII R 42/10, BeckRS 2012, 96610).

Und wer diese Konstruktion zudem noch doppelstöckig baut, muss auch noch die Gesellschafter der Obergesellschaft allesamt mit im Blick haben, da neben den unmittelbar an ihr beteiligten natürlichen Personen alle mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaften über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und in der Unterpersonengesellschaft zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten müssen (BFH v. 4.8.2020 – VIII R 24/17, BeckRS 2020, 30078).

All diese Probleme betrafen auch die Klägerin in dem Urteil des FG Köln vom 24.4.2024 (3 K 910/23, BeckRS 2024, 18172). Diese hatte in der Rechtsform der GbR ein Corona-Testzentrum betrieben, wobei an der GbR u.a. eine weitere GbR von Medizinern beteiligt war. Der Betrieb des Testzentrums erfolgte außerhalb der originären Praxisräumlichkeiten der Gesellschafter. Die beteiligten Ärzte nahmen die Abstriche im Testzentrum selbst vor. Erforderliche Laborleistungen wurden ausgelagert. Die Einkünfte aus dem Testzentrum behandelte die Klägerin als solche nach § 18 EStG, während das Finanzamt nach einer Außenprüfung der Meinung war, es lägen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor: Die Tests seien außerhalb der Praxis der Ärzte und ohne Zusammenhang mit der sonstigen ärztlichen Tätigkeit durchgeführt worden. Daher bestehe auch Gewerbesteuerpflicht (die dann durch die zweite Alternative des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG durch „Aufwärtsinfektion“ auch eine Oberpersonengesellschaft treffen kann).

Das Finanzgericht hat hingegen der Klägerin recht gegeben, wobei es die Besonderheiten der Entwicklung der Pandemie ab dem Jahr 2020 ausführlich darstellt:

In Anbetracht der Gesamtumstände des Jahres 2020 mit der etwa ab dem Monat März beginnenden und sich schnell verschärfenden pandemischen Situation in der Bundesrepublik Deutschland und der Notwendigkeit, in immer größerem Umfang Testungen vorzunehmen, hat das Gericht keine Zweifel, dass unter Berücksichtigung der sich den besonderen Gegebenheiten anpassenden Verkehrsanschauung davon auszugehen ist, dass auch die Vornahme einfacher Abstriche als heilkundliche diagnostische Tätigkeit anzusehen gewesen ist.

Auch die Behauptung, einer der Gesellschafter der Oberpersonengesellschaft habe bei der Unterpersonengesellschaft, die das Testzentrum betrieb, nicht mitgerarbeitet, ließ sich entkräften: Eine Mitarbeit von 5-10 % hat das Finanzgericht mit Blick auf das Urteil des BFH vom 4.8.2020 (VIII R 24/17, BeckRS 2020, 30078) ausreichen lassen.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen