Der Papst und ich - zur Vereitelung der Räumungsvollstreckung, zu den "gemeinsamen sittlichen Grundlagen" und zum Schimpfen auf den BGH

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 12.05.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht52|10470 Aufrufe

Erst einmal drei Zitate : (Wedel, ZMR 2019, 253)

"Hier kommt dann wieder die Aussage von Papst Ratzinger und mir zum Rechtsmissbrauch ins Spiel: "Wenn das Recht keine gemeinsamen sittlichen Grundlagen mehr hat, verfällt es auch als Recht."" 

"Diese Entscheidung ist von mir mehrfach stark kritisiert worden (klarer Rechtsmissbrauch! unter Hinweis auf Ratzinger (=Papst Benedikt XVI.), Gott und die Welt, 2004, S. 177: Wenn das Recht keine gemeinsamen sittlichen Grundlagen mehr hat verfällt es auch als Recht)."

"Der BGH hat mit seiner Entscheidung ganz eindeutig die gemeinsamen sittlichen Grundlagen unseres Rechts verlassen." 

Diese Worte findet man in einem Aufsatz des Kollegen Dr. Wedel im neuen Heft der ZMR 2019, 253, Überschrift: "Ist ein zur Vereitelung der Räumungsvollstreckung abgeschlossener Untermietvertrag ein Scheingeschäft?"

Der Kollege befasst sich dort mit der in der Praxis leider immer wieder vorkommenden Situation, dass der zu räumende Mieter dem Gerichtsvollzieher überraschend einen Untermietvertrag präsentiert - und so die Räumung erst einmal verhindert. Im Ergebnis gelangt Wedel dazu, Rechtsmissbrauch anzunehmen und kritisiert den von ihm mehrfach ziterten BGH (ZMR 2009, 21) scharf.

Der Inhalt der Kritik ist das eine, das andere ist die Art und Weise.

Anlass für den kurzen Aufsatz des Kollegen war offenbar zwei neuere Entscheidungen zu der Problematik, u.a. ein Urteil des AG Berlin-Mitte (ZMR 2018, 51), in denen die Gerichte davon ausgingen, die Untermietverträge seien Scheinverträge. Im Ergebnis stimmt Wedel - nicht in der Begründung - dem AG Berlin zu. 

Ob nun gerade der Begriff der "gemeinsamen sittlichen Grundlagen unseres Rechts" (Ratzinger) hinreichend bestimmt ist, um ein Kriterium für die Anwendung des § 242 BGB darzustellen, kann man bezweifeln. Darum geht es mir an dieser Stelle nicht. Ich finde den Vorwurf, der BGH habe diese gemeinsamen sittlichen Grundlagen verlassen, gelinde gesagt ein starkes Stück - egal wo man steht. Ob man dazu nun auch noch den (ehemaligen deutschen) Papst zitieren soll, um eine vermeintlich starke moralische Kompetenzebene für diesen Vorwurf heranziehen zu können ... - das sollte jeder selbst für sich beurteilen.

Scharfe Kritik am BGH muss erlaubt sein, sofern sie sachlich bleibt. Die Äußerungen von Wedel sind nach meiner Überzeugung zumindest grenzwertig. Unter der fehlenden Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen leidet der Rechtsstaat ohnehin - und man sollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. My 2 cents.

 

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