Bei EGMR-Beschwerden nicht das vom BMJV im Internet angebotene Formular benutzen!

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 19.07.2016
Rechtsgebiete: StrafrechtStrafverfahrensrecht103|18904 Aufrufe

Die zunehmende Bedeutung der Individualbeschwerde zum EGMR nach Art. 34 EMRK ist zwischenzeitlich allgemein bekannt - genauso wie die richtungsweisenden Entscheidungen des Gerichtshofs zumal auch im Strafrecht zum absoluten Folterverbot (Art. 3, 15 Abs. 2 EMRK), zu nemo tenetur usw.

Allerdings "versinkt" der Gerichtshof in einer Flut von Beschwerden von mehr als 100.000 im Jahr. Diese versucht die Kanzlei des Gerichtshofs offensichtlich durch (möglicherweise zu) strenge Zulassungsanforderungen nach Art. 47 VerfO einzudämmen. 

Für die Beschwerdeführer - die im EGMR oft die letzte Hoffnung erblicken - sehr ärgerlich wird es, wenn sie das vom BMJV auf der Homepage für die formulargebundene Beschwerde eingestellte Formular und die Ausfüllhinweise aus dem Jahr 2014 verwenden. Dies führt dazu, dass nach der seit 1.1.2016 gültigen Rechtslage solche Beschwerden zwingend und irreparabel scheitern.

Diesen Umstand hat RA Dr. Heuchemer NZWiSt 2016, 231 aufgedeckt und besprochen ergänzt um zahlreiche Praxishinweise. Der Gerichtshof handhabt die VerfO wohl teilweise überstreng - und teilt den Beschwerdeführern durch die Kanzlei ohne richterliche Prüfung (!) und ohne Gelegenheit zur Heilung des Formmangels zu geben mit, dass die Beschwerde vernichtet werde und nicht bearbeitet werden könne.

Dies wirft die Frage nach dem Sinn einer derart strengen Handhabung von Formvorschriften vor einem den Menschenrechten verpflichteten Gerichtshof auf, vor dem man sich ohne Anwaltszwang beschwerden kann, aber auch  die Frage nach dem gesetzlichen Richter und die (ggf staatshaftungsrechtlichen?) Folgen für die beim BMJ Verantwortlichen, wenn die Beschwerden gegen die Bundesrepublik auf der Grundlage des im Internet angebotenen angebotenen Formulare seit 1.1.2016 zwingend "ins Leere" gehen und auf das Gleis des prozessual sicheren Scheiterns gesetzt werden.

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103 Kommentare

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Das Subsidiaritätsprinzip ist tatsächlich das Vehikel, das der EGMR nutzt, um sich der bei ihm anhängigen Beschwerden zu entledigen.

Es ist "an important aspect of the principle that the machinery of protection established by the Convention is subsidiary to the national systems safeguarding human rights" (Schenk V. Germany). Gerichte müssen sich an Recht und Gesetz halten. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

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So haben Sie oben schon kommentiert, das war bei Ihrem obigen Kommentar schon falsch. 

Andere in der Sache an sich erfolgversprechende Einreichungen mussten zurückgezogen werden, weil der Beschwerdeführer das falsche Formular, das ihm auch noch vom Bundesjustizministerium zur Verfügung gestellt worden war, verwendet hatte.[23]

  1. Bei EGMR-Beschwerden nicht das vom BMJV im Internet angebotene Formular benutzen! von Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 19. Juli 2016 auf Beck-Blog

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