Netzwerkdurchsetzungsgesetz europarechtswidrig

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 30.03.2017
Rechtsgebiete: IT-Recht13|28721 Aufrufe

Derzeit liegt der EU-Kommission der Referentenentwurf des BMJV für ein Gesetz mit dem wohlklingenden Namen „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ zur Notifizierung vor (NetzDG-E). Neben zahlreichen verfassungsrechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Fragestellungen, die das Gesetzesvorhaben aufwirft, offenbart der Entwurf vor allem, dass eine substantielle Auseinandersetzung mit den europarechtlichen Vorgaben im Bereich der „Dienste der Informationsgesellschaft“ nicht stattgefunden hat und wesentliche Aussagen der ECRL (RL 2000/31/EG), etwa zum Herkunftslandprinzip, verkannt wurden. So läuft der Entwurf in der derzeitigen Fassung der Zielsetzung der ECRL, eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu verhindern (vgl. Erwägungsgrund 59 ECRL), diametral entgegen.[1]

 [1] Zum Text http://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/de/index.cfm/search/?trisaction=search.detail&year=2017&num=127&mLang=de&CFID=2665602&CFTOKEN=e657eec98ea2b052-AE96FBFC-B2FB-F82B-D08C114CC7B379C1;%20https://draftable.com/compare/wanDzGZPwbnh

Erfasste Inhalte

Eine erste grundlegende ministeriale Fehlleistung enthält der Entwurf, indem er schon bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs ein terminologisches Durcheinander schafft, das nur schwer zu durchdringen ist. Die für den Entwurf zentrale Definition zu den erfassten Inhalten in § 3 Abs. 1 NetzDG-E sieht hier eine zumindest sprachlich wenig geglückte Gleichstellung von Rechtswidrigkeit und Tatbestandsmäßigkeit vor („Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte […], die die Tatbestand der §§ […] des Strafgesetzbuches erfüllen“). Diese ist geeignet, sich auch auf die europarechtlich gebotene Abwägung im Rahmen der Angemessenheit (dazu sogleich) auszuwirken. Mit Rücksicht auf die ähnliche, aber doch anders akzentuierte Definition der rechtswidrigen Tat in § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB erscheint die Begriffsbestimmung noch erklärbar. Die Entwurfsbegründung liefert auf Seite 20 dann den Hinweis, dass ausschließlich Handlungen erfasst sein sollen, die den Tatbestand erfüllen und rechtswidrig sind, ohne dass sie notwendigerweise auch schuldhaft sein müssen. Daher ist bisweilen davon auszugehen, dass auch Normen wie § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen), die u. a. der Meinungsfreiheit Raum verschaffen, bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit zu berücksichtigen wären. Perfekt ist die Begriffsverwirrung jedoch in dem Moment, in dem das Ministerium die Inhalte, die den Tatbestand der genannten Paragraphen erfüllen, nicht nur als „rechtswidrig“ (so in § 1 Abs. 3 NetzDG-E) bezeichnet, sondern – kompetenzrechtlich fragwürdig – gar als „strafbar“ (so in der Begründung zu § 1 Abs. 3 NetzDG-E, S. 20). Angesichts der an anderen Stellen zu findenden Verweise auf „objektiv strafbare Inhalte“ (vgl. S. 1, 10, 14) und den „objektiven Tatbestand“ (S. 11, 18) fragt sich auch, ob mit dem Entwurf tatsächlich ein Verzicht auf das subjektive Vorsatz- oder Fahrlässigkeitselement verbunden sein soll (so Härting im CR-online.de Blog). Die Definition in § 3 Abs. 1 NetzDG-E allein schafft hier jedenfalls nicht die erforderliche Klarheit. Wiederholt wird in der Begründung stattdessen darauf hingewiesen, dass die Schuld der Nutzer bei der Tatbestandsverwirklichung keine zu prüfende Voraussetzung ist (S. 20, 28). Auch die Formulierung zur grundlegenden Zielsetzung des Entwurfs, die Bekämpfung und Verfolgung von „Hasskriminalität und andere[n] strafbare[n] Inhalten“ ist angesichts des tatsächlichen Anknüpfungspunkts (rechtswidrige Inhalte) wenig konsequent.

