Gesetzgeber plant umfangreiche Änderung des Insolvenzrechts (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG)

von Markus Meißner, veröffentlicht am 23.03.2020
Rechtsgebiete: StrafrechtCoronaInsolvenzrecht1|3276 Aufrufe

In Anbetracht der drohenden Insolvenz einer Vielzahl insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen infolge der negativen wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie will der Gesetzgeber noch im Laufe dieser Woche umfangreiche Änderung insolvenzrechtlicher Vorschriften beschließen.

Das COVInsAG soll rückwirkend zum 1.3.2020 in Kraft treten und mit Ablauf des 31.3.2021 außer Kraft treten.

Den betroffenen Unternehmen und ihren organschaftlichen Vertretern soll hierdurch Zeit gegeben werden, um die notwendigen Vorkehrungen zur Beseitigung der Insolvenzreife zu treffen, insbesondere um zu diesem Zwecke staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen oder Finanzierungs-/ Sanierungsarrangements mit Gläubigern und Kapitalgebern zu treffen.

Im Zentrum steht die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die sich an den Gesetzesregelungen aus 2013 und 2016 anlässlich der damaligen wirtschaftlichen Auswirkungen des Hochwassers/Starkregens orientiert.

Als flankierende Maßnahmen sieht der Gesetzesentwurf weiterhin die Einschränkung von Haftungs- und Anfechtungsrisiken vor, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass von der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen Sanierungskredite gewährt werden können und dass die Geschäftsverbindungen der Geschäftspartner zum Schuldner nicht abgebrochen werden.

 

Die vorgesehenen Maßnahmen im Einzelnen:

  • (befristete) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern (§ 15a InsO) sowie Vorstände von Vereinen und anderen Rechtsträgern (§ 42 Abs. 2 BGB) bis 30.09.2020, soweit
    • die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und
    • Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
  • Ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist § 290 Absatz 1 Nummer 4 der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 keine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden kann.
  • Für den Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Aussetzung der gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote nach § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG, § 130a Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB und § 99 Satz 1 GenG, soweit es um Geschäftsführungsmaßnahmen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, einschließlich der Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit, aber auch zur sanierungsbedingten Umstellung des Geschäftsbetriebs und -modells, geht.
  • Suspendierung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund von Gläubigerinsolvenzanträgen für einen dreimonatigen Übergangszeitraum, sofern der Eröffnungsgrund bereits am 1.3.2020 vorlag. Hierdurch soll verhindert werden, dass von der COVID-19-Pandemie betroffene Unternehmen, die am 1.3.2020 noch nicht insolvent waren, durch Gläubigerinsolvenzanträge in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden können.
  • Einschränkung der insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten sowie die Suspendierung des insolvenzrechtlichen Nachrangs von Gesellschafterdarlehen und von Forderungen aus wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) mit dem Ziel
    • Banken und andere Kreditgeber sowie Gesellschafter zu motivieren, Unternehmen in der Krise zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen und
    • Geschäftspartner des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens davon abzuhalten, die Vertragsbeziehung schnellstmöglich zu beenden in der Befürchtung, erhaltene Zahlungen im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen des Krisenunternehmens mit anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anfechtung zurückzahlen zu müssen.

 

Beweiserleichterung im Hinblick auf die erforderliche Kausalität mit der COVID-19-Pandemie und Bestehen von Sanierungsaussichten

Um den Antragspflichtigen von bestehenden Unsicherheiten und im Einzelfall schwer zu treffenden Prognosen der weiteren Entwicklung zu entlasten, sieht der vorliegende Gesetzesentwurf die gesetzliche Vermutung vor, dass bei bestehender Zahlungsfähigkeit am 31. Dezember 2019 davon auszugehen ist, dass die spätere Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Der Gesetzgeber macht hiermit deutlich, dass Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises der Kausalität und der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklungen in keiner Weise zulasten des Antragspflichtigen gehen sollen.

 

Möglichkeit der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.3.2021 im Verordnungswege

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen soll durch Rechtsverordnung bis zum 31.3.2021 verlängert werden können, wenn das durch die Aussetzungsregelung bestehende Bedürfnis danach fortbesteht, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu vermeiden und die Fortführung von insolvenzreifen Unternehmen zu ermöglichen.

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Die LTO-Presseschau:

Corona – Maßnahmenkatalog: Die Bundesregierung hat in einem Kabinettsbeschluss eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie beschlossen, welche noch diese Woche den Bundestag passieren sollen. Während der Pandemie soll in Dauerschuldverhältnissen ein weitreichendes Leistungsverweigerungsrecht greifen, bei Verbraucherdarlehen werde eine Stundung verordnet und die Insolvenzantragspflicht werde ausgesetzt. Notare hingegen blieben an das übliche Beurkundungsverfahren und die körperliche Anwesenheit der Parteien gebunden. Den Maßnahmenkatalog erläutern Hbl (Jürgen Flauger/Bert Fröndhoff/Carsten Herz/Frank Hubik/Anke Rezmer/Stephan Scheuer/Klaus Stratmann) und die Rechtsanwälte Christopher Wolff, Regina Engelstädter, Christian Mock, Jan Gernoth und Fritz Kleweta auf lto.de.

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