NRW und Hamburg: Die Gerichtssprache ist: ... auch ENGLISCH

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 15.01.2010

Vertragssprache/Rechtswahl/Gerichtsstand bei internationalen Verträgen: Deutsch/deutsches Recht/Deutschland? No thanks!

Wer in internationalen Rechtsverkehr tätig ist (im IT-Recht nicht zu vermeiden), kann sich der Erkenntnis nicht entziehen, dass das deutsche Recht ein echter "Ladenhüter" und die deutsche Sprache ein "No-Go" ist (Verträge mit Österreich und der Schweiz einmal ausgenommen). Englisch ist die Verkehrssprache. Was den deutschen Juristen / die deutsche Juristin in die Lage bringt, Verträge in Englisch abzufassen und verhandeln müssen. Unterliegt der Vertrag dann auch dem Recht des anderen Staates, so enden Beratungskompetenz und meist auch der Versicherungsschutz.

Ganz allmählich dämmert es so manchem hierzulande, dass die fehlende Popularität des deutschen Rechts strategische und wirtschaftliche Nachteile bei internationalen Transaktionen mit sich bringt - und das, obwohl Deutschland Export(vize)weltmeister ist. So wurde bereits vor einiger Zeit das "Bündnis für das Deutsche Recht" ins Leben gerufen. Dazu gibt es eine schöne Broschüre "Law - Made in Germany", die man seinem ausländischen Partner am Verhandlungstisch überreichen kann. Ob dieser sich deshalb dann aber eher auf eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts einläßt?

Eine interessante Meldung fand sich aber kürzlich bei FAZ.NET: Wirtschaftsprozesse sollen in Deutschland künftig in englischer Sprache geführt werden können. Die Justizministerin von Nordrhein-Westfalen und der Justizsenator von Hamburg beabsichtigen nach Informationen der FAZ, den Justizstandort Deutschland zu stärken und eine entsprechende Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes anzustossen. Lukrative Wirtschaftsprozesse sollen so weg von den ausländischen Gerichten und internationalen Schiedsgerichten hin zu den deutschen Zivilgerichten gezogen werden. 

Und für heute (15.01.2010) haben der Präsident der Rechtsanwaltskammer Köln und der Präsident des OLG Köln zu einem Pressegespräch eingeladen, bei dem ein Projekt vorgestellt wird, wonach Prozessparteien auf Wunsch auf Englisch verhandeln können. Laut Pressemitteilung haben die Landgerichte Köln, Bonn und Aachen sowie das OLG Köln seit dem 01.01.2010 bereits entsprechende Kammern bzw. einen Senat eingerichtet.

Wer zu dem Thema einen kleinen Crash-Kurs absolvieren will, dem sei Heft 01/2010 des Anwaltsblatts empfohlen: Lesenswert hier Kötz, Deutsches Recht und Common Law im Wettbewerb, AnwBl 2010, 1 und Maier-Reimer, Englische Vertragssprache bei Geltung deutschen Rechts, AnwBl 2010, 13. 

 

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3 Kommentare

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Es ist nahezu unglaublich, auf welch abwegige und PR-gesteuerte Ideen Menschen kommen können, so auch hier, eine gänzlich andere als die Landessprache vor Gericht anzuwenden; wir sind doch nicht im Kaspertheater! Man sollte international langsam mal besser die Vorzüge deutschen Rechts kommunizieren, sonst leidet die Welt bald gänzlich am common law.

Lesenswert in der FAZ auch der Kommentar:

"Herr Schwärzel, Ihre Ansicht, dass unser Rechtssystem sich behaupten wird.... Jeder darf seine Meinung haben, aber das ist Unsinn.

Unser Rechtsystem ist sehr technisch, sehr intellektuell, und deshalb technisch sehr befriedigend. Das hat nicht verhindert, dass technisch minderwertige, weil in keiner Weise strukturierte, abstrahierte oder in ihren Konsequenzen vorhersehbare Rechtssysteme wie das Common Law das Wirtschaftsrecht beherrschen, ganz im Gegenteil.

Jeder der als Neuling sich eine fremde Rechtsordnung aneignen muss, kämpft damit. Aber das Common Law mit seinem Geschichtenerzählcharakter ist schneller zu kapieren, zumindest scheint dies so. Dass der höhere Abstrationsgrad des deutschen Rechtes eine Stärke ist versteht man erst später.

Wers nicht glaubt sollte mal beobachten, wie ein deutscher Anwalt auf 3 Seiten eines Vertrages regelt, wofür Amerikaner 120 Seiten und einen Rechtsberaterstab (und die entsprechende Fee Note) benötigen.