Herkunftslandprinzip (Art. 3 ECRL, § 3 TMG)

Grundaussage

Grundlegendes Prinzip der sekundärrechtlichen Regelungen zu den „Diensten der Informationsgesellschaft“, zu denen die im Entwurf geregelten Tätigkeiten ganz unstreitig zählen, ist das sog. Herkunftslandprinzip. Dieses ist in Art. 3 ECRL niedergelegt und vom nationalen Gesetzgeber in § 3 TMG umgesetzt. Auf die lebhaft umstrittenen dogmatischen Fragen (Stichwort „IPR-Neutralität“?) soll hier nicht vertieft eingegangen werden (siehe dazu EuGH, Urt. v. 25.10.2011, Rs. C-509/09 – e-Date Advertising; BGH, Vorlagebeschl. v. 10.11.2009 – VI ZR 217/08, MMR 2010, 211). Nach Art. 3 Abs. 2 der ECRL jedenfalls dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen (vgl. auch § 3 Abs. 2 TMG). Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH lässt sich das Herkunftslandprinzip auf den Kern herunterbrechen, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die Dienstanbieter nach nationalem Recht keinen strengeren Anforderungen unterliegen, als sie das im Sitzmitgliedstaat des Anbieters geltende Sachrecht vorsieht. Soweit das durch die Anwendung des IPR berufene Recht Beschränkungen vorsieht, die das Recht, in dem der Dienstanbieter niedergelassen ist, nicht kennt, sind diese mit Rücksicht auf das Herkunftslandprinzip zu korrigieren. Das Sachrecht des Herkunftsstaates verdrängt in diesem Fall das durch die Anwendung des Kollisionsrecht bestimmte (dem Dienstanbieter ungünstigere) Sachrecht. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Anbieter im koordinierten Bereich lediglich den Anforderungen des Herkunftslandes entsprechen müssen. Das Herkunftslandprinzip zielt damit auf die Gewährleistung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) ab.

Problematisch ist das Verhältnis des NetzDG-E zum Herkunftslandprinzip nun vor allem deshalb, da durch den Entwurf wohl auch solche sozialen Netzwerke reguliert werden sollen, deren Anbieter in einem anderen Mitgliedstaat im Geltungsbereich der ECRL niedergelassen sind (zum Ort der Niederlassung vgl. Erwägungsgrund 19 ECRL). Bestätigt wird dies in der Entwurfsbegründung auf S. 29 ausschließlich im Zusammenhang mit § 5 NetzDG-E (Inländischer Zustellungsbevollmächtigter). Implizit liegt diese Annahme aber auch der Begründung zu Art. 3 Abs. 4 lit. b) Ziffer i) 1. Spiegelstrich ECRL auf Seite 14 des NetzDG-E zugrunde. Auch enthält der Entwurf keine den §§ 2a, 3 TMG vergleichbare Regelung. Da im Übrigen auch der Wortlaut der einzelnen Regelungen insoweit keinen Anlass zur Differenzierung gibt, ist davon auszugehen, dass auch Dienste erfasst sein sollen, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind. Da diese derzeit keine vergleichbaren Regelungen vorsehen, würde der Vergleich der Rechtsstatute dazu führen, dass das deutsche Recht Beschränkungen vorsieht, die andere Mitgliedstaaten nicht kennen.

Der „koordinierte Bereich“

Geltung beansprucht das Herkunftslandprinzip lediglich für den sog. „koordinierten Bereich“. Dazu zählt auch die Festlegung der Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, die Qualität oder Inhalt des Dienstes sowie die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters (Art. 2 lit. h) Ziffer i) 1. Spiegelstrich ECRL). Die im NetzDG-E vorgesehenen Bestimmungen betreffen ganz offensichtlich diesen koordinierten Bereich, regeln sie mit den Vorschriften zur Berichtspflicht (§ 2), zum Beschwerdemanagementverfahren (§ 3), zum inländischen Zustellungsbevollmächtigten (§ 4) und schließlich auch den Bußgeldvorschriften (§ 5) doch gerade die Anforderungen an das Verhalten und die Verantwortlichkeit der Dienstanbieter. Das Ministerium zieht sich hier nichtsdestotrotz auf die vage Behauptung zurück, die vorgeschlagenen Betreiberpflichten „dürften“ vom koordinierten Bereich erfasst sein (S. 14). So ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt, auch Diensteanbieter mit einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat den genannten Erschwernissen zu unterwerfen, insbesondere Speicherpflichten im Inland oder einen Ansprechpartner im Inland vorzusehen.

