Juristen als Spitzenmanager

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 25.11.2017

Wer Kaffeepulver in einen Kaffeefilter füllt und heißes Wasser dazu gibt, bekommt frisch gebrühten Kaffee. Wer mehr Kaffee in den Filter füllt, bekommt stärkeren Filterkaffee. Übertragen auf Unternehmen: je mehr Juristen an der Unternehmensspitze, desto weniger Rechtsstreitigkeiten sind zu erwarten. Das liegt einfach daran, dass Juristen darauf trainiert sind, Risiken zu vermeiden. Manager mit BWL-Ausbildung sind eher Risiko-affin.

M. Todd Henderson (University of Chicago Law School), Irena Hutton (Florida State University), Danling Jiang (SUNY at Stony Brook) und Matthew Pierson (Florida State University) untersuchten das Verhalten von 3500 CEOs, darunter 9 % mit einer juristischen Ausbildung, mit dem von Absolventen anderer Fakultäten. Außerdem werteten sie rund 70.000 Klagen gegen die 2400 Unternehmen der untersuchten Spitzenmanager aus. Das Ergebnis der im Internet verfügbaren Studie (https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2923136 vom 28. April 2017) ist nicht weiter verwunderlich: Unternehmen mit juristisch ausgebildeten Managern sind deutlich weniger in Rechtsstreitigkeiten verwickelt als andere. Dieses Ergebnis hängt auch nicht von Branche, Unternehmensgröße, Rentabilität oder Renditen ab. Aus ihren Untersuchungen folgern die Forscher außerdem, dass das Risikomanagement mit Juristen an der Unternehmensspitze besser ist. Bei Firmen mit einem hohen Risiko von Rechtsstreitigkeiten und einem starken Wachstum würde dies zu einem höheren Unternehmenswert führen. Bei allen anderen Branchen und Unternehmen würde dieses konservative Verhalten dagegen sich negativ auf den Unternehmenswert auswirken.

Spontane Reaktion des betriebswirtschaftlich vorgebildeten Verfassers: haben die US-amerikanischen Forscher überhaupt die richtige Frage gestellt? Denn entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens ist doch nicht die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten! Zweite Überlegung: schon die Zahlenverhältnisse der untersuchten Fälle erscheint problematisch. 9% Juristen gegenüber 91% anders qualifizierte Manager - da ist Misstrauen bei der Validität der Untersuchung angezeigt. Bestärkt wird dieses Misstrauen, wenn sich der Verfasser die Ergebnisse der Untersuchung im Detail ansieht. Denn die Korrelationskoeffizienten sind niedrig.

Übertroffen wird die Fragwürdigkeit des Vorgehens nur noch durch die Zusammenfassung in der Management-Praktikerliteratur. "Topmanagement: Sind Juristen die besseren CEOs?" fragt die Zeitschrift "Harvard Business Manager" (Ausgabe November 2017, S. 16). Schon fast suggestiv fasst der anonym bleibende Verfasser das Ergebnis der Studie zusammen: "16 bis 74 Prozent weniger Rechtsstreitigkeiten" hätten Unternehmen mit einem Juristen im Topmanagement. Ein anderes Ergebnis würde Juristen auch ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Die eigentlich entscheidende Frage nach dem Zusammenhang zwischen juristischer Qualifikation und Unternehmenserfolg wird aber nicht gestellt.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Wenn man den betriebswirtschaftlichen Erfolg als der Einhaltung von Recht und der darin abgebildeten moralischen Vorstellung der Bevölkerung als unbedingt vorrangig ansieht, ist Ihre Kritik an der Fragestellung korrekt.

Ich persönlich treffe dazu eine andere Wertung. Und der eine oder andere Staatsanwalt oder Strafrichter wird dazu vielleicht auch eine berufliche Meinung haben.

0

Die eigentlich entscheidende Frage nach dem Zusammenhang zwischen juristischer Qualifikation und Unternehmenserfolg wird aber nicht gestellt.

Juristen sind keine Garanten für unternehmerischen Erfolg. Aber wenn sie wirklich auf Compliance achten und schlimme Rechtsstreitigkeiten vermeiden, sind sie ein auf jeden Fall Garanten gegen Katastrophen. Wenn Juristen den Dieselskandal und die Deutsche Bank-Verwicklungen hätten verhindern können, hätten sie vielleicht nicht so viel Geld verdient, wie VW und die Deutsche Bank vorher, aber auch nicht nachher noch mehr Geld und Vertrauen durch die Skandale verloren. Lieber konservativ, aber solide, als unternehmerisch und tanzend auf dem Vulkan.

0

In der Studie wird die Frage nach dem unternehmerischen Erfolg - sogar dem Börsenwert - übrigens sogar gestellt und beantwortet. Ergebnis: Bei einem Betrieb mit geringen Rechtsrisiken ist die Reduzierung von Rechtsstreitigkeiten erstens noch signifikant, aber gering, zweitens für den Betriebserfolg nicht positiv - da ist der Betriebswirt besser. Bei Unternehmen mit großen Rechtsrisiken, insbesondere Banken und Pharmaunternehmen, stünden Unternehmen mit Juristen an der Spitze uim Schnitt besser da.

 

0

In der Studie wird die Frage nach dem unternehmerischen Erfolg - sogar dem Börsenwert - übrigens sogar gestellt und beantwortet.

Warum heißt es dann im Aufmacher "Die eigentlich entscheidende Frage nach dem Zusammenhang zwischen juristischer Qualifikation und Unternehmenserfolg wird aber nicht gestellt"?

0

Eine zurückhaltende Antwort auf diese Frage wurde hier zwischenzeitlich gelöscht, weswegen ich direkt antworten will: Weil der Autor vermutlich nicht sorgfältig gelesen oder recherchiert hat.

0

Kommentar hinzufügen