Fantasieschilder "Freiwillig 30" müssen weg

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.09.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1573 Aufrufe

Die Antragssteller hatten selbst entworfene "Freiwillig 30" - Schilder auf ihrem Grundstück an der Straße. Im Volltxt der Entscheidung sind sogar Bilder der Schilder enthalten. Sie sehen nicht wie richtige Verkehrsschilder aus. Trotzdem müssen sie weg:

 

Mit Bescheid vom 26.04.2024, zugestellt am 30.04.2024, verfügte das Landratsamt K. nach vorheriger Anhörung gegenüber den Antragstellern die Entfernung des auf ihrem Grundstück befindlichen „Fantasieschildes“ mit der Aufschrift „Freiwillig 30“ bis zum 31.05.2024 (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2) und für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 800,- EUR angedroht (Ziffer 3). Für die Entscheidung wurde eine Gebühr von 120,- EUR festgesetzt (Ziffer 4). Die Entfernungsanordnung wurde auf § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO und die von der Behörde bejahte Verwechslungsgefahr mit amtlichen Verkehrsschildern und Beeinträchtigung deren Wirkung gestützt.

 Die Antragsteller haben am 02.05.2024 Widerspruch erhoben und am 08.05.2024 den vorliegenden Eilantrag gestellt. Nachdem das Regierungspräsidium F. mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2024 den Widerspruch zurückgewiesen hat, haben die Antragsteller am 29.05.2024 Klage (6 K 2324/24) erhoben.

 II.

 Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Sachdienlich ist er auf die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) des Widerspruchs gerichtet (zur Rückwirkung vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 45. EL Januar 2024, § 80 Rn. 118), dem hinsichtlich der im Bescheid vom 26.04.2024 enthaltenen Grundverfügung in Ziffer 1 wegen der Anordnung des Sofortvollzugs im Einzelfall (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sowie hinsichtlich der Vollstreckungsandrohung (Ziffer 3) bereits kraft Gesetzes gemäß § 12 Satz 1 LVwVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Widerspruch und die mittlerweile erhobene Anfechtungsklage erstrecken sich zwar kraft Gesetzes auch auf die Gebührenentscheidung in Ziffer 4 des Bescheids (vgl. § 24 Satz 2 LGebG), welche gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar ist. Mangels inhaltlichen Vortrags hierzu sowie insbesondere wegen des nach Aktenlage bislang nicht ersichtlichen Aussetzungsantrags bzw. einer drohenden Vollstreckung i.S.v. § 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO ist indessen gemäß § 88 VwGO nicht davon auszugehen, dass sich der vorläufige Rechtsschutzantrag auch gegen die Kostenanforderung richten soll.

 Der Antrag ist unbegründet.

 In formell-rechtlicher Hinsicht ist die durch das Landratsamt erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 nicht zu beanstanden. Sie genügt entgegen dem Einwand der Antragsteller den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Es bedarf einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, Beschluss vom 18.09.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.07.2022 – 1 S 1224/22 – juris Rn. 17).

 Das Landratsamt hat sich nicht auf formelhafte Wendungen zurückgezogen, sondern Gründe angeführt, warum die Entfernungsanordnung im konkreten Einzelfall sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen werden muss. Es hat ausdrücklich hervorgehoben, dass das Vollzugsinteresse an der Entfernung über das Erlassinteresse hinausgehe und damit belegt, dass es sich des Ausnahmecharakters bewusst war. Die Behörde hat sich nicht nur formal auf den Fantasieschilder-Erlass vom 15.08.1986 bezogen, wonach nichtamtliche Schilder zur freiwilligen Geschwindigkeitsbeschränkung praktisch immer die Wirkung amtlicher Verkehrszeichen beeinträchtigten. Vielmehr hat sie als wesentlich hervorgehoben, dass eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bestehe, weil nichtamtliche Schilder die Akzeptanz amtlicher Regelungen in besonderer Weise verringerten und den Kraftfahrer verunsicherten. Dies genügt in formeller Hinsicht. Ob die genannten Erwägungen inhaltlich zutreffen, ist für die Einhaltung des ausschließlich formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 04.12.2020 – 4 VR 4.20 – juris Rn. 10). Auf die vom Landratsamt in der Antragserwiderung ergänzend nachgeschobenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs kommt es folglich nicht an (vgl. allerdings zur Unzulässigkeit einer Nachholung oder Nachbesserung: Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 56 m.w.N.).