Ausnahmen und Einschränkungen (Art. 3 Abs. 3 und 4 ECRL, § 3 Abs. 3, 4 und 5 TMG)

Dass der Referentenentwurf das Herkunftslandprinzip berührt, bestreitet das Ministerium auch gar nicht. Dort sieht man sich jedoch durch die – hier einzig in Betracht kommende – Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 4 ECRL gerechtfertigt. Dieser erlaubt abweichende Maßnahmen unter anderem zum Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere zur Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten oder zum Jugendschutz. Voraussetzung für einen Ausnahmefall wäre eine „ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung“ der genannten Schutzziele. Zudem müssen die ergriffenen Maßnahmen in einem „angemessenen Verhältnis“ zu dieser Gefahr stehen.

Bemerkenswert ist bereits, dass der Entwurf mit keinem Wort das Problem aufwirft, dass Ausnahmen nach dem Wortlaut nur Maßnahmen für einen „bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ sein können. Die Kommission hat zu dieser Formulierung ausgeführt, dass keine allgemeinen Maßnahmen gegenüber einer bestimmten Kategorie von Diensten als Ganzes vorgesehen werden dürfen (vgl. COM(2003) 259 final sub. 2.1.2: „case-by-case basis against a specific […] service provided by a given operator“). Nimmt man die Kommission hier beim Wort, könnten abstrakt-generelle Rechtsnormen, die sich allgemein gegen die Dienstkategorie „soziale Netzwerke“ richten, nicht nach Abs. 4 gerechtfertigt werden (anders insoweit aber § 3 Abs. 5 TMG: „Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts“, vgl. auch BGH, Urt. v. 30.3.2006 – I ZR 24/03, NJW 2006, 2630 und OLG Hamburg, Urt. v. 8.4.2009 – 5 U 13/08, MMR 2010 185 zur Einschränkung durch abstrakt-generelle Normen). Legt man die Auffassung der Kommission zugrunde, verkennt das Ministerium hier den Terminus „bestimmter Dienst der Informationsgesellschaft“, indem es davon ausgeht, dass mit der Anknüpfung an soziale Netzwerke lediglich „spezielle Dienste der Informationsgesellschaft“ (Begründung zu NetzDG-E, S. 14) und damit ein „bestimmte[r] Dienst“ im Sinne von Abs. 4 adressiert ist.

Darüber hinaus steht ein übergroßes Fragezeichen hinter der Frage, ob die geplanten Regelungen zur Verhinderung einer tatsächlich vorhandenen ernsthaften und schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit dienen und dabei in einem angemessenen Verhältnis zum Schutzziel stehen. Allgemein anerkannt ist, dass nicht jede Verletzung der Schutzziele und insbesondere nicht jede Verletzung der nationalen Rechtsordnung die Anwendung der Ausnahmeklausel rechtfertigen. Bei dieser Wertung ist auch zu berücksichtigen, dass es erklärtes Ziel der ECRL ist, die Fragmentierung des Binnenmarktes zu verhindern (vgl. Erwägungsgrund 59 ECRL). So genügen mitnichten alle der in § 1 Abs. 3 NetzDG-E 24 genannten Straftatbestände den strengen Anforderungen, die eine Durchbrechung des Herkunftslandprinzip rechtfertigen könnten.

Im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit ließe sich für diese zwar noch anführen, dass der Entwurf eine Begrenzung auf „wirtschaftlich potente“ und für „gesellschaftlich relevante“ Anbieter beinhaltet. Zudem wurde mit der zweiten Entwurfsfassung die Speicherdauer (gelöschter) Inhalte zu Beweiszwecken auf 10 Wochen begrenzt (§ 3 Abs.  2 Nr. 4 NetzDG-E). Mit Rücksicht auf die pauschale Regelung zu den Reaktionszeiten (vgl. dazu die flexiblere Regelung in Art. 14 Abs. 1 lit. b) ECRL), die zu erwartenden praktischen Auswirkungen auf die Meinungsäußerungsfreiheit im Internet (Stichwort „Schere im Kopf“) sowie überobligatorische Löschungen aus Angst vor Bußgeldverfahren wird man die umfangreichen Verpflichtungen nicht als angemessen ansehen können. Die ernsthafte und schwerwiegende Gefahr geht hier eher vom Ministerium aus, dessen Entwurf einer Zuständigkeitsregelung in § 4 Abs. 5 NetzDG-E als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit anmutet (so Härting im CR-online.de Blog: „Gipfel rechtsstaatswidriger Zumutungen“). In jedem Fall scheint das Ministerium nicht die gebotene differenzierte Abwägung im Einzelfall vorgenommen zu haben, die das Unionsrecht mit diesem Ausnahmetatbestand gebietet.

