Gleichbehandlung gebietet keine Verlängerung befristeter Verträge

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.12.2008

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz begründet keinen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Das hat der 7. Senat des BAG in einem jetzt veröffentlichten Urteil (vom 13.8.2008 - 7 AZR 513/07) entschieden.

Die Klägerin war auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrags für die Dauer von rund acht Monaten bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde zusammen mit 18 weiteren Arbeitnehmern eingestellt, mit denen gleichlautende Verträge abgeschlossen wurden. Kurz vor Ablauf der befristeten Verträge bot die Beklagte diesen 18 Arbeitnehmern eine Vertragsverlängerung für die Dauer von rund vier Monaten an. Diese nahmen die Angebote an. Nur die Klägerin erhielt kein derartiges Angebot.

Das BAG hat ihre auf eine Verlängerung des Arbeitsvertrages gerichtete Klage abgewiesen. § 14 Abs. 2 TzBfG eröffne Arbeitgebern nicht nur die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob und mit welchem Arbeitnehmer und für welche Vertragslaufzeit sie innerhalb der höchstzulässigen Gesamtdauer von zwei Jahren einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen und ob und wie oft sie einen derartigen Vertrag bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren verlängern. Es werde ihnen viel mehr außerdem ermöglicht, sich bei Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes von einem Arbeitnehmer zu trennen. Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, wenn der Arbeitgeber gehalten wäre, bei der Entscheidung über die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 TzBfG den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dadurch würde dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen, frei und ohne Bindung an sachliche Gründe entscheiden zu können, ob er den befristet beschäftigten Arbeitnehmer nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit weiterbeschäftigt. Dies aber wolle § 14 Abs. 2 TzBfG gerade ermöglichen.

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Es geschieht nicht mehr jeden Tag, dass sich die Betonung der Vertragsfreiheit in einem arbeitsgerichtlichen Urteil in dieser Ausdrücklichkeit wiederfindet. Vor dem Hintergrund, dass die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in vielen vergleichbaren Fällen zu einer Konterkarierung des Gesetzeszwecks des § 14 Abs. 2 TzBfG führen würde, der ja über die erleichterten Befristungsmöglichkeiten Hemmungen zur Einstellung abbauen und damit für eine Förderung der Beschäftigung sorgen soll, ist die Entscheidung auch zu begrüßen.

Allerdings sollte das Urteil keinen Arbeitgeber zur Annahme verleiten, er sei bei jeder Befristungsverlängerung in seiner Entscheidung tatsächlich frei. Das BAG hat am Schluss seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die besonderen Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichberechtigungsgesetzes (AGG) nur im besprochenen Fall keinen Anlass zur Prüfung gaben. Deren sind jedoch viel denkbar. Der Europäische Gerichtshof (EuGH vom 04.10.2001, Jimenez Melgar) hat beispielsweise schon lange vor Inkrafttreten des AGG entschieden, dass eine Diskriminierung vorliegt, wenn die Nichtverlängerung eines befristeten Vertrags auf einer Schwangerschaft beruht. Es verwundert prozessual insofern etwas, dass auch in den Vorinstanzen der BAG-Entscheidung zu den „tieferen“ Gründen der verweigerten Verlängerung offenbar kein Disput stattgefunden zu haben scheint. Denn die Nichtverlängerung eines Arbeitsvertrages hat stets ihren ganz konkreten Grund, ebenso wie eine Kündigung. Arbeitsmangel wird man angesichts der Feststellungen im Urteil (18 weitere übernommene Sachbearbeiter) nicht annehmen dürfen, eher schon in der Person der Arbeitnehmerin liegende Motive. Ob diese arbeitsrechtlich billigenswert waren (z. B. Verhaltens- oder Leistungsmängel), bleibt offen, weil die Arbeitnehmerseite offenbar meinte, sich nur auf die Tatsache der Vertragsverlängerung bei 18 Kollegen der Mitarbeiterin stützen zu brauchen. Damit ist die Arbeitgeberseite möglicherweise um eine unangenehme prozessuale Situation herum gekommen, denn der Arbeitnehmer muss im Prozess zunächst nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Dann trifft den Arbeitgeber die Beweislast, dass eine Diskriminierung nicht vorliegt (§ 22 AGG). Daher kann Arbeitgebern sicher nur empfohlen werden, in vergleichbaren Fällen anerkennenswerte Gründe (wie eben z. B. Leistungsmängel) für eine Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses parat zu halten, wollen sie nicht unvermittelt in eine ähnliche prozessuale Situation geraten, wie jüngst die R + V-Versicherung (vergl. beck-blog vom 18.12.2008, 17:45) . Hierzu zählt eine aussagekräftige Leistungs- und Verhaltensbeobachtung sowie –dokumentation (!) während der Befristung, oder aber die Dokumentation anderer sachlicher Gründe. Gleiches gilt übrigens auch für die ersten sechs Monate unbefristeter Arbeitsverhältnisse, obwohl das Kündigungsschutzgesetz hier noch keine Anwendung findet.

Ausdrücklich offen lassen konnte das BAG die unter Rechtsgelehrten durchaus umstrittene Frage, ob aus einer tatsächlichen Diskriminierung überhaupt ein Verlängerungsanspruch (oder nur ein Schadensersatzanspruch, vergl. § 15 AGG) erwachsen kann. Der Verlängerungsanspruch wäre für manchen Arbeitnehmer die angenehmste Aussicht, für den Arbeitgeber umgekehrt natürlich der sog. „Super-GAU“. Arbeitsrechtlicher „mainstream“ ist derzeit sicher die Beschränkung auf den Schadensersatzanspruch. Allerdings lohnen sich auch hiergegen schon die genannten Vorsorgemaßnahmen, die verhindern können, im Prozess auf ein ungewolltes Gleis gedrängt zu werden.

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