Wer Polizist/Polizistin werden möchte, verzichte auf’s Tattoo?

von Sibylle Schwarz, veröffentlicht am 16.11.2018
Rechtsgebiete: Bildungsrecht3|5644 Aufrufe

Wie Tätowierungen bei Polizeibewerbern gesehen werden, erläutert der Beitrag anhand drei exemplarischer Entscheidungen.

 

2014     Bundespolizei

Fall

Die Antragstellerin möchte die Zulassung zum Eignungsauswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeidienst der Bundespolizei zum Einstellungstermin 1. September 2014 erreichen.

Bei der Antragstellerin zieht sich der tätowierte Schriftzug mit üppigen Schnörkeln vom Ellenbogen bis zum Handgelenk ihres rechten Arms in zwei Zeilen über fast die gesamte Höhe der Innenseite des Unterarms.

 

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Darmstadt (1. Kammer, 27. Mai 2014, 1 L 528/14.DA) hat vorläufigen Rechtsschutz versagt, die Antragstellerin erhob daraufhin Beschwerde. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 09. Juli 2014 – 1 B 1006/14 – die Beschwerde zurück.

 

[…] Insbesondere ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass in Anbetracht dessen, dass das Verbot von sichtbaren Tätowierungen im Polizeidienst massiv auch den Bereich der privaten Lebensgestaltung der Beamtinnen und Beamten betrifft und in deren Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingreift und zudem über die Regelung in § 3 Abs. 6 der Richtlinien für die Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern nach § 14 BPolLV für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei – EinstRL gPVD BPOL (im Folgenden: Richtlinien) auch über das Merkmal der persönlichen Eignung den Zugang zu einem öffentlichen Amt (Art. 33 Abs. 2 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beschränkt, nur mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist und von daher die Ablehnung zur Zulassung zum Eignungsauswahlverfahren nur rechtfertigen kann, wenn es geeignet und erforderlich ist, um dienstliche Erfordernisse, nämlich die mit der Uniformpflicht verfolgten Zielsetzungen zu fördern, und die Grenzen der Zumutbarkeit für die Betroffenen wahrt (BVerwG, Urteil vom 2. März 2006, - 2 C 3/05 -, juris, Rn. 21). […]

 

[…] Maßgeblich sei der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 12. Mai 2006 („Erscheinungsbild der Polizeikräfte der Bundespolizei"), in dem es unter I. („Allgemeines") heiße, das Tragen der Dienstkleidung bezwecke ein einheitliches Erscheinungsbild, das den polizeilichen Auftrag der Gewährleistung der inneren Sicherheit glaubhaft verkörpere. Die grundsätzliche Uniformiertheit bedeute nicht die Aufgabe jeglicher Individualität. Den Bürgerinnen und Bürgern solle auch vermittelt werden, dass ihnen die Bundespolizeibeamtinnen und -beamten als Menschen und Mitbürger gegenüberstünden. Es sei aber erforderlich, dass die durch die Uniform bezweckte Erkennbarkeit und Einheitlichkeit nicht durch die abträgliche Gestaltung von Haar- und Barttracht sowie das Tragen persönlicher Accessoires in Frage gestellt werde. Das Erscheinungsbild der Polizeivollzugskräfte der Bundespolizei solle daher frei von Übertreibungen sein. Weiter werde unter II.3. des Erlasses ausgeführt, im Dienst - ausgenommen Dienstsport - dürften Tätowierungen, Brandings, Mandies und ähnliches nicht sichtbar sein. Hieran anschließend heiße es in § 3 Abs. 6 der Richtlinien, Tätowierungen und Piercings könnten als Einstellungshindernis gewertet werden. […]

 

[…] Ebenso zutreffend und von der Antragstellerin ebenfalls im rechtlichen Ansatz nicht in Abrede gestellt hat das Verwaltungsgericht zudem ausgeführt, dass sich der Dienstherr bei der dabei gebotenen Ermittlung des Rahmens des Üblichen an den Anschauungen zu orientieren hat, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft herrschen und dass er sich einem Wandel dieser Anschauungen nicht verschließen darf. Das Phänomen von Tätowierungen und deren Beurteilung durch die Gesellschaft unterliege Veränderungen, mit der Folge, dass das Gericht bei seiner Entscheidung auch zu prüfen habe, ob die seinerzeit bei Erlass der entsprechenden Anordnungen bzw. Richtlinien herrschenden Verhältnisse auch noch den heutigen Gegebenheiten entsprechen oder ob von einem Wandel der Anschauungen gesprochen werden könne, der die Erwägungen des Dienstherrn als überholt erscheinen lasse, mit der Folge, dass es der streitigen Anordnung heute an der erforderlichen Rechtfertigung fehle (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 1991, - 2 BvR 550/90 -. […]

