EuGH: Zur internationalen Gerichtszuständigkeit für gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 12.03.2018

Der EuGH hat mit Urteil vom 7. März 2018 (C-560/16) zur Frage Stellung genommen, ob sich die internationale Gerichtszuständigkeit für den Antrag auf Überprüfung einer Squeeze-Out-Abfindung nach dem Sitz der Gesellschaft oder dem des Hauptaktionärs richtet.

Das Verfahren betrifft den Ausschluss von Minderheitsaktionären einer in Tschechien ansässigen und nach dortigem Recht gegründeten Gesellschaft durch ihren in Deutschland ansässigen Mehrheitsaktionär sowie das hierzu vor tschechischen Gerichten betriebene Spruchverfahren. Vorgelegt worden war dem EuGH die Frage, ob sich die internationale Zuständigkeit für das Spruchverfahren auf Basis der allgemeinen Vorschriften der EuGGVO nach dem Sitz des Antragsgegners – hier also des deutschen Mehrheitsaktionärs – oder auf Basis der Sonderregeln in Art. 22 Nr. 2 EuGGVO a.F. (inhaltsgleich nunmehr Art. 24 Nr. 2 EuGGVO n.F.) nach dem Sitz der den Squeeze-Out vollziehenden Gesellschaft zu richten habe. Letztere Vorschrift legt „für Klagen, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben,“ die Zuständigkeit des Sitzstaats der Gesellschaft fest.

In seiner Entscheidung bejaht der EuGH die Zuständigkeit tschechischer Gerichte gemäß Art. 22 Nr. 2 EuGGVO. Zweck der Vorschrift sei es, durch örtliche Zuständigkeitskonzentration widersprüchliche Entscheidungen über das Bestehen von Gesellschaften und die Gültigkeit ihrer Organbeschlüsse zu verhindern. Das vorliegende Spruchverfahren könne nach tschechischem Recht zwar gerade nicht zur Unwirksamkeit des Squeeze-Out-Beschlusses als solchem führen, sondern betreffe die Gültigkeit des Beschlusses nur in Hinblick auf die Abfindungshöhe. Gleichwohl sei ein Verfahren, das in dieser Weise die Überprüfung der teilweisen Gültigkeit eines Organbeschlusses zum Gegenstand habe, geeignet, in den Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 2 EuGGVO zu fallen. Dessen Anwendung dürfe insoweit nicht von den Entscheidungen abhängen, die im nationalen Recht eines Mitgliedstaats getroffen worden seien.

Tschechische Gerichte seien hier zudem am besten geeignet, um über die Angemessenheit der Abfindung zu entscheiden. Denn die Gesellschaft unterliege tschechischem Gesellschaftsrecht, der Squeeze-Out-Beschluss und die mit ihm im Zusammenhang stehenden Handlungen und Formalitäten seien nach tschechischem Recht und auf Tschechisch gefasst bzw. vorgenommen worden, und im Spruchverfahren sei tschechisches Recht anzuwenden. Es diene daher einer geordneten Rechtspflege, tschechischen Gerichten die ausschließliche Zuständigkeit zuzuweisen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen