Kollektivklagen in Europa – nicht mehr nur im Kartellrecht

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 24.01.2012

Am 2. Februar 2012 wird das Europäische Parlament im Plenum über den Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes nicht nur im Kartellrecht befinden. Dies ergibt sich aus dem am  23.01.2012 veröffentlichten endgültigen Entwurf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments.

Das Europäische Parlament wird am 2. Februar 2012 über den Bericht zum Thema "Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten europäischen Ansatz" abstimmen. Zuvor hatte der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments am 20.12.2011 den Bericht einstimmig angenommen.

Der endgültige Bericht war Mitte Januar veröffentlicht worden. Wir hatten über den Entwurf bereits an anderer Stelle berichtet (Der Golem lebt? – Kollektivklagen im Kartellrecht). Der Bericht zu dem Thema "Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten europäischen Ansatz" enthält den Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments. Hierüber hat das Europäische Parlament im Plenum am 02.02.2012 zu befinden. Es hat dabei nicht weniger zu bewerkstelligen als eine Quadratur des Kreises:

  • Das Europäische Parlament soll sich für ein sogenanntes "horizontales Instrument" aussprechen, d.h. für eine nicht lediglich auf das Kartellrecht beschränkte Regelung des kollektiven Rechtsschutzes.
  • Die Einführung soll mit Sicherungsmaßnahmen verbunden sein, die einen Missbrauch des Instruments verhindern.
  • Die einzuführende Kollektivklage soll dem sogenannten Opt-in-Prinzip folgen.
  • Das bedeutet, dass die Bündelung von Individualklagen nur mit vorheriger Zustimmung der einzelnen Geschädigten erfolgen kann.
  • Die Kollektivklage soll durch zuvor zertifizierte Verbände eingereicht werden dürfen.
  • Sie darf nur auf Kompensation, d.h. den Ersatz des tatsächlichen Schadens, gerichtet sein, nicht aber z. B. auf treble damages.
  • Für die Prozesskostentragung soll die aus dem deutschen Recht bekannte Unterliegensregelung ("loser pays"-Reglung) gelten.
  • Erfolgshonorare sollen nicht Bestandteil des sogenannten "horizontalen Instruments sein".
  • Eine Finanzierung durch Dritte soll ausgeschlossen sein.

Das Europäische Parlament soll nach dem Entschließungsantrag darauf beharren, dass es bei jeder Initiative im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes einbezogen werden muss.

Wir hatten schon an anderer Stelle dargelegt, dass sich bei Einhaltung sämtlicher dieser Vorgaben kein tragfähiges Konzept ergeben kann. Ein solches "horizontales Instrument" wird ein Papiertiger sein und kein Frankenstein-Monster (nach Miller, Of Frankenstein Monsters and Shining Knights: Myth, Reality, and the „Class Action Problem, 92 Harv. L.R. 664 (1979)).

Die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission setzt demgegenüber weiterhin auf ein spezifisch kartellrechtliches Instrument des kollektiven Rechtsschutzes. Wir hatten hierüber berichtet. Es bleibt abzuwarten, wer, Europäisches Parlament, oder Generaldirektion Wettbewerb, sich am Ende mit welchem Instrument durchsetzen werden. Auf den am Ende der Vorüberlegungen stehenden konkreten Entwurf einer Regelung darf man gespannt sein.

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