LAG Baden-Württemberg: Scheinwerkvertrag und AÜG-Erlaubnis

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.12.2014

Das LAG Baden-Württemberg hat der Klage eines Entwicklungsingenieurs stattgegeben, der festgestellt wissen wollte, dass zwischen ihm und dem beklagten Unternehmen ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger war bei verschiedenen Drittunternehmen angestellt, mit denen die Beklagte Werkverträge abgeschlossen hatte. Diese Unternehmen verfügten auch über eine Erlaubnis nach demn AÜG. Der Kläger wurde jedoch nicht als Leiharbeitnehmer, sondern im Rahmen der Werkverträge bei der Beklagten eingesetzt. Das LAG Baden-Württemberg hat diese Werkverträge als "Scheinverträge" gewertet und eine "Fallschirmlösung" - also ein hilfsweises Berufen auf die erlaubte Arbeitnehmerüberlassung - abgelehnt. Der Pressemitteilung des LAG ist allerdings nicht zu entnehmen, auf welcher Rechtsgrundlage der Klage stattgegeben wurde. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG dürfte kaum in Betracht kommen, da (1.) der Kläger gar nicht als Leiharbeitnehmer, sondern auf werkvertraglicher Basis bei der Beklagten eingesetzt war und (2.) die Werkunternehmer über eine AÜG-Erlaubnis verfügten.

Aus der Pressemitteilung des LAG Baden-Württemberg:

(Der Kläger) wurde bei der beklagten Firma EvoBus GmbH in Mannheim seit 20.05.2011 durchgehend in derselben Abteilung auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt. Angestellt war er nacheinander bei drei verschiedenen Drittfirmen. Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten erfolgte in Erfüllung sogenannter Rahmenwerkverträge zwischen den Drittfirmen und der Beklagten. Nach den gerichtlichen Feststellungen war der Kläger jedoch voll betrieblich eingegliedert und unterstand im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeitsleistungen dem Weisungsrecht der Beklagten, was trotz gegenteiliger vertraglicher Bezeichnungen bewusst so gewollt war. Dem Kläger, der wegen dieses bloßen "Scheinwerkvertragsverhältnisses" die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend machte, wurde von der Beklagten entgegengehalten, dass alle drei Drittunternehmen über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügten. Dass der Einsatz des Klägers bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung hätte erfolgen sollen oder können, wurde jedoch weder im Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und den Drittunternehmen, noch in den Werkverträgen zwischen den Drittunternehmen und der Beklagten transparent gemacht.

Das Landesarbeitsgericht hat, anders als die Vorinstanz, entschieden, dass es ein widersprüchliches Verhalten sowohl der Drittfirmen als auch der Beklagten darstelle, sich nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Verleiher und Entleiher haben sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. Da sich die Verleiher nicht auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürfen, ist der Arbeitsvertrag zwischen den Drittunternehmen und dem Kläger nichtig. Es gilt vielmehr ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten als zustande gekommen.

LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 3.12.2014 - 4 Sa 41/14

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13 Kommentare

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Wie wäre es mit §§ 613 und 611 BGB?

Dass die "Fallschirmlösung" abgelehnt wurde, ist konsequent.