 Der Sofortvollzug ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenabwägung gebührt dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entfernungsanordnung der Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller am Aufschub der Vollziehung. Die erhobene Anfechtungsklage, für deren Überprüfung gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auf den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2024 abzustellen ist, wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben (dazu unter 1.). Am Sofortvollzug besteht schließlich auch tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse (dazu unter 2.).

 1.) Die angefochtene Anordnung ist sehr wahrscheinlich formell und materiell rechtmäßig und verletzt folglich die Antragsteller nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

 a.) Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 erfolgte Verpflichtung, das auf dem Grundstück angebrachte Schild binnen bestimmter Frist zu entfernen, sind §§ 1, 3 PolG i.V.m. § 33 Abs. 2 StVO. Die Straßenverkehrsordnung enthält keine behördliche Eingriffsermächtigung für die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung eines Verstoßes gegen § 33 Abs. 2 StVO. Ermächtigungsgrundlage für ein behördliches Einschreiten sind daher die §§ 1, 3 PolG. Sachlich zuständig ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 StVO die Straßenverkehrsbehörde (vgl. betreffend einen Verstoß gegen die Verbotsvorschrift des § 32 StVO: BVerwG, Urteil vom 20.10.2015 – 3 C 15.14 – juris Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2014 – 1 S 1010/13 – juris Rn. 22-24). Dies ist hier gemäß § 1 StVOZuG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde. Diese hat die Antragsteller auch vor Erlass der Anordnung angehört (§ 28 Abs. 1 LVwVfG), sodass keine formell-rechtlichen Bedenken bestehen.

 Die materiellen Voraussetzungen für ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde sind ebenfalls sehr wahrscheinlich gegeben. §§ 1, 3 PolG ermächtigen dazu, zwecks Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, bzw. zwecks Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen. Angesichts eines mit Verwendung des „Freiwillig 30-Schildes“ überwiegend wahrscheinlichen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO dürfte hier tatbestandlich eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen:

 aa.) Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO dürfen Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 bis 43 in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 4) gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Zweck der Vorschrift ist es, Eingriffe in die Beschilderung an öffentlichen Straßen – im gravierendsten Fall bis zur Wirkungslosigkeit – durch „private Verkehrszeichen“ zu verhindern (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.05.2013 – 2 B 44/13 – juris Rn. 16). Missverständnisse zwischen straßenverkehrsbehördlich tatsächlich angeordneten Verkehrsregelungen und den Verkehrsvorstellungen von Privatpersonen sollen vermieden werden (Koehl, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, § 33 StVO, Rn. 18). § 33 Abs. 2 StVO schützt amtliche Verkehrszeichen. Die den Straßenverkehrsbehörden gemäß § 45 StVO zugewiesene Kompetenz zur Anordnung von Verkehrsregelungen durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen dient der Verkehrssicherheit und dem Vorbeugen eines Missbrauchs von privaten Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, sofern diese von dem Verkehr auf den öffentlichen Straßen als amtliche Anordnung missdeutet werden könnten (Lohmeyer in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 33 StVO [Stand: 01.12.2021], Rn. 40).

