Volkstümliche Irrtümer im Familienrecht (XVIII)
von , veröffentlicht am 20.09.2012Wenn ich das Erbe ausschlage, muss ich die Beerdigung meiner Eltern nicht bezahlen.
Weitgefehlt:
§ 8 des Nds Bestattungsgesetzes lautet:
(3) Für die Bestattung der verstorbenen Person haben in folgender Rangfolge zu sorgen:
- die Ehegattin oder der Ehegatte oder die eingetragene Lebenspartnerin oder der eingetragene Lebenspartner,
- die Kinder,
- die Enkelkinder,
- die Eltern,
- die Großeltern und
- die Geschwister.
(4) 1Sorgt niemand für die Bestattung, so hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen. 2Die nach Absatz 3 vorrangig Bestattungspflichtigen haften der Gemeinde als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten
Die Bestattungsgesetze der anderen Länder dürften ähnlich sein.
Die Bestattungspflicht der Kinder entfällt weder dadurch, dass diese das Erbe ausschlagen, noch dadurch dass dem Elternteil zu Lebzeiten anlässlich von Trennung oder Scheidung das Sorgerecht nach § 1671 BGB entzogen worden ist.
Nur eine Sorgerechtsentziehung nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung kann zum Erlöschen der Bestattungspflicht führen, da ein solcher Sorgerechtsentzug ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Eltern und eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls voraussetzt, wodurch das Eltern-Kind-Verhältnis beiderseits grundlegend zerstört ist.
Jüngst hierzu VG Hannover v. 05.09.2012 - 5 A 1368/11, wo streitig war, ob 1972 eine im Rahmen der Scheidung seinerzeit zwingend vorgesehene Sorgerechtsübertragung oder ein Sorgerechtsentzug nach § 1666 vorlag.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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9 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenMartin Bender kommentiert am Permanenter Link
Dazu "a maiore ad minus": Wenn das Erbe nicht ausgeschlagen wird, könnte man als kostenpflichtiger Angehöriger an die Beschränkung der Erbenhaftung (§§ 1900 ff. BGB) denken. Aber auch dieser Zahn ist öffentlich-rechtlich schon gezogen. Unser VGH Baden-Württemberg hier in Mannheim entschied mit Urteil vom 05.12.1996 (Az.: 1 S 1366/96): Solche erbrechtlichen Erwägungen nützen dem nach Bestattungsrecht für die Kosten der Totenfürsorge Herangezogenen nichts.
rasmus kommentiert am Permanenter Link
Auch nach dem Zivilrecht haben Erben oder Unterhaltspflichtige (wenn beim Erben nichts zu holen ist)die Bestattungskosten zu tragen, egal ob es überhaupt etwas zu erben gab. Das Ausschlagen der Erbschaft kann aber auch für die im Zweifel unterhaltspflichtigen Kinder dann hilfreich sein, wenn irgendjemand in der weiteren Erbfolge die Erbschaft nicht ausschlägt, denn dann muss der die Kosten am Ende tragen.
@ Bender: Die Beschränkung der Erbenhaftung ist schon vom Ansatz her ungeeignet, weil nach § 1968 BGB nicht der Nachlass, sondern der Erbe die Kosten zu tragen hat.
Andreas kommentiert am Permanenter Link
@ rasmus
Das habe ich auch einmal gedacht, bis die Klageerwiderung mit der Erhebung der Dürftigkeitseinrede kam. Die Dürftigkeitseinrede war dann aber in der Sache unbegründet... das erste Nachlesen der in der Klageerwiderung zitierten Fundstellen hat mir aber schon erstmal einen Schock versetzt...
-> In unbekannten Rechtsgebieten muss man ganz penibel recherchieren!!!
Andreas kommentiert am Permanenter Link
By the way: Im Ref kam mal ein Fall dran, wo sich ein Dritter die Bestattungskosten von dem nach Bestattungsgesetz öffentlich-rechtlich Verpflichteten nach GoA geholt hat!!!
Zur Vollständigkeit noch einen: Auch dem Unterhaltsverpflichteten kann man wegen der Beerdigungskosten noch in die Tasche greifen (§ 1615 Abs. 2 BGB).
Zusammenfassung:
§ 1968 BGB: Totenfürsorgeberechtigter gegen Erben
§ 1615 BGB: Totenfürsorgeberechtigter gegen Unterhaltsverpflichteten
§§ 683, 697 BGB: Geschäftsführer gegen nach öff-recht Bestattungspflichtigen
Andreas kommentiert am Permanenter Link
Zu allerletzt natürlich noch:
§ 8 Abs. 4 Nds. BestG: Gemeinde gegen Bestattungspflichtigen
suefee kommentiert am Permanenter Link
ist man als Kind zur Zahlung der Kosten entbunden, wenn der Ehepartner der verstorbenen noch lebt und zur Zahlung der Beerdigungskosten durch den Bezug einer LVS in der Lage ist?
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
@suefee
das niedersächsische Bestattungsgesetz stellt ausdrücklich eine Reihenfolge auf.
Der Ehepartner haftet vor den Kindern
suefee kommentiert am Permanenter Link
vielen Dank für die rasche Antwort ... und das niedersächsische Bestattungsgesetz gilt für alle Bundesländer?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
In anderen BL gibt es ähnliche Regelungen, die aber im Detail abweichen können. So heißt es etwa in Bayern (nach VO zur Durchführung des Bestattungsgesetzes):
der Ehegatte,
die Kinder und Adoptivkinder,
die Eltern; bei Adoption jedoch die Adoptiveltern vor den Eltern,
die Großeltern,
die Enkelkinder,
die Geschwister,
die Kinder der Geschwister des Verstorbenen und
die Verschwägerten ersten Grades,