§ 613 BGB ist eine bloße Auslegungsregel, keine Anspruchsgrundlage. § 611 BGB räumt zwar Ansprüche ein, aber nur aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis (nämlich auf das Arbeitsentgelt bzw. die Arbeitsleistung), nicht auf ein solches. Dafür braucht es entweder eine vertragliche Einigung oder eine diese ersetzende gesetzliche Norm. 1) Für eine vertragliche Einigung bedürfte es außer der (unproblematischen) Willenserklärung des Arbeitnehmers auch eine solche der Beklagten. Ausdrücklich ist sie sicher nicht abgegeben worden, konkludent angesichts des mitgeteilten Sachverhalts wohl auch nicht. Selbst wenn man die Beklagte aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) für verpflichtet hielte, dem Kläger ein Vertragsangebot zu machen, hätte seine Klage keinen Erfolg gehabt: Denn er hat keine Leistungsklage, gerichtet auf die Abgabe einer Willenserklärung, sondern eine Feststellungsklage erhoben. Und für deren Erfolg muss das Rechtsverhältnis (Arbeitsverhältnis) bereits bestehen, nicht erst begründet werden. 2) Als gesetzliche Regelung sehe ich allein § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, der aber hier gleich doppelt scheitert: Erstens, der Kläger nicht im Rahmen eines AÜG-Vertrages, sondern eines Werkvertrages bei der Beklagten eingesetzt war, und zweitens, weil seine Vertragsarbeitgeberinnen (die Fremdfirmen) über eine AÜG-Erlaubnis verfügten. Über das erste Tatbestandsmerkmal kommt man vielleicht noch im Wege der Analogie hinweg, aber auch über das zweite?

Christian.Rolfs schrieb:
Für eine vertragliche Einigung bedürfte es außer der (unproblematischen) Willenserklärung des Arbeitnehmers auch eine solche der Beklagten. Ausdrücklich ist sie sicher nicht abgegeben worden, konkludent angesichts des mitgeteilten Sachverhalts wohl auch nicht.
Wie kommen Sie denn darauf? Ich lese in der PM:

Nach den gerichtlichen Feststellungen war der Kläger jedoch voll betrieblich eingegliedert und unterstand im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeitsleistungen dem Weisungsrecht der Beklagten.

Wenn das kein konkludentes Handeln ist in Bezug darauf, die Arbeitsleistung des Klägers für den eigenen Betrieb nutzen zu wollen, was dann?

Insofern ist eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung nicht notwendig, diese wurde rechtskräftig abgegeben - § 116 BGB - und durch die erbrachte Arbeitsleistung auch angenommen.

Als Rechtsgrundlage käme somit § 145 BGB - Bindung an den Antrag - und insbesondere § 117 (2) BGB - es gelten die Vorschriften für das vom Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft - in Betracht. Dass das LAG die Rahmenwerkverträge als Scheingeschäft ansieht, haben Sie ja selbst geschrieben.

Es geht ja - und diesen Fehler machen die Kommentatoren, die die Fallschirmlösung für gerechtfertigt halten - nicht um das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und den Drittfirmen oder dem Arbeitgeber/Schein-Auftraggeber und den Drittfirmen, sondern um das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Auftraggeber der Schein-Werkverträge). Der Auftraggeber hat durch die den Bestimmungen in den Rahmenwerkverträgen widersprechende Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses klargemacht, dass diese Rahmenwerkverträge Scheingeschäfte sind, die ein echtes, direktes Arbeitsverhältnis umgehen sollen. Damit ist es völlig unbeachtlich, ob eine Drittfirma eine AÜ-Genehmigung hat oder nicht.

Ergänzung: die Ansicht, das durch das Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft sei Arbeitnehmerüberlassung gewesen, greift deswegen nicht, da der Arbeitgeber 1. einen Bedarf nicht nur vorübergehend gedeckt hat und 2. denselben Arbeitnehmer über drei verschiedene Scheinkonstruktionen beschäftigt hat.

Finde Urteil auch eher überraschend - gut zwei Wochen später schlug das Pendel in Stuttgart in die andere Richtung aus:

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Urteil vom 18. Dezember 2014  - 3 Sa 33/14 -

Aus der Pressemitteilung:

Das Landesarbeitsgericht hat wie die Vorinstanz entschieden, dass zwischen den Parteien aus Rechtsgründen kein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Es hat unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Rechtsfolgen einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung darauf erkannt, dass die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien an dem Umstand scheitert, dass die Firma MB-Tech im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist. Eine analoge Anwendung des § 10 AÜG scheidet aus, da die Voraussetzungen für einen Analogieschluss nicht gegeben sind. Auch aus § 242 BGB lässt sich die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge nicht herleiten.