 Gemäß bereits dieser Zwecksetzung spricht nach Auffassung der Kammer sehr viel dafür, dass das von den Antragstellern zielgerichtet mit Auswirkung auf den öffentlichen Verkehr angebrachte „Freiwillig 30-Schild“ unzulässig ist. Denn es handelt sich, wie die mit Urteilen vom 16.10.2023 abgeschlossenen Verfahren 6 K 1866/22, 6 K 1867/22 und 6 K 1868/22, ferner die neben diesem noch anhängigen Eilverfahren 6 K 2027/24 und 6 K 2028/24 (mit jeweiliger Klage) sowie schließlich weitere auf … festgestellte Schilder (vgl. Hinweis im Widerspruchsbescheid vom 27.05.2024, Seite 3 unten) belegen, nicht um eine isolierte private Einzelmaßnahme, sondern um Teil einer breiten, … mit den Landesstraßen 192 und 193 betreffenden Initiative. Nachdem in den Ortsdurchfahrten der genannten Landesstraßen eine amtliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht zu erreichen war (vgl. § 45 Abs. 1 c Satz 2 StVO), hatte der Ortsverband „…“ von … bereits im September 2021 zu einer „Initiative für Klimaschutz, mehr Verkehrssicherheit und weniger Lärm“ aufgerufen, in deren Zuge mittels Spenden dreißig „Freiwillig 30“-Metallschilder beschafft und an die Antragsteller sowie weitere Grundstückseigentümer in X, … verteilt wurden (vgl. auch den Tatbestand der Urteile vom 16.10.2023). Wie die vorgenannten Tatsachen zeigen und wie insbesondere der Umstand belegt, dass allgemein sowie im Hintergrund die Deutsche Umwelthilfe dieses Anliegen nachhaltig unterstützt und eine Teilnahme an der Freiwillig 30-Aktion verbunden mit einem Erwerbsangebot des umstrittenen Verkehrsschildes im Grunddesign bewirbt (vgl. Deutsche Umwelthilfe: „Für immer <30“ [https://www.duh.de/unter30/schild-bestellen/]), ist diese Initiative für ein Tempo 30-Limit innerorts nicht zum Erliegen gekommen, sondern unverändert aktuell. Wie folglich von den Behörden zutreffend angenommen, muss davon ausgegangen werden, dass die Zulassung eines solchen Schildes die Aufstellung zahlreicher weiterer im Wesentlichen gleicher Schilder nach sich zieht, sodass bereits aufgrund der zu erwartenden Summierungswirkung im innerörtlichen Bereich eine Unterschreitung der dort grundsätzlich geltenden Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) an zahlreichen Stellen und in den unterschiedlichsten Abständen im Sinne eines „Freiwillig 30“ angemahnt und allein schon hierdurch eine Ablenkung und mithin Beeinträchtigung der amtlichen Beschilderung ernsthaft verursacht werden kann. Als – derzeit zwar noch gedachter, bei Zulassung aber aller Voraussicht nach konkret zu erwartender – Fall der Häufung und Vielzahl handelt es sich um einen regelungsähnlich den fließenden Verkehr und die für diesen maßgebliche Fahrgeschwindigkeit betreffenden Eingriff in das Beschilderungsgefüge der StVO. Bereits diese Sachlage dürfte für ein Einschreiten gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO genügen.

 Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO sind indessen sehr wahrscheinlich auch im Einzelnen erfüllt. Das von den Antragstellern angebrachte Schild kann mit den amtlichen Vorschriftzeichen 274-30 (zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h) und 274.1 (Beginn einer Tempo 30-Zone mit dem Verbot, schneller als diese Höchstgeschwindigkeit zu fahren) verwechselt werden (vgl. § 41 StVO und Anlage 2 lfd. Nr. 49 und 50). Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, beurteilt sich nach dem Gesamtbild des Schildes, wie es sich einem flüchtigen Betrachter darstellt (Bayerischer VGH, Beschluss vom 06.03.2019 – 8 CS 18.1890 – juris Rn. 17; VG Freiburg, Beschluss vom 28.07.2022 – 4 K 1705/22 – juris Rn. 43; VG Kassel, Beschluss vom 19.10.2015 – 1 L 1692/15.KS – juris Rn. 25).

