EuGH-Urteil zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben bleibt aus

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 02.06.2008

Das mit einiger Spannung erwartete EuGH-Urteil zum Kündigungsschutz in Kleinbetrieben wird nicht gefällt werden. Der EuGH hat sich für die Beantwortung der vorgelegten Fragen offenkundig unzuständig erklärt (Rechtssache Polier, C-361/07). Das französische Conseil de prud'hommes de Beauvais hatte dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der "Neueinstellungsvertrag", der Arbeitnehmern in den ersten zwei Jahren der Beschäftigung nur einen deutlich geringeren als den üblichen Kündigungsschutz vermittelt, mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Dieser "Neueinstellungsvertrag" war durch Ordonnance vom 2.8.2005 geschaffen worden und wurde inzwischen in das französische Code du travail eingefügt. Der Entscheidung des EuGH war im Hinblick auf § 23 Abs. 1 KSchG auch in Deutschland potenzielle Sprengkraft beigemessen worden (vgl. Thüsing, RdA 2008, 51, 53). Der EuGH hat nun entschieden, dass die Grundrechtecharta (noch) nicht zu den Rechtsquellen zähle, über deren Auslegung der Gerichtshof nach Art. 234 EG-Vertrag zu entscheiden habe.

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2 Kommentare

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Solange es kein neues EuGH-Urteil mit Auswirkungen auf § 23 Abs. 1 KSchG gibt, müssen wir uns weiter auf das uralte Urteil des EuGH zu § 23 Abs. 1 KSchG verlassen, in dem der EuGH in § 23 keine verbotene Beihilfe und auch keine mittelbare Frauendiskriminierung zu entdecken vermochte. (EuGH, 30.11.1993 - C-189/91 Kirsammer-Hack).

Selbst wenn die Grundrechtscharta eines Tages verbindlich werden und in die Auslegungszuständigkeit des EuGH fallen sollte, wäre damit noch nicht das Aus für § 23 Abs. 1 (und § 1 Abs. 1 KSchG) besiegelt, denn auch in diesen Fällen besteht bekanntlich ein (Mindest-)Schutz vor ungerechtfertigten Entlassungen. Mehr fordert Art. II-90 Grundrechtscharta wohl nicht.

 

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Sehr geehrte Experten,

eine kurze Frage:

Durfte der EuGH nur über die Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta entscheiden und hat sich deshalb für unzuständig erklärt, oder hätte er sich dennoch für zuständig erklären können und dann auf einer anderen REchtsgrundlage (zB allg. Rechtsgrundsätze) entscheiden können?

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