0

Können die Arbeitnehmer der Scheinleiharbeitsfirma eigentlich gegen die Arbeitsagentur klagen, falls diese die Erlaubnis nach §1 AÜG verlängert oder den Geschäftsführern unter einer anderen Tarnfirma neu erteilt?

Schließlich liegen eindeutig

Tatsachen [vor], die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die [...] erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer

nicht eingehalten hat (§ 3 (1) 1. AÜG). Sollten mehrere Arbeitnehmer mittels solcher Scheinwerkverträge eingesetzt worden sein, liegt auch gewerbsmäßige Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug vor.

Mich würde mal interessieren, ob eine AÜ zum Vertragsabschluss vorhanden sein muss. Was ist wenn diese bei Vertragsabschluss nicht vorhanden war? Sie wird Jahre später "nachgeschoben". Macht das automatisch aus "unrecht" - "recht"?

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Der Volltext von 4 Sa 41/14 liegt nunmehr vor. Auszüge:

Entgegen der Auffassung des Klägers in der Berufung ist zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis durch Vertragsschluss nicht begründet worden.

Auch ein konkludenter Vertragsschluss liegt nicht vor.

Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde entgegen der Auffassung des Klägers auch über §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht deshalb begründet, weil ein wirksames Überlassungsverhältnis zwischen der Beklagten und ihren Vertragspartnern nicht vorlag ... Die Fiktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG kann hier nicht angewendet werden.

Dem Arbeitsgericht ist insbesondere auch zuzustimmen, dass selbst über die Grundsätze des sogenannten institutionellen Rechtsmissbrauchs über § 242 BGB eine fiktive Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht hergeleitet werden kann.

Rechtsgrundlage dennoch Treu und Glauben, und zwar wegen venire vontra factum proprium. In der Presseerklärung wurde ja bereits auf das widersprüchliche Verhalten sowohl des Scheinentleihers als auch des Scheinverleihers hingewiesen mit der Folge, dass sie sich nicht auf das AÜG berufen können. Insofern konnte man dieser die Rechtsgrundlage durchaus schon entnehmen. Rdnr 99ff.:

Das verschleiernde Verhalten der Vertragspartner der Überlassungsverträge stellt sich jedoch gegenüber dem Kläger dennoch als treuwidrig dar, weshalb es beiden Vertragspartnern der Überlassungsverträge wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt sein muss, sich auf das Bestehen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Verleihunternehmen zu berufen, § 242 BGB. Dies hat das Arbeitsgericht nicht bedacht. [...]

Ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten liegt vor allem dann vor, wenn sich eine Partei auf Rechtsvorschriften beruft, die sie selber zuvor missachtet hat (Staudinger BGB (2009) § 242 Rn. 300). [...]

Genauso wie beim oben dargestellten Fall aus dem Kaufrecht sich der Käufer nicht darauf berufen durfte, Verbraucher zu sein, obwohl er dies verdeckt war, genauso darf sich der Verleiharbeitgeber nicht auf ein Verleiharbeitsverhältnis und der Entleiher sich nicht auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis berufen, wenn sie das Regelungsregime des AÜG gegenüber dem überlassenen Arbeitnehmer bewusst nicht haben zur Anwendung bringen wollen, also nach außen gegenüber dem Arbeitnehmer einen Rechtsschein erschlichen haben, dass das Regelungsregime des AÜG nicht anwendbar sei.

