LAG Köln: Absender trägt Beweislast für Zugang einer E-Mail

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.03.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht4|2519 Aufrufe

Den Absender einer E-Mail trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält.

Das hat das LAG Köln zutreffend entschieden.

Die beklagte Fluggesellschaft hatte dem Kläger ein Darlehen zur Finanzierung einer Fortbildung gewährt. In dem Darlehensvertrag verzichtete die Beklagte auf die Rückzahlung für den Fall, dass sie dem Kläger aus betrieblichen Gründen innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung keine Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten haben sollte.

Die Beklagte behauptet, ein solches Angebot am letzten Tag der Frist per E-Mail übersandt zu haben, und verweist auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Der Kläger will die E-Mail erst drei Tage später erhalten haben.

Zwar haben die Parteien anschließend auf der Grundlage des arbeitgeberseitigen Angebots ein Arbeitsverhältnis vereinbart. Die Beklagte hielt aber vom Arbeitsentgelt monatlich 500 Euro für die Tilgung des Darlehens ein. Sie habe das Vertragsangebot rechtzeitig unterbreitet und könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb beim LAG Köln ohne Erfolg:

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut des § 130 BGB muss die abgegebene Willenserklärung unter Abwesenden dem Empfänger zugehen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann. Nach dem Versenden einer E-Mail wird die Nachricht auf einem Server eingehen. Dies ist jedoch nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post ist es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Das Risiko kann nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Der Versender wählt die Art der Übermittlung der Willenserklärung und damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Zudem hat der Versender die Möglichkeit, vorzubeugen. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, hat der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

LAG Köln, Urt. vom 11.1.2022 - 4 Sa 315/21, BeckRS 2022, 1700

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4 Kommentare

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Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, hat der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

Eine solche Lesebestätigung kann zwar vom Versender angefordert werden, der Empfänger kann eine solche Lesebestätigung aber zurückhalten oder sonst vermeiden. Die Anforderung einer Lesebestätigung stellt also keineswegs sicher, dass man eine solche auch wirklich erhält, wenn der Empfänger die Mail gelesen hat. Da irrt das LAG!

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Das ist glaube ich auch dem LAG klar. Den Zugangsnachweis hat der Absender erst und nur, wenn die Lesebestätigung des Empfängers bei ihm eingeht.

Ich weiß nicht. Das LAG bezieht sich auf BGH, B. v. 17.7.2013 – I ZR 64/13, Rdnr. 11, der sich auf OLG Düsseldorf, B. v. 4.10.2002 – 23 U 92/02 bezieht, das allerdings annimmt: "Beispielsweise kann er [der Absender] von einer Funktion Gebrauch machen, über die E-Mail-Programme regelmäßig verfügen: Dabei erhält der Absender eine automatische Rückmeldung, wenn die E-Mail bei dem Adressaten angekommen ist." Genau das ist falsch. Diese Rückmeldung ("Zugangsbestätigung") erhält der Absender (wie auch die "Lesebestätigung") nicht "automatisch", sondern nur voluntativ, nämlich nur dann, wenn der gutwillige Empfänger das will. "Sichergestellt" ist das alles nur beim gutwilligen Empfänger, der ohnehin den Zugang nicht bestreiten wird; sonst ist nichts "sichergestellt". Es könnte also der Fall vorliegen, dass wieder einmal ein Gericht ungeprüft von anderen Gerichten abschreibt und ungeprüft selbst wieder Falsches in die Welt setzt, das sich wiederum wie eine ew'ge Krankheit weiter vererbt.

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Im Jahr 2002 hatte das OLG Düsseldorf noch Recht. Damals gab es in der damaligen Outlook-Version tatsächlich noch die Funktion, eine automatische Lesebestätigung anzufordern, ohne dass der Empfänger der E-Mail einer solchen ausdrücklich zustimmen musste. Irgendwann in den folgenden Jahren wurde dies dann auf das derzeitige Verfahren umgestellt.   

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