LAG Berlin-Brandenburg: EuGH-Vorlage zur Leiharbeit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.07.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3564 Aufrufe

Gestern habe ich an dieser Stelle darüber berichtet, dass sich ein Vorabentscheidungsersuchen des ArbG Kaiserslautern an den EuGH zur Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG erledigt hat, nachdem die Beklagte den Anspruch anerkannt hat. Heute ist nachzutragen, dass das LAG Berlin-Brandenburg verschiedene Fragen betreffend dieselbe Richtlinie nach Luxemburg geschickt hat:

Dem Europäischen Gerichtshof werden folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) vorgelegt:

1. Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen schon dann nicht mehr als „vorübergehend“ im Sinne des Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen, wenn die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz erfolgt, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird?

2. Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers unterhalb einer Zeitspanne von 55 Monaten als nicht mehr „vorübergehend“ im Sinne des Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen?

3. Falls die Fragen zu 1. und/oder 2. bejaht werden, ergeben sich folgende Zusatzfragen:

a) Besteht für den Leiharbeitnehmer ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen, auch wenn das nationale Recht eine solche Sanktion vor dem 01.04.2017 nicht vorsieht?

b) Verstößt eine nationale Regelung wie § 19 Absatz 2 AÜG dann gegen Artikel 1 der Leiharbeitsrichtlinie, wenn sie erstmals ab dem 01.04.2017 eine individuelle Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten vorschreibt, vorangegangene Zeiten der Überlassung aber ausdrücklich unberücksichtigt lässt, wenn bei Berücksichtigung der vorangegangenen Zeiten die Überlassung als nicht mehr vorübergehend zu qualifizieren wäre?

c) Kann die Ausdehnung der individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden? Falls dies bejaht wird: Gilt dies auch für Tarifvertragsparteien, die nicht für das Arbeitsverhältnis des betroffenen Leiharbeitnehmers, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind?

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 13.5.2020 - 15 Sa 1991/19, NZA-RR 2020, 398

(Aktenzeichen beim EuGH: C-232/20 - Daimler)

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen