BGH klärt Streitfrage um Gebührenanrechnung bei einem Prozessvergleich

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 30.12.2010

Eine der „Kinderkrankheiten“  bei der Anwendung des § 15a RVG ist die unter den Oberlandesgerichten umstrittene Frage, ob eine außergerichtlich entstandene und im Rechtsstreit geltend gemachte Geschäftsgebühr nach einem Prozessvergleich im Kostenfestsetzungsverfahren durch hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr zu berücksichtigen ist, wenn der Prozessvergleich keine ausdrückliche Regelung darüber enthält, ob mit dem Vergleich die Geschäftsgebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten wird. Im Beschluss vom 07.12.2010 – VI ZB 45/10  - hat der BGH sich insoweit der zutreffenden und von den Oberlandesgerichten überwiegend vertretenden Auffassung angeschlossen, dass in einem solchen Fall eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu erfolgen hat. Die ebenfalls höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, was unter demselben Verfahren im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG zu verstehen ist, ließ der BGH zwar offen, hierauf kam es bei seiner Entscheidung auch nicht an, denn für eine Anrechnung war mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich kein Raum. Für die Praxis bedeute dies, dass dann, wenn eine Berücksichtigung der außergerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren sicher stattfinden soll, in den Prozessvergleich eine ausdrückliche Regelung darüber aufgenommen werden muß, dass durch ihn die Geschäftsgebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten wird.

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Da wird man weiter genau hinschauen müssen, im Einzelfall auf die Vollstreckungsabwehrklage verwiesen und auf den Beschluss des OLG Stuttgart vom 03.08.2010 in 8 W 337/10 stoßend http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=13652  möglicherweise umständlich und im Ergebnis letztlich nicht immer überzeugend nachrechnen müssen.

Wenn ich die Tz. 9 der Entscheidung richtig verstehe, dann soll eine Berücksichtigung der Anrechnung im Kostenfestsetzungsvefahren immer ausscheiden, wenn nicht ausdrücklich ein Betrag genannt ist, der auf die Geschäftsgebühr enfällt. Das überzeugt nicht. Wenn "zur Abgeltung der Klageforderung" eine bestimmte Zahlpflicht eingegangen wird, so ergibt die objektive Auslegung, dass auch die Geschäfsgebühr mit abgegolten sein soll, und zwar in voller Höhe. Einer Bezifferung bedarf es nicht, auch nicht, um feststellen zu können, welcher Betrag "tituliert" oder "erfüllt" ist. Denn es ist bei der genannten Formulierung davon auszugehen, dass die gesamte Geschäftsgebühr tituliert bzw. erfüllt ist. In jedem Vergleich liegt ein potentieller Teilverzicht bzw. ein Vertrag über einen Teilerlass (siehe nur § 779 BGB: "gegenseitiges Nachgeben"). Wenn aber der Kläger dem Beklagten vergleichsweise einen Teil seiner Schuld nach § 397 BGB erlässt, so steht dies der Erfüllung gleich. Immerhin steht der Erlass mit der Erfüllung zusammen im 4. Abschnitt des 2. Buchs des BGB, der die Überschrift trägt: "Erlöschen der Schuldverhältnisse". Mit anderen Worten. Entweder ist also der Erstattungsanspruch tituliert oder er ist durch Erlass erloschen und gilt damit als "erfüllt" i.S.d. § 15a II RVG). In welchem Umfang das eine oder das andere der Fall ist, ist unerheblich für die Frage der Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren.

 

Es überrascht auch immer wieder, wie unterschiedlich die Kompetenzen des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren beurteilt werden. Vor gar nicht allzu langer Zeit meinte der VIII. Zivilsenat noch in seiner inzwischen revidierten Entscheidung zur Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren, der Rechtspfleger habe Beweis zu erheben, ob eine vorprozessuale Geschäftsgebühr entstanden ist.

 

Die Verlagerung eines etwaigen Streits über die Auslegung des Vergleichs in ein Vollstreckungsabwehrklageverfahren ist nicht wünschenswert.

 

Vor allem muss aber auch Folgendes bedacht werden: Wie ein Vergleich auszulegen ist, ist vor allem eine RECHTSFRAGE, die anhand der §§ 133, 157 BGB zu entscheiden ist. Rechtsfragen hat der Rechtspfleger uneingeschränkt zu entscheiden. Da der Vergleich wie jeder andere schriftliche Vertragstext die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat und über die Abgeltung der Geschäftsgebühr in der Regel nicht gesprochen worden ist (sonst hätte man ja gerade eine ausdrückliche Regelung getroffen), werden sich Beweiserhebungen zu der Frage, welche Absprachen jenseits des schriftlich niedergelegten Textes getroffen wurden, in der Regel erübrigen. Ist die Auslegung des protokollierten Vergleichstextes eindeutig (etwa "zur Abgeltung der Klageforderung"), so sind die Glaubhaftmachungshürden für den Kläger für die Tatsache, dass die Geschäftsgebühr entgegen dem "vorgelesenen und genehmigten" Text ganz oder teilweise von der Abgeltung ausgenommen werden sollte, besonders hoch. In der Regel wird ihm die Glaubhaftmachung nicht gelingen.

 

Ich hoffe aber, dass der VI. Zivilsenat sich mit den anderen Zivilsenaten abgestimmt hat und hier nicht der nächste Zwist zwischen den Zivilsenaten des BGH ins Haus steht... wenn doch, dann bitte dieses mal frühzeitig den Großen Senat anrufen! Danke!

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