 

[…] Der Antragsgegnerin ist demgegenüber auf Grund ihrer stetigen Erfahrungen im Polizeidienst zuzugestehen, die Wirkungen eines einheitlichen und nicht durch auffällige individuelle Merkmale beeinträchtigten Erscheinungsbildes der Polizeivollzugskräfte einschätzen zu können. […]

 

[…] Durch die Beschränkung des Verbots der Tätowierungen auf den sichtbaren Körperbereich, d.h. Kopf- und Halsbereich, Hände und (beim Tragen des Sommer-Diensthemdes) Unterarme, trägt der Erlass vom 12. Mai 2006 schließlich auch den Interessen der Beamtinnen und Beamten an einem individuellen Körperschmuck ausreichend Rechnung. […]

 

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2015     mittlere Polizeivollzugsdienst in Baden-Württemberg

Fall

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, ihn in die Auswahl für die Einstellung zum 01.03.2016 in den Vorbereitungsdienst für den mittleren Polizeivollzugsdienst in Baden-Württemberg einzubeziehen.

Entscheidung

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 4 S 1914/15 – die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. August 2015 - 5 K 2479/15 - zurückgewiesen.

 

[…] Das vom Antragsgegner betriebene Verfahren, an dem der Antragsteller weiterhin teilzunehmen begehrt, dient der Auswahl der Bewerber für den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes, die zu Beamten auf Widerruf ernannt werden (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 LVOPol). Zu diesen öffentlichen Ämtern hat gemäß Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang. Das hierin zum Ausdruck kommende Leistungsprinzip eröffnet dem Einzelnen allerdings keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis, sondern lediglich darauf, dass über seine Bewerbung allein nach Maßgabe der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien entschieden wird
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 -, BVerfGE 39, 334; BVerwG, Beschlüsse vom 06.04.2006 - 2 VR 2.05 -, Buchholz 11 Art 33 Abs 2 GG Nr. 33, und vom 01.02.2006 - 2 PKH 3.05 -). […]

 

[…] a) An den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG gemessen steht der Glaubhaftmachung eines mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden Anordnungsanspruchs bereits entgegen, dass zum Einstellungstermin vom 01.03.2016 voraussichtlich 300 Bewerber eingestellt werden und der Antragsteller nach den im Auswahlverfahren gezeigten Leistungen nur Rang 350 einnimmt. Der Antragsgegner hat ausgeführt, nach den bisherigen Erfahrungen sei eine Absagequote von 20 Bewerbern bereits überdurchschnittlich hoch und der Antragsteller werde deshalb bei realistischer Betrachtung - unabhängig von der Bewertung seiner Tätowierung - nach dem Grundsatz der Bestenauslese nicht zum Zuge kommen. Dem setzt das Beschwerdevorbringen keine substantiierten Einwände entgegen. […]

 

[…] Zu den - auch im Beamtenverhältnis auf Widerruf zu beachtenden – beamtenrechtlichen Kernpflichten gehört die Pflicht, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG).
Solche Richtlinien hat der Antragsgegner in den „Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg zur Dienst- und Zivilkleidung sowie zum äußeren Erscheinungsbild der Polizei Baden-Württemberg“ (Az. 3-0303/9 - im Folgenden: Leitlinien) erlassen. Danach dürfen im Dienst - ausgenommen beim Dienstsport - (u.a.) jegliche Tätowierungen nicht sichtbar sein (Nr. 3.3 Satz 1 der Leitlinien). Tätowierte Darstellungen dürfen ferner - auch an durch Kleidung abgedeckten Körperstellen - nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen sowie keine diskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder sonstigen gesetzlich verbotenen Motive enthalten oder nach dem Erscheinungsbild und der inhaltlichen Aussage im Einzelfall einen achtungs- und vertrauensunwürdigen Eindruck erwecken (Nr. 3.3 Satz 2 der Leitlinien). […]

 

[…] Das Verwaltungsgericht hat - seine Entscheidung selbständig tragend - ausgeführt, die Annahme des Antragsgegners, das Motiv der Tätowierung des Antragstellers stelle einen Eignungsmangel dar, weil es einen vertrauensunwürdigen Eindruck erwecke, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Zum einen sei das Motiv geeignet, bei einem objektiven Betrachter einen ablehnenden und furchteinflößenden Eindruck zu hinterlassen. Zum anderen habe der Antragsteller selbst vorgetragen, er habe mit der Tätowierung auf andere eine abschreckende Wirkung erzielen wollen. Es bedürfe keiner weitergehenden Begründung, dass ein Polizeibeamter keine abschreckende Wirkung auf andere ausüben solle. […]

 

