Contergan-Klagen abgewiesen

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 10.07.2019
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht4|2983 Aufrufe

Contergan-Geschädigte werden nicht für Gefäßschäden entschädigt. Das hat das VG Köln in vier Fällen am 09.07.2019 (Az.: 7 K 5034/16; 7 K 9909/16; 7 K 9912/16 und 7 K 2132/17) entschieden. Das Gericht versagte die Anerkennung von Gefäßschäden, da derzeit keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse über den Eintritt von Gefäßschäden vorliegen würden. 

Die Mütter der Kläger hatten während der Schwangerschaft das Präparat mit dem Wirkstoff Thalidomid (Contergan), erhalten. Aufgrund von orthopädischen Schäden und anderen körperlichen Fehlbildungen bekommen die Kläger Leistungen aus den Mitteln der Conterganstiftung. Sie wollten erreichen, dass neben diesen bereits anerkannten Schäden auch Gefäßschäden, wie fehlende Blutbahnen oder verlagerte Nervenbahnen, entschädigt werden.

Im Jahr 2013 hatte die Conterganstiftung eine Gefäßstudie angestoßen. Darin haben Wissenschaftler untersucht, ob Gefäßanomalien bei Contergan-Geschädigten häufiger auftreten als in der Gesamtbevölkerung. Das Gericht hielt zwar grundsätzlich eine Erweiterung der Schadensbilder für möglich. Die Schwierigkeiten bei der Gestaltung des Studiendesigns und die nicht ausreichende Zahl von Probanden, könnten aber nicht zur Folge haben, dass eine Leistung „auf Verdacht“ zu gewähren sei. 

Was steckt hinter Contergan?

Die Firma Grünenthal hatte 1957 das Schlafmittel mit dem Wirkstoff Thalidomid in den Handel gebracht. Contergan wurde damals offensiv empfohlen. Es wurde zu einem der am meisten verwendeten Arzneimittel. Viele werdende Mütter nahmen es ein, weil es auch gegen Schwangerschaftsübelkeit half. Bald kamen weltweit etwa 10.000 Kinder mit schweren Missbildungen vor allem an Armen und Beinen zur Welt. In Deutschland allein waren es ungefähr 5000. Vier Jahre später zog Grünenthal das Medikament zurück. 1971 wurde eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingerichtet und mit 200 Millionen Mark ausgestattet.

Contergan steht für einen der größten Arzneimittelskandale in der Geschichte. Weltweit hatte der Skandal Auswirkungen auf die Arzneizulassungen. Zum damaligen Zeitpunkt musste ein Arzneimittel lediglich registriert werden. Seit 1976 ist ein Zulassungsverfahren im Rahmen des Arzneimittelgesetzes obligatorisch und dient in erster Linie der Patientensicherheit (§ 21 AMG). Da Thalidomid das Zellwachstum hemmt, ist es seit 2008 europaweit wieder zugelassen. Es wird in der Tumorbekämpfung eingesetzt. Für die Verordnung muss ein spezielles Rezept (T-Rezept) verwendet werden. Darüber hinaus müssen die Patienten unterschreiben, dass sie keine Familienplanung anstreben und entsprechende Verhütungsmaßnahmen ergreifen.

Die Pressemitteilung des VG Köln finden Sie hier.

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4 Kommentare

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Gehört nicht so richtig zur Sache, aber ich habe im Zusammenhang mit dem Beitrag ein bißchen Wikipedia zur Conterganstiftung gelesen und mich gefragt: Weiß jemand, warum man Grünenthal samt Versicherung mit einem relativ kleinen Betrag hat davonkommen lassen und schon seit Jahren nur noch der Bund, also der Steuerzahler, für die Contergan-Renten etc. aufkommt und nicht der Verursacher, der schon längst wieder gut verdient, oder seine Versicherung?

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Die Summe von 200 Millionen Mark basiert auf einem Vergleich zwischen den Eltern der Contergan-Kinder und Grünenthal. Die Eltern haben zugesichert auf weitere Klagen zu verzichten. Das Unternehmen zahlte 100 Millionen Mark in eine Stiftung. Der Bund steuerte den gleichen Betrag bei. 2009 zahlte das Pharmaunternehmen nochmals 50 Millionen Euro auf freiwilliger Basis, aber der größte Teil kommt aus dem Bundeshaushalt.

Die LTO-Presseschau:

VG Köln zu Contergan-Klagen: Das Verwaltungsgericht Köln hat am Dienstag vier Klagen von Contergan-Geschädigten auf Anerkennung von Gefäßschäden abgewiesen. Das melden die FAZ (Reiner Burger) und lto.de. Die Kläger, deren Mütter während der Schwangerschaft das Präparat mit dem Wirkstoff Thalidomid eingenommen hatten, wollten für Gefäßschäden wie fehlende Blutbahnen oder verlagerte Nervenbahnen entschädigt werden. Allerdings könne nicht wissenschaftlich belegt werden, so das Gericht, dass das Medikament für fehlende oder verdrehte Arterien verantwortlich ist.

Die LTO-Presseschau:

VG Köln zu Contergan-Schädigungen: Laut community.beck.de (Michaela Hermes) hat das Verwaltungsgericht Köln eine Entschädigung für Gefäßschäden von Contergan-Opfern abgelehnt. Es lägen bisher keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, ob Gefäßschäden bei Kindern auf die mütterliche Einnahme von Contergan gegen Schwangerschaftsübelkeit zurückzuführen ist.

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