ArbG München: Abhängigkeit einer Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 16.09.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|527 Aufrufe

Zwar nur eine instanzgerichtliche Entscheidung, gleichwohl interessant (nicht nur für den AGB-Rechtler): ArbG München 11.07.2024 – 25 Ca 707/24, BeckRS 2024, 18880

Der Sachverhalt lag wie folgt:

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch Eigenkündigung zum 31.12.2023. Im Arbeitsvertrag war vorgesehen, dass sich die Zahlung von Weihnachts-, Urlaubsgeld oder sonstigen Sonderzahlungen nach dem MTV in der jeweils gültigen Fassung richtet. Der Arbeitsvertrag der Parteien nimmt darüber hinaus in zahlreichen Regelungen Bezug auf die tariflichen Regelungen für das private Versicherungsgewebe, so u.a. in S. 2 hinsichtlich der Arbeitszeit, S. 3 hinsichtlich der Vergütung. § 6 bezüglich des Urlaubs, § 10 hinsichtlich der Kündigungsfristen.

Die Regelung zur Sonderzahlungen im Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in § 3 Ziffer 3. Abs. 1 lautete wie folgt:

„Angestellte, deren Monatsbezüge das höchste im Gehaltstarifvertrag gelregelte Monatsgehalt zuzüglich Verantwortungszulage -und, sofern die/der Angestellte Anspruch auf Schichtzulage hat, die Schichtzulage – nicht um mehr als 10% übersteigen, erhalten im letzten Quartal des Kalenderjahres eine Sonderzahlung in Höhe von 80% ihres Bruttomonatsgehalts. (…)

Angestellte deren Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt beendet ist, haben keinen Anspruch – auch nicht anteilig – auf die Sonderzahlung. Gleiches gilt für Angestellte, die in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, außer im Falle betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung. Pensionierung, auch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, gilt nicht als Kündigung

Nachdem die Beklagte die Auszahlung der Sonderzahlung verweigert hatte, erhob die Klägerin Klage. Das ArbG München gab ihr recht. Maßgebend waren folgende Überlegungen: „Die Beklagte regelt in ihrem Arbeitsvertrag mit der Klägerin zahlreiche Sachbereiche, welche in den entsprechenden Tarifverträgen geregelt sind wie beispielsweise die Arbeitszeit, die Vergütung, Urlaub, Kündigungsfristen und den Verfall von Ansprüchen. Dabei nimmt sie in den einzelnen Regelungen jeweils ergänzend bzw. auch klarstellend Bezug auf die tarifvertraglichen Regelungen. Zusätzlich verweist sie in § 12 des Arbeitsvertrages auf die jeweils aktuellen Tarifverträge des privaten Versicherungsgewerbes, mit der Einschränkung – soweit in diesem Arbeitsvertrag keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Im Arbeitsvertrag sind tatsächlich nur wenige geringfügige Abweichungen zu den tarifvertraglichen Regelungen, betreffend die Kündigungsfrist in der Probezeit und den Verfall von Ansprüchen. Nach Ansicht der Kammer führen diese – wenn auch nur geringfügigen – Abweichungen jedoch dazu, dass hinsichtlich der Regelung für die Sonderzahlung, für welche auch auf den Manteltarifvertrag verwiesen wurde, die Privilegierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gilt. Denn nur die uneingeschränkte Verweisung führt zu einer derartigen Privilegierung. Eine solche liegt gerade nicht vor.“ Ob eine derartige Strenge tatsächlich gerechtfertigt ist, noch dazu in Fällen, in denen die Abweichungen den Arbeitnehmer nicht benachteiligen, darf bezweifelt werden.

Damit die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB eröffnet. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG war das Ergebnis nunmehr vorgezeichnet: „Da die Sonderzuwendung nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nicht nur der Honorierung vergangener und künftiger Betriebstreue, sondern auch der Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung diente, konnte die Beklagte den Anspruch der Klägerin nicht mit aufgrund Stichtagsklausel beschränken.“ Mit anderen Worten: „Erdienter Lohn darf dem Arbeitnehmer nicht mehr genommen werden.“

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