 Eine Verwechslungsgefahr ist hier aller Voraussicht nach zu bejahen. Wesentlich hierfür spricht, dass das Schild, welches rechts der Fahrbahn steht (vgl. als entsprechende Regel für Verkehrszeichen § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO), eindeutig die die Geschwindigkeit betreffende Zahl „30“ sowie die kreisartige Einfassung der beiden vorgenannten amtlichen Verkehrszeichen aufgreift, die als zentrale bzw. in der Mitte des Schildes aufgebrachte Elemente dem Kraftfahrzeugverkehr ins Auge springen. Die von den Antragstellern betonte Gestaltung, der Anbringungsort und die Zusätze sind sehr wahrscheinlich nicht geeignet, den flüchtigen ersten Eindruck eines amtlichen Verkehrszeichens zu beseitigen. Auch wenn die grüne Herzumrandung zweifellos einem Verkehrszeichen fremd ist, so kann sie doch, da auf das gewerblich/industriell gefertigte wetterfeste Metallschild aufgebracht, auch ein amtliches Verkehrsschild betreffen bzw. ein Verkehrsteilnehmer kann nicht sicher sein, ob ein amtliches Verkehrsschild von nachträglicher „Malerei“ betroffen ist. Das gilt erst recht bei Beachtung vielfältig möglicher Fahrsituationen innerorts, in denen die Aufmerksamkeit vor allem durch Fahrzeugaufkommen und -abstände sowie die Existenz und das Verhalten weiterer Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer) in Anspruch genommen wird.

 Die Größe und Form des Trägerschildes (ca. 70 x 30 cm, länglich, rechteckig mit eckigen Kanten) sowie die Zeichnung unter der „30“ (im Scherenschnitt: fünf rennende Kinder) und schließlich die Aufschrift darüber („Freiwillig“) führen auch in der gebotenen Gesamtschau nicht auf den ersten Blick zum eindeutigen Schluss auf ein privates Wunsch-/Fantasieschild. Spitze statt abgerundete Ecken der Trägertafel können, das hat die Widerspruchspruchbehörde zutreffend ausgeführt, angesichts der maßgeblichen flüchtigen Betrachtung kein deutliches Unterscheidungsmerkmal bilden. Entsprechendes gilt erst recht für den Umstand, dass das Schild, was rechtlich ohnehin zulässig sein kann (vgl. insoweit den Hinweis auf die einschlägige Vorschrift des § 5b Abs. 6 StVG im Widerspruchsbescheid) auf privatem Grundstück und nicht auf öffentlichem Grund steht, da dies schon keinen nach außen hin erkennbaren Umstand darstellt, solange – wie hier – eine direkte Nähe und klare Sichtverbindung zum öffentlichen Verkehrsraum gegeben ist.

 Auch wenn schließlich die Kinderzeichnung und die Überschrift nicht auf amtlichen Verkehrsschildern abgebildet/aufgeschrieben sind, beugen sie nicht wirkungsvoll einer Verwechslungsgefahr vor. Die Erkennbarkeit als Verkehrsregelung hängt maßgeblich auch davon ab, dass Verkehrsteilnehmer mit solchen Verkehrszeichen konfrontiert werden, die ihnen geläufig sind, weil sie regelmäßig verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Verkehrszeichen, die – wie hierden für die Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne des § 1 StVO besonders relevanten fließenden Verkehr und dessen Geschwindigkeit betreffen und folglich in überdurchschnittlich hoher Zahl Verwendung finden (vgl. zur Prägung des „Erwartungshorizonts“ von Verkehrsteilnehmern, wenngleich im Kontext der Wirksamkeit/Nichtigkeit von Verkehrszeichen: BVerwG, Urteil vom 06.04.2016 – 3 C 10.15 – juris Rn. 23; VG Neustadt, Urteil vom 26.02.2019 – 5 K 814/18.NW – juris Rn. 50). Die Anforderungen, die an amtliche Verkehrszeichen zu stellen sind, ergeben sich direkt aus der StVO sowie aus Binnenwirkung entfaltenden Verwaltungsvorschriften, so insbesondere der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO – BAnz. S. 1419, ber. 5206) und dem eine Anlage zur vorgenannten Verwaltungsvorschrift bildenden Katalog der Verkehrszeichen (VzKat – vom 22.05.2017, VkBl S. 565). Die Verkehrsteilnehmer werden regelmäßig im Verkehr mit solchen Zeichen konfrontiert, die diesen Anforderungen entsprechen und mithin die Erkennbarkeit als amtliches Zeichen und die Unterscheidbarkeit von sonstigen Zeichen maßgeblich beeinflussen (VG Bremen, Urteil vom 12.12.2013 – 5 K 181/11 – juris Rn. 25; VG Aachen, Urteil vom 05.10.2005 – 6 K 805/03 – juris Rn. 47).

