Entscheidung über Demjanjuk-Prozess voraussichtlich nicht vor Ende August

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 22.07.2009Das Landgericht München II wird voraussichtlich nicht vor Ende August 2009 über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den früheren KZ-Wachmann John Demjanjuk entscheiden, dem Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen vorgeworfen wird. Der 89-Jährige sitzt seit seiner Abschiebung aus den USA im Mai in München in Untersuchungshaft.

Die Anklageschrift geht davon aus, dass der gebürtige Ukrainer 1940 von der Roten Armee eingezogen wurde und 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Im Juli 1942 sei er von SS-Offizieren für die «Fremdvölkischen Wachmannschaften» ausgesucht worden und habe im Ausbildungslager Trawniki eine militärische Ausbildung erhalten. Daraus sei er mit dem niedrigsten Dienstgrad als «Wachmann» entlassen worden. Im März 1943 sei Demjanjuk in das Konzentrationslager Sobibor im heutigen Polen abkommandiert worden. Dort soll er dann bis zum September 1943 an der Ermordung von mindestens 27.900 Menschen beteiligt gewesen sein.

Demjanjuks Münchner Anwalt Günther Maull rechnet nicht vor Ende September mit einem Prozessbeginn. Andere Juristen vermuten bereits, es könne noch länger dauern. In jedem Fall zeichnet sich ein langer Prozess ab. Ein ärztliches Sachverständigengutachten attestierte Demjanjuk Anfang Juli zwar Verhandlungsfähigkeit. Es schränkte aber ein, dass gegen ihn je Prozesstag nicht länger als zweimal 90 Minuten verhandelt werden darf. Außerdem hat sich Demjanjuk bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert, so dass ein langwieriger Indizienprozess möglich ist.

Ergänzend aus meiner Sicht:

Mit der justiziellen Aufarbeitung des NS-Unrechts hat sich Deutschland lange schwer getan. Um so wichtiger sind solche Verfahren! Wer die Geschichte dieses Verfahrens etwas kennt, weiß, dass John Demjanuk nicht mit "Iwan, dem Schrecklichen" in Treblinka zu verwechseln ist. Demjanuk war zunächst Kriegsgefangener der deutschen Wehrmacht. Die ihm gebotene Chance, als Hilfswilliger der Wehrmacht eingesetzt zu werden, nutzte er. Seinen Dienst verrichtete er für die deutschen Besatzer. Mehr moralische  und strafrechtliche Schuld als er tragen seine Vorgesetzten in Sobibor.  

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5 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Heintschel-Heinegg,

ich stimme Ihnen zu, wenn Sie solche Verfahren für wichtig und richtig erachten. Ich stimme Ihnen aber auch zu, wenn Sie feststellen, dass die deutsche Justiz sich lange, zu lange mit solchen Verfahren schwer getan hat.

Vielleicht sollte man sich zur Einordnung dieses Verfahrens auch die bisherigen Sobibor-Prozesse in Erinnerung rufen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sobibor-Prozess

Wenn man sich die Urteile und Strafen im einzelnen ansieht, so fällt auf, dass in früheren Verfahren recht großzügig mit der Annahme eines "Putativnotstandes" umgegangen wurde - ob zu Recht oder Unrecht, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls bekomme ich Bauchweh, wenn jetzt einer der kleinsten Trawnikis (also Russen, die das Pech hatten, in deutsche Kriegsgefangenschaft zu geraten und ihr Leben mit dieser Arbeit retteten) der Beihilfe zum Mord angeklagt wird, während der Chef der Trawnikis im Prozess in Hagen seinerzeit freigesprochen wurde:

 

Erich Lachmann
Leitung der TrawnikiWachmannschaft bis Herbst 1942
Beihilfe zum gemeinschaftlicher Mord an mindestens 150.000 Personen
Freispruch wegen "Putativnotstand"

 

Da wird in Deutschland (und auch im Ausland) der Eindruck entstehen: die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Hinzu kommt: die Freigesprochenen im Hagener Prozess waren Deutsche, die sehr wohl eine Wahlmöglichkeit hatten. Bei einem russischen Kriegsgefangenen stellt sich da schon eher die Frage, welche Wahl er hatte.

Mag sein, dass diese Fragen alle im Prozess beantwortet werden können. Aber wie Sie schon sagten: Die Justiz hat sich leider sehr schwer getan mit der Aufarbeitung des NS-Unrechtes, und dieser Prozess kommt einfach zu spät und hinterlässt einen schalen Beigeschmack in Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Chef Demjanjuk's freigesprochen wurde.

 

 

Sehr geehrter Herr Prof. Heintschel-Heinegg,

ich stimme Ihnen zu, wenn Sie solche Verfahren für wichtig und richtig erachten. Ich stimme Ihnen aber auch zu, wenn Sie feststellen, dass die deutsche Justiz sich lange, zu lange mit solchen Verfahren schwer getan hat.