[…] Der bloße Hinweis darauf, dass im Zuge der Übertätowierung die Farben der Augen der Maske verändert, die Reißzähne entfernt und die Hörner (tatsächlich: ein Horn) in Blüten verwandelt worden seien, lässt nicht erkennen, weshalb das Verwaltungsgericht den Beurteilungsspielraum des Antragsgegners zu weit gezogen haben soll. Die Tätowierung zeigt nach wie vor ein Gesicht mit verfremdeten, verzerrt wirkenden Zügen, aufgerissenem Mund und gebleckten Zähnen, im Ansatz zusammengekniffenen Augen, von denen Schnittwunden oder Narben über beide Wangen verlaufen, unter einem Helm, der auch nach der Übertätowierung ein Horn zeigt. […]

 

[…] Das in Nr. 3.3 der Richtlinien (u.a.) enthaltene Verbot vertrauensgefährdender sichtbarer Tätowierungen findet diese Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1 LBG. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 LBG sind Beamte verpflichtet, nach näherer Bestimmung ihrer obersten Dienstbehörde Dienstkleidung und Dienstrangabzeichen zu tragen, wenn es ihr Amt erfordert. […]

 

[…] Der Antragsgegner hat ausgeführt, das Tattoo des Antragstellers sei jedenfalls beim Tragen des Sommerdiensthemdes und erhobenem Arm vollständig sichtbar und es widerspreche jeglicher Lebenswirklichkeit anzunehmen, dass der Beamte bei der Dienstausübung nur vernachlässigbar selten seinen Arm anhebe. […]

 

 

2018     gehobene Polizeivollzugsdienst Nordrhein-Westfalen

[…] Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin in das Auswahlverfahren für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen zum 1. September 2018 weiterhin einzubeziehen und über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. […]

 

[…] Die Ablehnung der Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst durch Bescheid vom 2. November 2017, mit dem zugleich die weitere Einbeziehung in das aktuelle Auswahlverfahren versagt werde, sei aller Voraussicht nach rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die im Rahmen der Einstellungsentscheidung vorzunehmende Beurteilung der Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) sei ein Akt wertender Erkenntnis und könne vom Gericht nur beschränkt, u.a. darauf überprüft werden, ob die Verwaltung den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen könne, verkannt habe. Das sei hier der Fall, da es an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für den Ausschluss der Antragstellerin wegen ihrer teilweise großflächigen Tätowierungen fehle. Der ermessensbindende Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales (MIK) vom 29. Mai 2013 - Az.: 403 - 26.00.07 A - genüge den vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17.November 2017 - 2 C 25.17 - aufgezeigten Anforderungen nicht, wonach die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis einer hinreichend bestimmten Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedürfe. […]

 

[…] Der Antragsgegner wendet sich ohne Erfolg gegen die erstinstanzliche Feststellung, es fehle an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis, die hier lediglich durch die interne Verwaltungsrichtlinien bzw. den Erlass des MIK vom 29. Mai 2013 erfolgt ist. […] Der Antragsgegner führt in der Beschwerde aus, es bedürfe keiner gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage.

 

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschied mit Beschluss vom 23. Juli 2018 – 6 B 556/18 – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 -):

 

[…] 2015 hat das Bundesverfassungsgericht den Parlamentsvorbehalt im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG weiter hervorgehoben und eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers selbst verlangt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. – BverfGE 139, 19 Rn. 52 ff.). … Wesentliche Inhalte des Beamtenverhältnisses sind daher durch Gesetz zu regeln. Dies gilt insbesondere für Regelungen mit statusbildendem oder statusberührendem Charakter, durch die Bedingungen der Einstellung oder Entlassung normiert werden (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 69). […]

 

[…] Mit der Bestimmung unzulässiger Tätowierungen werden Eignungsanforderungen festgelegt, die zur zwingenden Ablehnung eines Einstellungsbegehrens führen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 6 B 540/16 -) … Die Aufforderung, großflächige Tätowierungen an Kopf, Hals, Händen oder Unterarmen zu beseitigen, greift daher auch in den Schutzbereich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. … Eine Einstellung betroffener Bewerber wird in der Praxis jedenfalls abgelehnt. Die Vorgabe bewirkt damit nicht nur eine Berufsausübungsregelung, sondern ein Berufswahl- und -ausübungsverbot. […]

 

[…] Die nach Vorstehendem erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten ist nicht gegeben. … Die Formulierung „Dienstkleidung“ weist von Ausmaß und Intensität der Regelungsmöglichkeit eine gänzlich andere Zielrichtung und Intensität auf als eine Ermächtigung, die Dienstausübung für Beamte mit bestimmten Tätowierungen zu verbieten. Während die Dienstkleidung nur während der Dienstausübung getragen und anschließend wieder abgelegt werden kann, ist eine Tätowierung untrennbarer Bestandteil des Körpers. Auch weist die Ermächtigung keinen hinreichend bereichsspezifischen Bezug zum Verbot von Tätowierungen auf. Dem Gesetz sind keinerlei Maßstäbe für Inhalt, Art und Ausmaß einer derartigen Regelungsbefugnis zu entnehmen. […]