Mit Englisch als Gerichttsprache öffnen wir dem Common Law in Deutschland Tür und Tor, vernichten unser besseres Rechtssystem und lassen unsere eigene Juristen von Ausländern oder ausländisch Ausgebildeten verdrängen.

Ich bin Jurist, habe in England und Deutschland gearbeitet."

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Ich könnte mir hier in Washington schecht vorstellen, dass vor US Gerichten oder Behörden in Deutsch verhandelt wird. Mögllich ist die Verhandlung in der Muttersprache auf dem Gebiet einiger Indianerreservate. Ob da auch in Deutsch parliert wird, weiss ich nicht :-)

Spass beiseite, ein Grund, warum angloamerikanische Verträge so ermüdend lang (oder euphemistisch gesagt, Kunstwerke sprachlicher Präzision) sind, ist, dass nach dem Common Law die Vertragsverheit und die Auslegung nach dem Wortlaut einen sehr hohen Rang hat -- die Parteien wollen halt für alle Eventualitäten, insb. bei potentieller Verweisung in ein anderes Rechtssystem (wie das deutsche), vorbeugen. In Deutschland galt übrigens einige Jahhunderte römisches order französisches Recht.

Leider ist die Initiatve, das deutsche Rechtssystem im osteuropäischen Ausland zu etablieren, ja ziemlich im Sande verlaufen. Das finde ich sehr schade.

Das als Grund für die Einführung der englischen Sprache genannte
Anwendungsbeispiel ist ziemlich abwegig:

Da wird angeführt, es gebe Vertragspartner, die einerseits nicht in der
Lage seien, ihr Vertragsverhältnis in deutscher Sprache abzuwickeln.
Diese sollen aber andererseits deutsches Recht anwenden wollen,
obwohl sie gerade die diesem Recht zu Grunde liegende Sprache doch vermeiden
wollen. Dabei müsste jeder wissen, dass man für eine vernünftige
Prüfung nicht auf Sekundärquellen zugreift, sondern Primärquellen
anwendet und damit deutsche Gesetze auch in der Gesetzessprache
lesen und verstehen muss.

Die Ungereimtheiten enden hier jedoch nicht. Es soll sich dabei natürlich um
international tätige Parteien handeln. Wieso gerade diese regelmäßig finanzstarken
und von multilingual bestückten Großkanzleien betreuten Parteien, die
Anwendung deutschen Rechts an der deutschen Gerichtssprache scheitern lassen sollen,
ist nicht ersichtlich.Da ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens.

Auch das Ergebnis mag man sich einmal plastisch vorstellen: Da soll angeblich eine
Notwendigkeit dafür bestehen, dass deutsche Richter in englischer Sprache über Verträge
verhandeln, die in englischer Sprache vorliegen, aber angeblich deutsche Gesetze zu
Grunde legen, die sie wiederum ins englische übersetzen müssen. Das könnte einer
Erzählung Kafkas entsprungen sein.

Ebenso darf die Qualifikation zur Führung einer deutschen Verhandlung
in englischer Sprache bei den Richtern bezweifelt werden. Englische Gerichtssprache
zu kennen reicht dafür ebenso wenig aus, wie ein LLM von irgendeiner anglo-amerikanischen
LAW-School. Denn weder ist die englische Gerichtssprache auf das anzuwendende
deutsche Recht abgestimmt noch ist die notwendige Fertigkeit in der Konversation
und dem Verständnis einer ganzen Verhandlung gesichert. Dass dies nicht pauschal unterstellt
werden kann, dürfte jedem klar sein, der schon einmal die Lücken und falschübersetzungen
bei der Anwendung von geprüften Gerichtsdolmetschern in der Praxis erleben durfte.

Wer außerdem schon einmal die Abneigung deutscher Richter hinsichtlich der Anwendung
ausländischen Rechts im Rahmen von IPR-bezogenen Verfahren erlebt hat, und wer außerdem
die englischen Sprachkenntnisse Westerwelles oder Öttingers bewundern durfte (die für sich
in Anspruch nehmen, des englischen mächtig zu sein) der kann sich vorstellen, dass dabei
im Ergebnis nichts gutes herauskommen wird.

Die Einführung von Abteilungen bei den Gerichten in NRW, die Prozesse in der englischen
Gerichtssprache abwickeln sollen, ist daher ein wenig sinnvolles Windei, für das unnötig
Gelder verschwendet werden.

RA Wiesel

(http://www.ra-wiesel.de)

 

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