Vielleicht sollte man sich zur Einordnung dieses Verfahrens auch die bisherigen Sobibor-Prozesse in Erinnerung rufen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sobibor-Prozess

Wenn man sich die Urteile und Strafen im einzelnen ansieht, so fällt auf, dass in früheren Verfahren recht großzügig mit der Annahme eines "Putativnotstandes" umgegangen wurde - ob zu Recht oder Unrecht, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls bekomme ich Bauchweh, wenn jetzt einer der kleinsten Trawnikis (also Russen, die das Pech hatten, in deutsche Kriegsgefangenschaft zu geraten und ihr Leben mit dieser Arbeit retteten) der Beihilfe zum Mord angeklagt wird, während der Chef der Trawnikis im Prozess in Hagen seinerzeit freigesprochen wurde:

 

Erich Lachmann
Leitung der TrawnikiWachmannschaft bis Herbst 1942
Beihilfe zum gemeinschaftlicher Mord an mindestens 150.000 Personen
Freispruch wegen "Putativnotstand"

 

Da wird in Deutschland (und auch im Ausland) der Eindruck entstehen: die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Hinzu kommt: die Freigesprochenen im Hagener Prozess waren Deutsche, die sehr wohl eine Wahlmöglichkeit hatten. Bei einem russischen Kriegsgefangenen stellt sich da schon eher die Frage, welche Wahl er hatte.

Mag sein, dass diese Fragen alle im Prozess beantwortet werden können. Aber wie Sie schon sagten: Die Justiz hat sich leider sehr schwer getan mit der Aufarbeitung des NS-Unrechtes, und dieser Prozess kommt einfach zu spät und hinterlässt einen schalen Beigeschmack in Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Chef Demjanjuk's freigesprochen wurde.

Ich bin fest überzeugt, dass Fall Demjanjuk noch mal bestätigt, das in Deutschland gilt immer noch so genannte Siegerjustiz.

Zur Erinnerung. Am 25. April 1988 wurde Demjanjuk in Jerusalem wegen der Beschuldigung am Mord von 900.000 Juden in Treblinka/Sobibor beteiligt zu sein zum Tode verurteilt.  1993 wurde dieses Urteil durch Oberster Gericht Israels und zwar einstimmig. Was das ausgerechnet in Israel geschehen ist nehme ich an wurde nicht aus Liebe zu angeblichen „Mörder“ getan. Jerusalem hat damit auch Konsequenz aus umstrittenem Prozess gegen Adolf Eichmann gezogen, denn dieser Prozess wurde weltweit von Rechtswissenschaftler kritisiert.

Das Prozess in Jerusalem zeigte, dass selbst in Israel die so genanntes Offenkundigkeitsprinzip wurde durch israelische Justiz nicht beachtet trotz der Propaganda der organisierten Juden, die überall nach „Holocaustleugner“ jagen und das nicht ohne Erfolg. Es gibt keine Ausnahmen im Bereich der Rechtswissenschaft. Entweder das Gesetz zu beachten oder sich so wie Israel in 1933 deutlich gezeigt zurückpfeifen. In Jerusalem war es ein Sieg der Justiz und keine „Siegerjustiz“.

Nun gibt es außer Beweisbedarf in diesem Fall, der inzwischen zu längsten Justiz-Marathon geworden (über 2000 Tage!) offensichtlich noch ein Problem. Zwar „Mord“-Anklage es scheint vorbei zu sein und ungeheure Zahl der Opfer von 900.000 bis 29.000 reduziert und selbe Anklage heißt nun Beihilfe zu Mord, die mindestens eines Todesurteil nicht vorsieht, aber Sucht nach einer Rache, selbst gegen einen Verdächtigen bleibt so zusagen eine Motivation der „Justiz“.

Es geht dabei um das Prinzip Non bis in idem oder noch deutlicher auszudrücken Nemo tenetur se ipsum accusare (niemand soll für dasselbe noch mal angeklagt werden). Dabei es spielt keine Rolle ob es um ein Mord oder Beihilfe zu Mord geht und auch ob es um 900.000 oder 29.000 Toten geht. Der selber Mann für dieselbe Tat soll nun wieder mal vor Gericht stehen. Und dabei es geht schon wieder um Identität der angeblichen Täter.

In Jerusalem der Identität von Demjanjuk als „Iwan der Schreckliche“ wurde nicht bestätigt aufgrund gefälschten SS-Dienstausweises. Das ist schon klar, dass SS-Dienst in NS-Staat nicht theoretisch, sonder praktisch keinen Ausweis für einen Ausländer und noch dazu einem Kriegsgefangenen ausgestellt, sonst wäre die treuste Dienst sich blamieren. Dazu Demjanjuk wurde kein NDSAP-Mitglied gewesen und keine Ahnung von NS-Ideologie hat.

Aus detaillierten Protokollen von Jerusalem es ist auch nicht bekannt, dass Demjanjuk als Ukrainer mindestens zu UPA (Ukrainische Aufständische Armee) unter General Schuchewitsch gehörte. Als Gegner des Bolschewismus UPA sollte keine besondere Liebe zu jüdischen Kommissare haben, die Massenhungernot 1932-1933 sog. "Holodomor" in der Ukraine (Kornkammer Europas) organisierte und ließen etwa 10.000.000 Ukrainer von Hungernot sterben.