 

[…] Bei der hier streitgegenständlichen Regelung der Zulässigkeit von Tätowierungen bedarf es aber - wie eben dargestellt - darüber hinaus einer mit der Bestimmung der rechtlichen Bedeutung gesellschaftspolitischer Anschauungen verwobenen Austarierung widerstreitender Grundrechte bzw. kollidierender Verfassungspositionen. […]

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Mit am 14. November 2018 verkündetem Urteil hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Urteil vom 14. November 2018, Az. 3 BV 16.2072) entschieden, dass der Kläger, ein Polizeivollzugsbeamter, nicht berechtigt ist, sich am Unterarm tätowieren zu lassen.

 

Sobald die Entscheidung im Volltext vorliegt, wird der hiesige Beitrag ergänzt werden.

Nach den Vorinstanzen VG Ansbach, AN 1 K 15.01449, Urteil vom 25. August 2016, und VGH München, 3 BV 16.2072, Urteil vom 14. November 2018, hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil, 2 C 13.19,  vom 14. Mai 2020 entschieden.

Aus der Pressemitteilung:

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers (Polizeivollzugsbeamter im Dienst des beklagten Freistaates Bayern) zurückgewiesen.

Seinen Antrag, ihm eine beim Tragen der Dienstkleidung sichtbare Tätowierung mit dem verzierten Schriftzug „aloha“ auf dem Unterarm zu genehmigen, lehnte der Dienstherr ab. Klage und Berufung des Beamten sind ohne Erfolg geblieben. Im Revisionsverfahren hat der Kläger sein Begehren dahin präzisiert, dass die Tätowierung maximal 15 x 6 cm betragen soll.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass bereits im Bayerischen Beamtengesetz selbst für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen und andere nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale (wie etwa ein Branding oder ein Ohrtunnel) im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich geregelt ist. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung. Danach sind äußerlich erkennbare Tätowierungen und vergleichbare auf Dauer angelegte Körpermodifikationen im sichtbaren Bereich mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion von uniformierten Polizeivollzugsbeamten unvereinbar. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte individuelle Interessen der Polizeivollzugsbeamten an einer Tätowierung müssen für den - bezogen auf den Gesamtkörper beim Tragen der Dienstkleidung kleinen – sichtbaren Bereich gegenüber der Notwendigkeit eines einheitlichen und neutralen Erscheinungsbildes zurücktreten.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 2020, 6 B 212/20

Aus der Pressemitteilung:

Der aus Recklinghausen stammende Antragsteller hat sich um die Einstellung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes NRW zum 1. September 2020 beworben. Auf seine linke Brust ist ein Löwenkopf mit aufgerissenem Maul in einer Größe von ca. 22 cm x 18 cm tätowiert. Nachdem er das Testverfahren erfolgreich durchlaufen hatte, lehnte das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen seine Einstellung ab und führte zur Begründung aus, es bestünden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Der Zähne fletschende Löwenkopf wirke angriffslustig und aggressiv auf den Betrachter; er vermittle einen gewaltverherrlichenden Eindruck, der sich nicht mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren lasse.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (1 L 1813/19) hat demgegenüber entschieden, die Tätowierung des Antragstellers könne seiner Einstellung nicht entgegengehalten werden. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Landes NRW hatte keinen Erfolg.

 

Zur Begründung hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt, dass berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung gegeben sein können, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist. Das sei insbesondere der Fall, wenn der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.

Die Löwenkopftätowierung des Antragstellers lasse jedoch für sich genommen keinen Schluss auf eine in diesem Sinne bedenkliche Einstellung zu. Der fein konturierten, realitätsgetreuen Abbildung eines männlichen Löwenkopfes in brüllender Manier komme kein in ihrem Deutungsgehalt eindeutiger, die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Frage stellender Inhalt zu. Angesichts der Intensität des mit der Ablehnung verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit bedürfe es weiterer Anhaltspunkte, um aus dem vom Antragsteller gewählten Motiv auf eine Eignungszweifel begründende, hier insbesondere gewaltverherrlichende Einstellung seiner Person schließen zu können. An solchen fehle es hier jedoch.

Der Antragsteller habe eine gewaltverherrlichende Einstellung dementiert und auf im Zusammenhang mit seiner Trainertätigkeit erworbene soziale Kompetenzen hingewiesen. Für ihn stehe der Löwe für Stärke, Mut und Macht.

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