 Die von den Antragstellern für ein privates Fantasieschild ins Feld geführten beiden Zusatzzeichen verhindern danach gerade nicht die Verwechslungsgefahr mit den amtlichen 30er-Schildern. Gemäß § 39 Abs. 3 StVO sind auch Zusatzzeichen, die auf weißem Grund mit schwarzem Rand schwarze Sinnbilder, Zeichnungen oder Aufschriften zeigen, Verkehrszeichen und sind in der Regel unter dem Verkehrszeichen, auf das sie sich beziehen, angebracht. Bei den unter der Zahl „30“ angebrachten fünf rennenden Kindern handelt es sich zwar nicht um das typische Piktogramm (vgl. etwa das Gefahrzeichen 136 Kinder [lfd. Nr. 17 der Anlage 1 zu § 40 StVO]), ein schwarzes Sinnbild mit deutlichem Bezug zu Kindern – in Abgrenzung zu Erwachsenen – ist darin jedoch weiterhin klar angelegt. Der Schriftzug „Freiwillig“, dessen Wortbestandteil „Frei“ in zahlreichen Zusatzschildern vorkommt (vgl. die Zusatzzeichen mit Ausnahmen nach § 41 Abs. 2 StVO: Zeichen 1020 [Personengruppen frei <verbal oder mit Sinnbild>, Teil 7 des VzKat), stellt ferner eine Aufschrift dar. Mehr als die gemäß Abschnitt III Ziffer 11 Buchst. a VwV-StVO zulässigen drei Verkehrszeichen am selben Anbringungsort enthält das Schild schließlich nicht. Dass die beiden Zusätze nicht ihrerseits schwarz umrandet sind, nimmt ein flüchtiger Betrachter auf den ersten Blick nicht zwingend wahr; bedacht werden muss hierbei ohnehin, dass auch die Verwendung von Zusatzzeichen, die nicht sämtliche Vorgaben der StVO und VwV-StVO einhalten, nicht unüblich ist (vgl. am Beispiel mobiler Regelungen bei Bauarbeiten: VG Augsburg, Urteil vom 17.12.2019 – Au 8 K 19.918 – juris Rn. 28). Die Größe des Schildes weicht schließlich nicht offensichtlich von der eines rechteckigen Verkehrszeichens der Größe 1 im Geschwindigkeitsbereich 20 bis weniger als 50 km/h (63 × 42 cm, vgl. Abschnitt III Ziffer 3 Buchst. b und d VwV-StVO) ab; Entsprechendes gilt für die Anbringungshöhe, die bei etwa 2 m liegt (vgl. für die Regelhöhe von 2 m: Abschnitt 3 Ziffer 13 Buchst. a VwV-StVO).

 Zu hoch bewertet der Antragsteller die Bedeutung des Wortes „Freiwillig“ und zu gering die Relevanz von modernen Fahrerassistenzsystemen, wenn er zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr einwendet, maßgeblicher Empfängerhorizont sei nicht eine – nicht zwingend zuverlässige bzw. falsch justierte – Technik, sondern der menschliche Betrachter ohne Rücksicht auf Verkehrsteilnehmer ohne Deutschkenntnisse, und kein amtliches Verkehrszeichen kenne die genannte Aufschrift. Tatsache ist, dass die Assistenzsysteme der Dienstwagen des Landratsamts und des Regierungspräsidiums eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h aufzeigten (vgl. Antragserwiderung vom 23.05.2024 [GAS. 40] bzw. Bestätigung vom 28.05.2024 [GAS. 48] sowie Widerspruchsbescheid, Seite 3). Dieser Umstand bekräftigt – bezogen auf bestimmte Verkehrsteilnehmer, was bereits genügt – einen weiteren Aspekt für eine Verwechslungsgefahr. Unerheblich ist, dass eine Erkennung offenbar nicht zwingend bzw. stets erfolgen muss (vgl. die Mitteilung des Antragstellers über die am 27.05.2024 von einer Bekannten durchgeführte Fahrt, GAS. 134/135). Die Bedeutung von Fahrerassistenzsystemen wird absehbar zunehmen, nachdem gemäß Verordnung (EU) 2019/2144 seit dem 07.07.2024 Neufahrzeuge mit hochentwickelten Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet sein müssen, zu denen unter anderem ein intelligenter Geschwindigkeitsassistent – ein System zur Unterstützung des Fahrers bei der Beibehaltung der für die Straßenbedingungen angemessenen Geschwindigkeit durch gezielte und angemessene Rückmeldungen – gehört (vgl. Artikel 1 Abs. 1, 3 Abs. 3, 6 Abs. 1 Buchst. a der genannten Verordnung).

