Altbekanntes, aber zur nochmaligen Warnung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 03.06.2010

Der Kläger, ein Polizeibeamter, ist der Vater der Beklagten. Seine Ehe mit der Kindesmutter wurde nach Trennung im September 2003 im September 2006 rechtskräftig geschieden. Mit Versäumnisurteil vom 7. Februar 2005 war der Kläger verurteilt worden, an die vier Kinder Unterhalt in Höhe von jeweils 100 % des jeweiligen Regelbetrags nach der damaligen Regelbetragverordnung zu zahlen. In der Klageschrift waren die Nettoeinkünfte des Klägers mit monatlich 2.255 € beziffert worden.

Tatsächlich hatte sich das Nettoeinkommen des Klägers nach Wegfall des Verheiratetenzuschlags und des Splittingvorteils bereits im Jahre 2004 auf lediglich1.834,82 € monatlich belaufen. Mit Beginn des Jahres 2005 war auch der Ortszuschlag für die Kinder in Höhe von monatlich 355,12 € brutto entfallen. Das durchschnittliche Nettoeinkommen hatte sodann im Jahre 2005 monatlich 1.523,77 € betragen. Gegen das ihm am 10. Februar 2005 zugestellte Versäumnisurteil hatte der Kläger keinen Einspruch eingelegt.

Sein durchschnittliches Nettomonatseinkommen, auf das er sein Abänderungsbegehren stützt, betrug im Jahre 2007 monatlich 1.559,94 €.

Amts- und Oberlandesgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos

Nach der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 323 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 238 FamFG) kann von jeder Partei die Abänderung eines Urteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beantragt werden, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Damit ermöglicht § 323 ZPO eine Durchbrechung der Rechtskraft, die geboten ist, wenn sich die Prognose der Umstände, auf denen das Urteil auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beruht, nachträglich als unzutreffend erweist. Aus der Zielsetzung des § 323 Abs. 1 ZPO, nämlich nur unvorhersehbare Veränderungen der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nachträglich berücksichtigen zu können, ergeben sich zugleich die Grenzen für die Durchbrechung der bestehenden Rechtskraft. Die sich aus der Rechtskraft ergebende Bindungswirkung des Ersturteils darf deswegen auf eine Abänderungsklage hin nur insoweit beseitigt werden, als das Ersturteil auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben (Senatsurteil BGHZ 171, 206 = FamRZ 2007, 793 - Tz. 36).

Die Abänderungsklage kann deswegen nach § 323 Abs. 2 ZPO auch nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht mehr möglich ist oder war. Für eine Tatsachenpräklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO kommt es also in erster Linie darauf an, ob die geltend gemachten Abänderungsgründe nach der letzten Tatsachenverhandlung entstanden sind. Auch wenn eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vorliegt, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 15. November 1995 - XII ZR 231/94 - FamRZ 1996, 345; vgl. jetzt auch § 323 Abs. 4 ZPO).

Ist das abzuändernde Urteil ein Versäumnisurteil, scheidet eine Abänderung nach § 323 Abs. 2 ZPO schon dann aus, wenn die Gründe noch durch Einspruch gegen das Versäumnisurteil geltend gemacht werden konnten.

BGH vom  12.05.2010 - XII ZR 98/08

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7 Kommentare

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Ja

Der Mann hat 2 Fehler gemacht.

  1. Er hätte kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen dürfen.
  2. Gegen das Versäumnisurteil hätte er Einspruch einlegen müssen.

Da er das nicht getan hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden.

Das Abänderungsverfahre nach § 238 FamFG (früher § 323 ZPO) dient nicht der Korrektur tatsächlich oder vermeintlich falscher Entscheidungen, sondern macht es (nur) möglich, nachträglich eintretende Entwicklungen zu berücksichtigen

Abtauchen ist angesagt.

Rate zur Auswanderung für ein Jahr in ein Land, mit dem kein Vollstreckungsabkommen besteht und das keine Meldepflicht hat.

Danach könnte man wieder einwandern, man sollte sich allerdings woanders als vorher niederlassen und auch Bekannten keine Grüße schicken.

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Hallo Herr Burschel

Ich bin selbst Polizeibeamter, geschieden und unterhaltsverpflichtet ...

Ich überlege, in welchem Bundesland der Kollege beschäfigt ist ? Wenn er vier Kinder hat, dürfte er (muss nicht) eigentlich schon etwas älter sein. Welchen Besoldungsstufe und welche Dienstaltersstufe hat er denn, wenn sein Einkommen nicht höher ist, als o. genannt ?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Familienzuschlag für die Kinder, für die er Unterhalt zahlen muss und für die noch Kindergeld gezahlt wird, von der Besoldungsstelle weiter gezahlt wird. In dieser Frage dürfte es auch keine Unterschiede von Dienstherr zu Dienstherr geben.

Daneben stellt sich natürlich die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt die Gehaltsnachweise vorgelegt hat, die zu diesem Urteil führten. Er hätte doch eigentlich nach der Trennung (und seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung ?) recht zügig in die St.-Klasse I eingruppiert werden müssen, so dass bis zum Februar 2005 bzw. bis zum Urteil in diesem Verfahren eine aktuelle Gehaltsbescheinigung mit den niedrigeren Nettoeinkünften vorgelegen haben müsste.

 

 

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Sehr geehrter Herr Norbert,

Vorinstanzen waren das OLG Schleswig und das AG Mölln. Einen sicheren Schluss auf den Dienstherrn lässt das indes nicht zu, da zuständig das Gericht am Wohnort der Kinder ist. (Vielleicht sind die von Meck-Pomm nach Schleswig-Holstein verzogen) Dienstgrad und Altersstufe teilt der BGH nicht mit.

Verdienstbescheinigungen mussten die Kläger nicht vorlegen. Es genügt,  das Einkommen des Beklagten zu behaupten. Wenn der Beklagte sich dann - wie anscheinend hier - nicht wehrt, wird im ziviprozessualen Verfahren die Behauptung der Gegenseite als wahr unterstellt, sie gilt als zugestanden.

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