Einer der Kläger in Jerusalem versuchte dem Demjanjuk „gerechte Hass gegen die Juden“ damit anhängen, weil Ziel der Bolschewiki war durch ein Kibbuzim-System (aus Hebräischen „Kollektivgemeinschaft“ also in Russisch: „Kolchosen“) die Bauernschaft mit Gewalt und Terror abzuschaffen. Diese Ansicht hat die Richter in Jerusalem nicht beeindruckt.

Nun versucht Staatsanwaltschaft in München noch mal die Echtheit des SS-Ausweises zu prüfen, obwohl vor 21 Jahren die Staatsanwaltschaft dafür schon ausgerechnet BKA in Deutschland beauftragt hat. Anders gesagt die ganze Farce in München versucht die Blamage zu vermeiden mit dem letzten Strohhalm. Aber die Sachverständigen bei den Behörden sagten schon wieder: der Ausweis ist manipuliert, wie es behauptete: Bericht aus Mainz

Eine bestellte „Justiz auf jeden Preis“ ist keine Justiz, sondern ein Versuch an Gesetze und Fakten vorbei den Mann unbedingt verurteilen um ein Gefallen an die Holocaust-Industrie zu tun.  Nach dem Krieg wurde behauptet, dass nur ca. 200.000 Juden den Holocaust überlebten. Doch aus der Dokumentation des Bundesfinanzministeriums über Entschädigung der überlebten Opfer erfährt man, das die Zahl der Antragsteller 1956-2006 für Wiedergutmachung bezieht sich auf 4.384.138 Personen und dabei wurden 1.246.571 Anträge abgelehnt.

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Ich hab diesen Hinweis auf diese Report-Sendung erst jetzt gelesen. Ob die Fakten mittlerweile anders sind, weiß ich nicht. Aber die Sendung gibt zu denken.

wenn das mal kein Desaster für die bayerischen Chefankläger wird. Die Untersuchungsmethoden des bayerischen LKA werden zerrissen - und zwar von nicht Geringeren als den Spezialisten des BKA.

Ob man unter diesen Umständen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten überhaupt hätte anklagen dürfen, bezweifel ich doch sehr. Die bayerische Staatsanwaltschaft hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Bei solchen Diskrepanzen zum BKA hätten die Bayern doch zumindest dem LKA auf die Finger schauen müssen und die Anwendung moderner Untersuchungsmethoden fordern müssen. Fehlen diese modernen Methoden - Herr Winkler hat dem nicht widersprochen - so darf man doch nicht anklagen in der Hoffnung, das Gericht wird die Fehler hoffentlich nicht bemerken.

Gespann bin ich auf den Prozess, wenn dann von der Verteidigung die Experten des BKA aufgeboten werden (auch wenn die in Pension sind - ganz blöd sind die Alten nun auch wieder nicht). Dem LKA dürfte bei diesem Duell dann Hören und Sehen vergehen. Leider geht das Spielchen auf Kosten des Herrn Demjanjuk.

http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=4796238/1x1fp1s/index.html

O-Ton, Wolfgang Steinke, ehem. Chef Kriminaltechnisches Institut des BKA:

»Es geht mir doch nicht darum, einen NS-Schergen zu schützen. Es geht doch darum, dass ein ordentlich geregeltes rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt wird. Und dazu muss man dann auch Dokumente vorlegen, von denen man nach wissenschaftlichen Methoden weiß, dass sie echt sind.«

Halten wir fest: Die Beweiskraft des wichtigsten Dokumentes im bevorstehenden Demjanjuk-Prozess wird von namhaften Experten massiv angezweifelt. Mit diesen Aussagen haben wir die Staatsanwaltschaft konfrontiert.

O-Ton, Anton E. Winkler, Oberstaatsanwalt München:

»Ich muss mich auf die Begutachtung des Landeskriminalamtes verlassen. Wie gesagt, letztlich entscheidet das Gericht, ob dieses Gutachten ausreichend ist, ob es die Echtheit des Dienstausweises feststellt oder nicht. Alle Spekulationen, die von anderen Seiten kommen, sind nicht entscheidend.«

Das Schwurgericht des Landgerichts München II hat nunmehr die Anklage gegen John Demjanuk zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen im nationalsozialistischen Vernichtungslager Sobibor zur Last. Die Hauptverhandlung soll voraussichtlich Anfang November beginnen.

Demjanuk sitzt in München in Untersuchungshaft durch. Das Schwurgericht hat die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Zentrales Beweismittel der Staatsanwaltschaft ist ein Dienstausweis, auf dem vermerkt ist, dass Demjanuk Ende März 1943 als Wachmann nach Sobibor abkommandiert wurde. Nach dem Gutachten des bayerischen Landeskriminalamts ist der Dienstausweis authentisch.

Nachdem was wir bislang über die Presse bekannt geworden ist, scheint die Beweisführung gleichwohl nicht einfach zu sein.

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