 Zutreffend führt der Widerspruchsbescheid weiter aus, dass amtliche Verkehrszeichen so gestaltet sind, dass wesentliche Regelungen wie die hier betroffene Geschwindigkeitsregelung international verständlich sind. Dies kann bei ausschließlich fremdsprachigen Verkehrsteilnehmern eine Verwechslungsgefahr begründen, da nur die vermeintliche Geschwindigkeitsbeschränkung, nicht indessen die Überschrift „Freiwillig“ in den flüchtigen Blick genommen und verstanden wird.

 Für die Möglichkeit der Verwechslung besteht eine erforderliche, aber auch genügende abstrakte Gefahr. Diese ist zu bejahen, weil angesichts des zuvor beschriebenen Zustands des privaten Schildes nach generalisierender Betrachtung nicht nur eine theoretische Möglichkeit der Verwechslung besteht, sondern eine solche mit hinreichender Wahrscheinlichkeit früher oder später zu erwarten ist; eines schon eingetretenen bzw. absehbar bevorstehenden konkreten Einzelfalles bedarf es nicht (VG Ansbach, Urteil vom 20.05.2022 – AN 17 K 21.00931 – juris Rn. 21; VG Würzburg, Urteil vom 04.08.2011 – W 5 K 10.169 – juris Rn. 27).

 Entsprechende Erwägungen gelten schließlich für die in § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO tatbestandlich zusätzlich geforderte Möglichkeit, sich auf den Verkehr auswirken zu können. Es genügt, wenn das auf einem Privatgelände aufgestellte Schild negative Folgen für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs haben kann (Sächsisches OVG, Beschluss vom 03.08.2018 – 3 A 393/18 – juris Rn. 9) bzw. ein Unsicherheitsmoment für die betroffenen Verkehrsteilnehmer begründet (VG Würzburg, Urteil vom 20.10.2010 – W 6 K 10.352 – juris Rn. 29). Dies ist nach Auffassung der Kammer beim verfahrensgegenständlichen Schild, welches im Straßenverkehr wahrgenommen werden kann, der Fall. Der Einwand des Antragstellers, es liege nahe, dass der Entstehungshintergrund des Schildes und dessen nichtamtlicher Charakter mittlerweile nach fast drei Jahren bekannt seien (vgl. für eine überwiegend von Anliegern genutzte Ortsstraße, hinsichtlich der eine aufgebrachte Markierung als „verkehrsrechtlich unbeachtliche private Malerei“ erkennbar sei: VG München, Beschluss vom 03.11.1998 – M 6 S 98.4499 – juris Rn. 30), kann nicht verfangen. Dies lässt unberücksichtigt, dass es sich bei … um eine Freizeit-/Urlaubsregion handelt, sodass auch ortsfremde Verkehrsteilnehmer in relevanter Anzahl zu erwarten sind. Ferner gewinnt der eingangs hervorgehobene Gesichtspunkt einer Summierungs-/Nachahmungswirkung eine erhebliche Bedeutung, die im Falle der Zulassung des Schildes hinreichend wahrscheinlich eintreten dürfte. Maßgebliche negative Folgen für Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs werden schließlich nicht dadurch vermieden, dass Tempo 30 die Sicherheit und den Verkehrsfluss verbessert (vgl. dazu Umweltbundesamt: Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, November 2016). Hierauf kommt es im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht an. Maßgebend ist vielmehr, dass die bejahte Verwechslungsgefahr die Gefahr uneinheitlicher Akzeptanz und Wahrnehmung der zulässigen Geschwindigkeit mit daraus folgenden Abbrems- und Überholsowie Auffahr- und Bedrängungssituationen mit sich bringen kann, wenn statt der an sich zulässigen 50 km/h von manchen Verkehrsteilnehmern nur 30 km/h gefahren werden, während andere Verkehrsteilnehmer die höhere zulässige Geschwindigkeit ausnutzen wollen.

