Man wird doch wohl noch fragen dürfen: Bedeutung des Impfstatus für den Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz

von Martin Biebl, veröffentlicht am 08.09.2021
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtCorona3|3208 Aufrufe

Im Falle einer behördlich angeordneten Quarantäne erhält der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Entschädigung und der Arbeitgeber hält sich bei den Behörden schadlos. So die Theorie des Infektionsschutzgesetzes. Klappt oft, aber eben nicht immer. Es gibt durchaus Behörden, die sich querstellen, den Arbeitgeber auf § 616 BGB verweisen und sich bei der Erstattung wegducken. Entscheidend ist immer die Dauer der Quarantäne und an der Stelle bringt die Rechtsprechung glücklicherweise immer mehr Licht ins Dunkel. So wertete das Verwaltungsgericht Bayreuth eine eintägige Quarantäne – nicht ganz überraschend - als eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit (VG Bayreuth vom 07.07.2021 – B 7 K 21.222), während es diese bei einer 15-tägigen Quarantäne dann bereits ablehnte (VG Bayreuth vom 05.05.2021 – B 7 K 21.210). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Koblenz kann bei einer 14-tägigen Quarantäne aber dann doch noch von einer verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit ausgegangen werden (VG Koblenz vom 10.05.2021 – 3 K 107/21.KO). Dies gelte jedenfalls bei einer Beschäftigungsdauer  von mindestens einem Jahr. Maßgeblich ist auch, ob § 616 BGB im jeweiligen Arbeitsverhältnis überhaupt Anwendung findet oder wirksam im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde. 

Bei der ganzen Diskussion fällt der Blick aber noch zu selten auf die Regelung des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG. Dort heißt es:

"Eine Entschädigung […] erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, […] ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können."

Also keine Entschädigung für Impfverweigerer? Kann/muss man das so lesen? Völlig ausgeschossen erscheint dies nicht. Eine grundsätzliche Impfpflicht gibt es glücklicherweise nicht. Aber eine Empfehlung der Politik, des RKI, der STIKO oder WHO gibt es zumindest für weite Teile der Bevölkerung durchaus. Sie bedeutet zwar immer noch keine Impfpflicht und jeder kann sich trotz dieser Empfehlungen immer noch gegen eine Impfung entscheiden. Aber soll er dann im Fall einer Quarantäneanordnung das finanzielle Risiko nicht auch selbst tragen? Zugegebenermaßen stammt die zitierte Regelung eigentlich aus dem Umfeld der Masernimpfung, aber man kann ihr durchaus eine Wertung des Gesetzgebers entnehmen: Wer sich trotz bestehender Möglichkeit nicht impfen lässt, handelts eigenverantwortlich und trägt die Folgen selbst. Wird somit nicht der Impfstatus zur Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs? Und geht der Impfstatus den Arbeitgeber dann nicht doch etwas an?

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3 Kommentare

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Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft und Forschung ist die Coronaschutzimpfung sicher und wirksam. Die Vorteile überwiegen deutlich den Risiken - so die WHO, STIKO, RKI u.s.w. Trotzdem gibt es eine nicht unwesentliche Zahl von erwachsenen Personen, die sich nicht impfen lassen. Nach der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland ist das ihr gutes Recht, auch wenn dies bspw. zu Lasten derjenigen geht, die sich nicht impfen lassen dürfen (Schwangere, Kinder unter 12 Jahren etc.). Es ist jedoch aus meiner Sicht nicht zu vertreten, dass die Politik die klare Entscheidung getroffen hat, keine gesetzliche Impfpflicht einzuführen andererseits aber zunehmend die Frage des Umgangs mit Impfunwilligen und die sich hieraus möglicherweise ergebenden Konflikte auf die Ebene der Gesellschaft (bspw. Gastwirte, Stichwort 2G vs. 3G) oder die betriebliche Ebene (bspw. Diskussion um Abfrage des Impfstatus oder wie jetzt die Frage nach der Gehaltsfortzahlung im Quarantänefall) verlagert. Diese Fragen sollten im Parlament (unter Einbeziehung der Expertise des Ethikrates etc.) diskutiert und entschieden werden, spätestens nach der Bundestagswahl.

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Fraglich ist, wie nachgewiesen werden soll, dass durch eine Impfung die Infektion sicher vermieden worden wäre, so dass die Entschädigung verweigert werden kann. Da nachgewiesener Maßen auch Geimpfte sich infizieren können, dürfte die Kausalität zwischen einer nicht erfolgten Impfung und einer Infektion angreifbar sein.

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Der Zusammenhang besteht m.E. darin, dass geimpfte Personen in manchen Bundesländern (Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) nicht mehr zwangsläufig in Quarantäne müssen. In diesen Fällen hätte man durch eine Imfpung die Quarantäne vermeiden können, was den Entschädigungsanspruch ausschließen kann.

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