Verstoß gegen Verfahrensregelungen

Noch offensichtlicher wird der Verstoß, wenn man berücksichtigt, dass der eine Ausnahme vorsehende Mitgliedstaat in jedem Fall den Sitzmitgliedstaat vorab aufzufordern hat, seinerseits Maßnahmen zu ergreifen. Erst wenn dieser der Aufforderung nicht Folge leistet oder die getroffenen Maßnahmen unzulänglich sind und zudem die Kommission und der Mitgliedstaat von den beabsichtigten Maßnahmen unterrichtet wurden, kann eine eigene Maßnahme erfolgen. Aus welchen Umständen das Ministerium einen Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 5 ECRL („dringlicher Fall“) konstruieren will, wird nicht einmal im Ansatz deutlich. Die Begründung enthält hier nur die pauschalierende Behauptung, dass ein „sofortiges Handeln […] zur effektiven Bekämpfung von Hasskriminalität und weiterer objektiv strafbarer Handlungen im Internet dringend geboten [ist]“ und bleibt dabei – nicht ohne Grund – jeglichen Nachweis schuldig, dass tatsächlich ein dringender Fall vorliegt, der ein sofortiges Handeln unentbehrlich macht.

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13 Kommentare

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Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken", kurz Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist für meine Begriffe, schlicht - wie Sie richtig bemerken - ein "terminologisches Wirrwar".    Was da - mal wieder - von unserem BMJV unter der Federführung von Herrn Maas im Schnellgang seit Anfang März "gestrickt" wurde.

Mit "heißer Nadel", aber - mit Verlaub - ohne Kompetenz, "vergeht" man sich an den zentralen Begriffen des Strafrechts von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld:

  So wird etwa - wenn ich es richtig verstehe - Tatbestand und Rechtswidrigkeit sogar "gleichgestellt", wenn ... aber bitte lesen Sie selber das NetzDG einmal durch.   Hier nur ein paar "Kostproben":   § 1 (3) NetzDG: Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 90, 90a, 111, 126, 130, 140, 166, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen.   § 3: Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte   Wie konkret soll bitteschön, ein Anbieter eines sozialen Netzwerks ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 und 3 für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorhalten?   Durch ein bloßes Vorhalten und zur Verfügung stellen eines leicht erkennbaren, unmittelbar erreichbaren und ständig verfügbaren Verfahrens zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte - was immer das ist - mag dies m.E. nicht gelingen.
  Daß das Verfahren gewährleisten muß, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks  

1. unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nimmt und prüft, ob der Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist,
 

2. einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt - mag ja vom Grundgedanken gut und richtig sein;  aber wie das konkret funktionieren soll - werden wir ja sehen.   Genauso wie die diesbezüglichen Ausnahmefälle hierzu , "wenn das soziale Netzwerk mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen längeren Zeitraum für die Löschung oder Sperrung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts vereinbart hat, ...".
  Dann etwas S. - 19 - Zu Absatz 3
  "Der Begriff des rechtswidrigen Inhalts stellt einen zentralen Anknüpfungspunkt des Entwurfs dar. Strafbar sind solche Inhalte, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 90, 90a, 111, 126, 130, 140, 166, 185 bis 187, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen. Hierdurch wird verdeutlicht, dass es bei dem Entwurf nicht um staatliche Reaktionen auf Verstöße gegen beliebige Verletzungen des geltenden Rechts durch Einträge in sozialen Netzwerken gehen kann (wozu etwa selbst geringfügige Verletzungen von verwaltungsrechtlichen Verboten oder auch vertraglichen Pflichten gehören können). Es ist nicht Ziel des Gesetzes, auf den Plattformen der sozialen Netzwerke begangene Ordnungswidrigkeiten oder bloße unerlaubte Handlungen zu erfassen. Vielmehr machen der Begriff und die abschließende Aufzählung der einschlägigen Straftatbestände deutlich, dass ausschließlich die Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten in sozialen Netzwerken geregelt werden soll."   Aha! u.s.w. "Geschwafel ohne Ende".   (...)   Erfasst werden also ausschließlich Handlungen, die den Tatbestand eines oder mehrerer der in Absatz 3 genannten Strafgesetze erfüllen und rechtswidrig, aber nicht notwendigerweise schuldhaft begangen werden." ???   "Dies trägt dem Gebot der Bestimmtheit sowie Verhältnismäßigkeit Rechnung."   Wie bitte?
  "Damit erfolgt zugleich eine klare Abgrenzung zu rechtswidrigen Handlungen in sozialenNetzwerken, die zwar objektiv strafbar sind, aber nicht vom Ziel des Gesetzes, Hasskriminalität in sozialen Netzwerken effektiv zu bekämpfen, erfasst sind. Insbesondere die Pornografiedelikte der §§ 184ff des Strafgesetzbuches sind nicht in Absatz 3 aufgeführt, da diese Straftaten im Internet bereits effektiv verfolgt werden. " ... u.s.w.   Hile - ich habe ferig.

