LAG Köln: Unwirksamkeit der Wartezeitkündigung eines schwerbehinderten Menschen bei fehlendem Präventionsverfahren?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 18.09.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|423 Aufrufe

Eine neuere Entscheidung des LAG Köln (12.09.2024 – 6 SLa 76/24, PM 6/24) befasst sich mit der Frage, ob eine Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen in den ersten sechs Monaten wegen eines nicht durchgeführtem Präventionsverfahren unwirksam ist. Dabei setzt sich das LAG Köln deutlich von einer der bisherigen Rechtsprechung des BAG ab.

Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 1. Januar 2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22. Juni 2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben. Das Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (insb. Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies anerkanntermaßen zur Unwirksamkeit einer nach Ablauf der Wartezeit ausgesprochenen Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat. Wie ist es aber, wenn die Kündigung – wie hier – noch in der Wartezeit ausgesprochen wird.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 21.04.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131) hat das LAG Köln nun entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich die vom BAG vorgenommene zeitliche Begrenzung weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis. Wegen der auch vom BAG angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate („Probezeit“) zum Abschluss zu bringen, hat das LAG für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen. Im konkreten Einzelfall ist das LAG Köln aufgrund der unstreitigen Tatsachen zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitgegenständliche Probezeitkündigung nicht wegen der Schwerbehinderung des Klägers ausgesprochen worden war und hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.

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