 bb.) Auf der Rechtsfolgeseite sind das gegenüber den Antragstellern erfolgte Einschreiten und die gewählte Maßnahme rechtlich nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Ermessensbetätigung der Widerspruchsbehörde (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26.04.2011 – 7 B 34.11 – juris Rn. 7), die ausweislich der Begründung ihr Ermessen erkannt hat. Die Betätigung des Entschließungsermessens erfolgte ordnungsgemäß, denn die Erfüllung der Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO begründet eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und das Gebot einzuschreiten. Die Effektivität der Störungsabwehr lässt es ohne weitere Begründung zu, beide Miteigentümer angesichts ihrer Zustands-/Verhaltensverantwortlichkeit in Anspruch zu nehmen (Trurnit, in: BeckOK PolR BW, 31. Ed. 1.12.2023, PolG, § 6 Rn. 36). Die Beseitigungsanordnung ist schließlich auch verhältnismäßig. Die Entfernung etwaigen Pflanzenbewuchses ist zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr nicht geeignet. Von der Behörde zu verlangen, als milderes Mittel Vorgaben zur Gestaltung/Umgestaltung des Schildes zu machen, damit dieses zulässig werde, ist im Bereich der Gefahrenabwehr ferner abwegig. Das – wie ohne Probleme möglich – Schild schlicht zu entfernen, stellt schließlich keinen Eingriff in das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG dar. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheids, wonach sich die Maßnahme nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet und es sich bei § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO um ein das Grundrecht zulässigerweise einschränkendes allgemeines Gesetz und bei der Entfernungsanordnung folglich um eine Maßnahme der Gewährleistung der Verkehrssicherheit handelt, wird entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen. Die zum 31.05.2024 gesetzte Frist zur Entfernung ist schließlich ausreichend, ohne dass insoweit von den Antragstellern etwas eingewendet worden ist.

 2.) Für den Sofortvollzug dieser somit sehr wahrscheinlich rechtmäßigen Entfernungsanordnung besteht schließlich nach Auffassung der Kammer auch tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse. Zu Recht haben die Behörden in der Verwendung des privaten Schildes eine (abstrakte) Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erkannt, sodass aus Gründen der Schutzpflicht des Staates ein Einschreiten noch vor unanfechtbarer Entscheidung in der Hauptsache geboten ist. Darauf, dass seit Aufstellung des Schildes im Jahr 2021 mittlerweile fast drei Jahre verstrichen sind, ohne dass ein Vorfall bekannt wurde, kommt es nicht an, da sich jederzeit ein Schadensereignis realisieren kann, was ein zügiges Einschreiten erfordert. Ein irreparabler, der Vorwegnahme der Hauptsache gleichkommender Zustand wird durch einen Sofortvollzug nicht verursacht, da die Entfernung des Schildes ohne relevanten Substanzverlust zu bewerkstelligen ist.

 3.) Ernstliche Zweifel entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen schließlich nicht und sind auch nicht vorgetragen worden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 63 Abs. 1 PolG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 2, 4 Abs. 1, 19, 20 und 23 LVwVG. Entsprechend § 421 BGB sind die Antragsteller gesamtschuldnerisch Adressaten der Androhung und einer etwa erforderlichen Festsetzung.

VG Freiburg Beschl. v. 8.8.2024 – 6 K 2026/24, BeckRS 2024, 21248

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