Liebe Herr Bauer,

besten Dank für Ihre ausführliche Bewertung des Entwurfs, die ich teile. Mir ging es in meinem Text darum, auch einmal auf die erheblichen Bedenken in europarechtlicher Hinsicht hinzuweisen, die bislang kaum thematisiert wurden. Eventuell könnten Sie ja Ihre Kritik auch einmal an die Europäische Kommission (TRIS- Notifizierungsabteilung) mailen

GROW-B2@ec.europa.eu

Herzlichen Gruss TH

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In der Vergangenheit habe ich gelegentlich die Meinung geäußert, daß einige westliche Stellen mit der Militärübung Able Archer 83 möglicherweise einen Angriffskrieg auf den Warschauer Pakt vorbereiten wollten.

Mir wurde daraufhin von konservativer Seite vorgeworfen, meine Überlegungen seien erstens völlig abwegig, und zweitens sei die Äußerung solcher Überlegungen volksverhetzende Hate-Speech.

Meine Entgegnung, dann solle man mich doch verklagen oder anzeigen, ist jedoch niemand nachgekommen, da sich man sich offenbar nicht sicher war, was bei einem solchen Prozess herauskommen würde.

Jetzt bereitet man aber offenbar Gesetze vor, nach denen solche Meinungsäußerungen demnächst enfach gelöscht werden können, ohne daß die Justiz die Sachlage und Rechtslage klärt?

Ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht, als ich die Täterschaft von Oswald beim Dallasmord angezweifelt habe - auch diesbezüglich warf man mir von konservativer Seite vor, ich würde angeblich antiamerikanische Hate-Speech oder Hetze betreiben.

Wird man solche Meinungsäußerungen in Zukunft also ohne sie juristisch zu prüfen einfach löschen?

Werden in Zukunft Meinungsäußerungen, die dem Establishment unliebsam sind und die zugleich nicht der herrschenden Meinung entsprechen, dann einfach weggelöscht?

Nonkonforme kritische Meinungen, die in den 80'er-Jahren und 90-er-Jahren noch toleriert wurden, werden heutzutage immer mehr agressiv verurteilt, und das Motto "ein Schelm wer Böses dabei denkt" setzt sich zunehmend durch.

Eine freiheitliche Demokratie funktioniert aber auf die Dauer nur, wenn die Bürger berechtigt sind, gegenüber der Regierung und deren Militärapparat und Geheimdienstapparat mißtrauisch zu sein, und dieses Mißtrauen auch auszusprechen.

Das die vom Mißtrauen Betroffenen und deren Unterstützer dann sich immer öfter wie Pharisäer empört die Kleider zerreißen und denjenigen der Zweifel oder Mißtrauen ausspricht anklagen und zum Ketzer oder Buhmann zu machen versuchen meist ein zunehmender Trend, der mir nicht erst seit den Verfolgungen von Manning, Assange und Snowden Sorge bereitet.   

Ich fürchte, daß das jetzt in Vorbereitung befindliche Gesetz zu Machtmißbrauch einlädt.

Aufrufe zu Gewalt oder Straftaten kann man doch wohl auch bereits mir den bestehenden Gesetzen verfolgen und löschen lassen. Und falls nicht, würden jedenfalls im Vergleich zum jetzigen Regierungsentwurf weniger weitreichende Gesetze wohl ausreichen. Was jetzt vorbereitet wird, scheint aber einem "das Kind mit dem Bade ausschütten" nahezukommen.

Es kann sein, daß ich mich irre, aber es muß trotzdem möglich sein, daß ich meine Meinungen und Überlegungen öffentlich aussprechen darf.

Habe andere uns kulturell und rechtlich nahestehende Staaten, wie etwa die USA, Kanada, Australien, England, Frankreich, Italien, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, die Schweiz und Österreich, eigentlich auch derartige Gesetze, wie sie jetzt hier geplant werden, oder kommen unsere Freunde und Nachbarn ohne derartige Regelungen aus?

 

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