OLG Hamburg: Fast zwei Jahre für die Bearbeitung einer Rechtsbeschwerde? Zu lang - kein Fahrverbot mehr!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.04.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht4|3280 Aufrufe

Ein OLG darf natürlich gründlich arbeiten....aber nicht zuuuuuuuu lang. Das OLG Hamburg hielt etwa die eigene Bearbeitungszeit im Senat von fast 2 Jahren für deutlich zu lang. Vollkommen richtig hat es da im Wege der Vollstreckungslösung das Fahrverbot "wegfallen" lassen:

 

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 5. Dezember 2016 wird mit der Maßgabe auf Kosten des Betroffenen verworfen, dass aufgrund im Rechtsbeschwerdeverfahren eingetretener rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung das mit der angefochtenen Entscheidung verhängte einmonatige Fahrverbot als vollstreckt gilt.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 5. Dezember 2016 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 200 EUR und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene im Wege der Rechtsbeschwerde, auf deren kostenpflichtige Verwerfung als unbegründet die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.

 II.

 Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde bleibt - mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen, maßgeblich auf dem Eintritt einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in der Rechtsbeschwerdeinstanz beruhenden Maßgabe - in der Sache ohne Erfolg, da die auf die Sachrüge hin veranlasste Prüfung keinen tragenden Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen ergeben hat.

 III.

 Das durch das Amtsgericht zum dortigen Entscheidungszeitpunkt rechtsfehlerfrei verhängte Fahrverbot kann aus Gründen des Zeitablaufs unter Berücksichtigung der im Rechtsbeschwerdeverfahren eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung keinen Bestand mehr haben.

 1. Die Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbots kann, da die damit verbundene Warn- und Besinnungsfunktion für den Betroffenen im Laufe der Zeit an Effektivität verliert, durch den Zeitablauf seit der zu ahnenden Ordnungswidrigkeit unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls in Frage gestellt sein. Eine Aufhebung oder Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots wird nach verbreiteter Auffassung nach Verstreichen eines Zeitraums von etwa zwei Jahren in Erwägung gezogen (vgl. dazu BayObLG NZV 2004, 210; OLG Köln NZV 2004, 422 f.; OLG Brandenburg NZV 2005, 278 f.; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 25 StVG Rn. 24 m.w.N.), wobei neben weiteren fallbezogenen Umständen insbesondere auch Berücksichtigung finden kann, ob das Ordnungswidrigkeitenverfahren aus Gründen, auf die der Betroffene keinen Einfluss gehabt hat, besonders lange Zeit in Anspruch genommen hat (vgl. OLG Köln a.a.O.; BayObLG NZV 2004, 100).

 2. Im vorliegenden Verfahren ist in der Sachbehandlung durch das Rechtsbeschwerdegericht eine erhebliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten. Die hierfür im Strafverfahren entwickelten Grundsätze (grundlegend: BGHSt 51, 124 ff.) gelten auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren einschließlich in der Rechtsbeschwerdeinstanz eingetretener Verzögerungen (BVerfG Beschl. v. 2. Juli 2003, Az.: 2 BvR 273/03 (juris); OLG Karlsruhe Beschl. v. 29. Dezember 2016, Az.: 2 (7) SsBs 632/16 (juris) m.w.N.).