Anders als im benannten Fall aus dem Kaufrecht ist aber zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht nur um eine Treuwidrigkeit zwischen den beiden Arbeitsvertragsparteien gehen kann, sondern dass die Treuwidrigkeit auch auf das Überlassungsverhältnis durchschlagen muss. Denn die Rechtsfolge der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG könnte gegenüber dem Entleiher nicht gerechtfertigt werden, wenn dieser von dem widersprüchlichen Verhalten nichts wusste, ihm gegenüber vielmehr der Rechtsschein einer ordnungsgemäßen Arbeitnehmerüberlassung gesetzt wurde. Denn in diesem Fall würde die Bindungswirkung des Erlaubnisverwaltungsaktes gemäß § 43 VwVfG auch zu Gunsten des Entleihers gelten. Dem Entleiher muss also gleichermaßen ein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden können. Dieser muss gleichermaßen wie der Verleiher gegenüber dem Arbeitnehmer den Rechtsschein eines Vertragsverhältnisses außerhalb des Regelungsregimes des AÜG gesetzt haben. Das heißt, sowohl der Verleiharbeitgeber als auch der Entleiher müssen positive Kenntnis davon gehabt haben, dass die Überlassung des Arbeitnehmers von einer Eingliederung und einer Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers geprägt sein sollte, obwohl das Vertragsverhältnis anders benannt und nach außen anders abgewickelt werden sollte.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Rdnr. 121:

Die Qualität wurde aber letztlich verkörpert durch die bekannten oder bekannt gemachten Mitarbeiter der Fremdfirmen. Dies führte zu einem vom Zeugen bedauerten „Kannibalismus“ unter den Fremdfirmen, die sich gegenseitig die Arbeitskräfte abwarben. Die Drittfirmen wurden bewusst in einen Wettbewerb gesetzt. Der Kläger musste erkennen, in diesem Wettbewerb der Spielball zu sein, um den sich die Drittfirmen bemühen mussten, um im Spiel zu bleiben. Auf diese Art und Weise hat die Beklagte zumindest mittelbar gesteuert, wer bei ihr eingesetzt wird. Letztlich war auch für den Kläger erkennbar, dass es der Beklagten im Wesentlichen darauf ankam, wer bei ihr eingesetzt wird und nicht darum, bei wem dieser Arbeitnehmer unter Vertrag steht. Das Anforderungsprofil wurde über die Einbindungsfähigkeit der überlassenen Mitarbeiter in ihre Abläufe beurteilt.

Mit meiner o.g. Einschätzung

die Ansicht, das durch das Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft sei Arbeitnehmerüberlassung gewesen, greift deswegen nicht, da der Arbeitgeber 1. einen Bedarf nicht nur vorübergehend gedeckt hat und 2. denselben Arbeitnehmer über drei verschiedene Scheinkonstruktionen beschäftigt hat.

lag ich insbesondere mit Punkt 2. also richtig. Und den folgenden Passus aus Rdnr. 104 sollten sich andere Senate ebenfalls hinter die Ohren schreiben:

Auch § 613 Satz 2 BGB geht davon aus, dass ein Anspruch auf Dienstleistungserbringung grundsätzlich personengebunden und nicht übertragbar ist. Daraus folgt, dass eine Übertragung des Direktionsrechts auf einen anderen jedenfalls der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf, somit auch der Offenlegung der Direktionsrechtsübertragung. Dem Regelungsregime des AÜG will sich somit nur derjenige unterstellen, der dies offenlegt. Das Recht der Arbeitnehmerüberlassung ist also durchgängig auf Transparenz angelegt. Transparent ist es nicht, wenn ein Unternehmen eine Erlaubnis einholt, aber noch nicht bei dem jeweiligen Fremdpersonaleinsatz klarstellt, ob er sie nutzen will oder nicht (Brose DB 2014, 1739, 1742). Wer eine Erlaubnis besitzt, sie aber bewusst zunächst nicht einsetzt und so die wirkliche Natur des Fremdpersonaleinsatzes nicht transparent macht, kann sich nicht auf die Erlaubnis berufen.

Die "Fallschirmlösung" hängt also an Seilen, die höchstrichterlich (s. Anwendung von venire contra factum proprium in der BGH-Rechtsprechung)  bereits durchschnitten wurden.

Jetzt bin ich mal auf 3 Sa 33/14 gespannt. Ich hoffe, dass dort die Konstellation anders war und es nicht daran lag, dass die 3. Kammer juristisches Basiswissen nicht anwendet.

