Lohn-Trickserei in der Gebäudereinigung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.03.2010

Die Gewerkschaft IG Bau schlägt Alarm (vgl. Pressemitteilung im Internet; hierzu auch ein Beitrag in Spiegel-Online vom 1.3.2010): Ein Großteil der bundesweit rund 860.000 Reinigungskräfte bekomme einen zu geringen Lohn. "Etliche Unternehmen der Gebäudereinigungsbranche spielen bei der Lohnauszahlung mit gezinkten Karten. Sie ziehen Gebäudereinigerinnen und Fensterputzer regelrecht über den Tisch", sagt Frank Wynands vom IG-Bau-Bundesvorstand. Im Herbst vergangenen Jahres hatte es nach zähem Ringen einen Tarifabschluß in dieser Branche gegeben, wonach die Gebäudereiniger einen Lohnzuwachs von 3,1 % im Westen und und 3,8 % im Osten erhalten sollten. Diese Lohnerhöhung wird offenbar in weiten der Teilen der Branche nicht an die Arbeitnehmer weitergegeben. Wynands wirft einem Großteil der Betriebe vor, die getroffene Tarifvereinbarung "in einer bisher nicht gekannten Unverfrorenheit" zu ignorieren. Zu den schwarzen Schafen zähle auch der bundesweit agierende Branchen-Riese Piepenbrock. Dieses Unternehmen hat sich zwischenzeitlich zu den erhobenen Vorwürfen geäußert (vgl. Pressemitteilung im Internet). „Über die aktuellen Aussagen der IG BAU sind wir sehr erstaunt“, so Arnulf Piepenbrock, Geschäftsführender Gesellschafter der Piepenbrock Unternehmensgruppe. Bereits vor dem Inkrafttreten der Lohnerhöhung zum 1.1.2010 habe man eine entsprechende Auflistung aller Mitarbeiter von Piepenbrock, die in der IG BAU organisiert sind, angefordert, darauf jedoch keine Antwort erhalten. Aufgrund der noch fehlenden Allgemeinverbindlichkeit hätten nur Mitglieder der IG BAU Anspruch auf die Lohnerhöhung. Selbstverständlich werde Piepenbrock die Lohnerhöhungen (rückwirkend) zahlen. Diese ungewöhnliche Praxis, deren Fortführung angesichts des geringen Organisationsgrades in der Gebäudereinigungsbranche eine erhebliche Kostenentlastung zur Folge hätte, wirft ein Schlaglicht auf den Druck, unter dem die Branche steht. Auch sie bekommt die Folgen der Wirtschaftskrise zu spüren. Auch von  massiven Leistungsverdichtungen ist die Rede. Das von der Gewerkschaft kritisierte "Unterlaufen" des Tariflohns könnte allerdings für die untersten Lohnklassen bald ein Ende finden. Denn seit dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages liegt dem Bundesarbeitsministerium der Antrag vor, den Abschluss zum branchenweit verbindlichen Mindestlohn zu erklären. Mit dem Erlass der entsprechenden Rechtsverordnung wird noch im März gerechnet (vgl. auch die Pressemitteilung des BMAS vom 11.2.2010).

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Es ist nunmal die Rechtslage, dass ein Tarifvertrag nur zwischen den Vertragsparteien gilt, d.h. zwischen den Arbeitgebern im entsprechenden Verband und den Gewerkschaftsmitgliedern. (Es sei denn, einzelvertraglich wurde die Anwendbarkeit des Tarifvertrags festgelegt.)

Ob man sich allerdings auf Arbeitgeberseite auf Dauer einen Gefallen tut, wenn man es den Arbeitnehmern auf diese Art und Weise nahelegt, sich doch gewerkschaftlich zu organisieren, steht auf einem anderen Blatt.

Mich wundert allerdings, dass die Gewerkschaft den Hinweis, dass man den Erhöhungsanspruch nur als Mitglied hat, nicht deutlich prominenter und mit Hinweis auf das Beitrittsformular gesetzt hat.

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