LAG Köln: Keine 40-Euro-Verzugspauschale im Arbeitsrecht

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.12.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|7799 Aufrufe

Seit der Ergänzung des § 288 BGB um den neuen Absatz 5 (Gesetz vom 22.7.2014, BGBl. I S. 1218) ist umstritten, ob auch Arbeitnehmer bei Verzug des Arbeitgebers Anspruch auf pauschalen Verzugsschadensersatz in Höhe von 40 Euro haben. Ein Urteil des BAG liegt bislang nicht vor, die Landesarbeitsgerichte wenden § 288 Abs. 5 BGB ganz überwiegend auch im Arbeitsverhältnis an. Nicht so die 5. Kammer des LAG Köln, die sich damit zugleich gegen andere Kammern desselben Gerichts positioniert:

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 80 EUR aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Die sog. Verzugspauschale fällt im Arbeitsrecht nicht an. Der Anwendung von § 288 Abs. 5 BGB auf arbeitsrechtliche Forderungen steht § 12a ArbGG entgegen (...). Die Kammer ist zu dieser Annahme gelangt, indem sie von der zu  § 12a ArbGG ergangenen ständigen Rechtsprechung des BAG ausgegangen ist. Das BAG nimmt an, dass § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG „jeden denkbaren Schadenersatzanspruch ausschließt“. Die Vorschrift schränke nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern entfalte zugleich materiell-rechtliche Wirkungen (BAG 30.4.1992 - 8 AZR 288/91, NZA 1992, 1101). In der Entscheidung vom 27. Oktober 2005 (BAG 27.10.2005 - 8 AZR 546/03, NZA 2006, 259) hat der 8. Senat inhaltlich übereinstimmend ausgeführt, § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließe einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der als Schadenersatzanspruch entstanden sei, aus, gleichgültig, worauf er gestützt werde. Solange das BAG an dieser Rechtsprechung festhält, ergibt sich daraus nach Auffassung der Kammer die Konsequenz, dass im Arbeitsrecht kein Anspruch auf die Verzugspauschale besteht.

LAG Köln, Urt. vom 4.10.2017 - 5 Sa 229/17, BeckRS 2017, 132843

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2 Kommentare

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Die 5. Kammer des LAG Köln irrt mit seiner Ansicht zur Verzugspauschale!

Das betreffende Urteil zu 5 Sa 229/17 bezieht sich auf rückständigen Lohn.

§ 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG bezieht sich allerdings NUR auf Kosten eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands. 

Im von der 5. Kammer ArbG Köln zitierten BAG Urteil (8 ZAR 288/91) ist auch lediglich von durch Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten die Rede, wenn auch aus dem Vorprozess.

Das Gesetz verliert außerhalb dieser Grenzen seine Wirkung.

Dies steht im Einklang mit diversen erfolgreich eingeklagten Schadenersatzansprüchen. Spektakulär etwa LAG Rheinlanf-Pfalz 2SA 555/14, hier erhielt der Kläger 71.000 EUR Schandensersatz, da sein Haus aufgrund ausbleinder Gehaltszahlungen unter Wert verpfändet werden musste.

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Das Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit

Mit Urteil vom 25.09.2018 (8 AZR 26/18) entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Verzugspauschale nicht im Arbeitsrecht anwendbar sei. In § 12a Abs. 1 S.1 ArbGG werden materialrechtliche Kostenerstattungsansprüche ausgeschlossen.

In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts ist zu lesen:

Zwar findet § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet. Allerdings schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.

Somit wird hier durch eine Spezialvorschrift der übergeordnete Paragraph (§ 288 Abs. 5 BGB) ausgehebelt.  Die Spezialvorschrift wird somit zum juristischen Prinzip. 

Der übergeordnete Zweck, nämlich den säumigen Schuldner zur schnelleren Zahlung zu bewegen, wird hier somit komplett verfehlt. Und wo wäre dies nicht dringlicher als bei existenziell wichtigen Gehaltszahlungen?

Als Laie hat mich das Urteil sehr überrascht und meines Erachtens nach ist der Sinn des § 288 schlichtweg (durch eine -unwichtigere- Spezialvorschrift) unterminiert worden.

Da unsere Gesetze jedoch nicht in Stein gemeißelt sind, kann der Gesetzgeber hier natürlich bei Bedarf nachbessern. 

Ob man es mag oder nicht zumindest herrscht bis dahin Klarheit. 

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