 Die vorliegende Sache war nach am Eingang des Empfangsbekenntnisses des Verteidigers des Betroffenen über den Erhalt des Antrags der Generalstaatsanwaltschaft ab Beginn des Monats Mai 2017 entscheidungsreif. Unter Abzug einer noch angemessenen Bearbeitungszeit von etwa drei Monaten liegt eine von dem Betroffenen nicht zu vertretende erhebliche rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von annähernd einem Jahr und neun Monaten vor, zu deren Kompensation unter Berücksichtigung der weiteren Umstände, namentlich einerseits der im Vergleich zum Strafverfahren geringeren Eingriffsintensität des Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sowie andererseits der nicht sehr hohen, zugleich aber auch nicht unerheblichen Sanktion in Form der verhängten Geldbuße und des angeordnete Fahrverbots und der vor diesem Hintergrund von dem Verfahren ausgehenden Belastung des Betroffenen über die - hiermit erfolgte - Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hinaus ein Ausgleich im Wege entsprechender Anwendung der sog. Vollstreckungslösung (vgl. zur Anwendbarkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren: OLG Saarbrücken Beschl. v. 6. Mai 2014, Az.: Ss (B) 82/2012 (juris); OLG Hamm DAR 2011, 409 ff.) geboten ist, der hier unter ergänzender Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu Ziff. 1. dazu führt, dass der Senat das amtsgerichtlich verhängte Fahrverbot für vollstreckt erklärt hat.

OLG Hamburg Beschl. v. 2.4.2019 – 2 RB 27/17, BeckRS 2019, 5481

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4 Kommentare

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Auch stellt sich dem geneigten Leser -der der Technik des HansOLG, sich in möglichst bandwurmartigen und unübersichtlich verschachtelten Sätzen zu ergehen, um den Schein einer besonders fundierten Argumentation zu erwecken (vgl. dazu schon grundlegend RGSt in zahlreichen Bänden) möglicherweise bereits ohnedies überdrüssig ist- welche grundlegenden Fragen die Bearbeitung dieses Dossiers in einem Maße gehindert haben, dass die gründliche wie ordentliche und innerhalb einer angemessenen (vgl. dazu HansOLG selbst in zahlreichen, das LG rügenden und  Entscheidungen) Frist durchgeführte Bearbeitung nicht möglich war.

Und schließlich: Liegenlassen mit der Folge der Verjährung durch den Amtsrichter kann (so zumindest StA Rostock: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/richter-angeklagt-rechtsbeugung-arbeitsbelastung-justiz/) Rechtsbeugung sein. Welches Liegenlassen ist denn noch okay?

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Auch stellt sich dem geneigten Leser -der der Technik des HansOLG, sich in möglichst bandwurmartigen und unübersichtlich verschachtelten Sätzen zu ergehen, um den Schein einer besonders fundierten Argumentation zu erwecken (vgl. dazu schon grundlegend RGSt in zahlreichen Bänden) möglicherweise bereits ohnedies überdrüssig ist- welche grundlegenden Fragen die Bearbeitung dieses Dossiers in einem Maße gehindert haben, dass die gründliche wie ordentliche und innerhalb einer angemessenen (vgl. dazu HansOLG selbst in zahlreichen, das LG rügenden und Entscheidungen) Frist durchgeführte Bearbeitung nicht möglich war.

Ist das so ein "verschachtelter Bandwurm", den Jens - Flensburg meint?

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a) Ja, ist es.

b) Nennt sich Satire. Ist vielleicht nicht so gelungen oder deutlich, dann tut es mir leid.

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Vielleicht noch eine kleine Anekdote zum Thema "Liegenlassen". Es spielte 1991. Ich war gerade frischgebackener "Regierungsrat zur Anstellung" im Dienste des Freistaat Bayern geworden. (Ja, war ich damals.) Ich hatte nach einem Monat bei der Regierung von Oberbayern gerade meine Stelle als Leiter einer Abteilung am Landratsamt Mühldorf am Inn angetreten. (Bald darauf beantragte ich meine Entlassung aus dem Staatsdienst, um Anwalt zu werden.) Jedenfalls war eine von diesen an neuen Erfahrungen überaus reichen Zeit, dass ich neben den juristischen Werkzeugen des "Verwaltungsakts" oder der Allgemeinverfügung" oder anderen, die ich aus meiner juristischen Ausbildung kannte, als - für mich neuartiges - Instrument am Landratsamt Mühldorf am Inn das Instrument des "Liegenlassens" kennen lernen durfte. Das war für mich im Jahr 1991 als Berufsanfänger tatsächlich eine völlig neuartige Erfahrung gewesen. 

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