Der Volltext von 3 Sa 33/14 liegt nun vor.

Abweichend von der 4. Kammer ist die dritte der Meinung

Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass vorliegend in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Anwendung der Bestimmungen des AÜG oder der bei Arbeitnehmerüberlassung bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte umgangen werden sollte, könnte dies lediglich zu Leistungspflichten des Entleihers oder zu Pflichten zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte durch den Entleiher, jedoch nicht zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer führen (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013, 1267). Fehlt es an der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden.

Dumm an dieser Argumentation ist nur, dass das BAG gar nicht über Scheinwerkverträge geurteilt hat, sondern einen vom Gesetzgeber nicht mit einer Sanktion versehenen Verstoß gegen das AÜG. Damit dieser Fehler nicht sofort herauskommt, ist die Revision vorsichtshalber nicht zugelassen. Mit der Meinung "was der Gesetzgeber nicht mit einer Sanktion bestraft, kann auch nicht anhand von Treu und Glauben entschieden werden" spricht das Gericht dem zulässigen Richterrecht Hohn.

Die Begründung der 4. Kammer ist um Welten, ja Galaxien überzeugender.

Spannend wäre auch die Frage, ob nicht schon Zoll und Staatsanwaltschaft auf diesen Zug wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt durch den "Entleiher" bzw. Auftraggeber des "Werkvertrages" aufgesprungen sind....Werkverträge zur Verschleierung einer abhängigen Beschäftigung sind ja bei 266a ein "Klassiker" wie etwa die Lohnschlachter-Entscheidung 3 StR 126/01 zeigt.

 

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Nach Angaben der Kanzlei Wurll+Kollegen ist - erwartungsgemäß - Revision gegen 4 Sa 41/14 eingelegt worden.

Hier noch eine Besprechung von Prof. Wolfgang Hamann auf juris (dem wegen seiner Tätigkeit für einen Engineering-Dienstleister sicher keine Neutralität vorgeworfen werden kann - interessant auch diese Rezension).

Die gegenwärtig diffuse Rechtslage – sogar Kammern ein und desselben Gerichts entscheiden unterschiedlich – ist „Gift“ für die Praxis. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG in den anstehenden Revisionsverfahren schon bald für Klarheit sorgen wird. Womöglich kommt ihm der Gesetzgeber aber zuvor. Denn laut Koalitionsvertrag sollen der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt (S. 49). Dann allerdings wird es richtig ungemütlich beim Inhouse-Outsourcing.

Nach dem 3. hat jetzt auch der 6. Senat die Argumentation des 4. Senats abgelehnt und behauptet, der Arbeitnehmer sei nicht besser zu stellen als ein vergleichbarer Leiharbeitnehmer. Dabei verkennen sie, dass beim Verhalten eines Arbeitgebers, der ein und denselben Mitarbeiter über drei verschiedene "Werkvertrags"firmen beschäftigt, eben diesen individuellen Mitarbeiter haben will und nicht seine (anonyme) Arbeitsleistung. Vergleichbar ist daher eindeutig der im eigenen Betrieb angestellte Arbeitnehmer und kein Leiharbeiter. Dagegen hilft auch nicht die Ausrede "wenn der Gesetzgeber diese Folge gewollt hätte, hätte er sie kodifiziert". Dies verkennt, dass viele Rechtsfolgen sich aus unkodifizierten Auslegungen allgemeiner Rechtsgrundsätze ergeben. Haben die Richter hier Angst, Recht zu sprechen und verweigern den grundgesetzlichen Auftrag? Schließlich sind die Richter nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht gebunden. Wenigstens lassen sie - anders als die Kollehlgen vom 4. Senat - ihre Verantwortungsscheu erkennen und schieben den Ball dem BAG zu: [blockquote]Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen „analoge Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung“ und „Rechtsfolge einer treuwidrigen Berufung auf die gegenüber dem Arbeitnehmer nicht offen gelegte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis“ gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.[/blockquote]

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