LG Würzburg zur Strafbarkeit beim Besitz der Pflanze Mimosa hostilis und zur nicht geringen Menge des psychedelisch wirkenden Stoffs DMT

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 26.12.2022
Rechtsgebiete: StrafrechtBetäubungsmittelrecht|6507 Aufrufe

Beim LG Würzburg musste sich ein Angeklagter wegen des Besitzes und des Handeltreibens mit der Pflanze Mimosa hostilis mit dem psychedelisch wirkenden Stoff DMT verantworten (LG Würzburg Urt. v. 26.10.2022 – 8 KLs 822 Js 14426/19, BeckRS 2022, 34619).

Der Angeklagte fühlte sich ausweislich der Urteilsgründe seit vielen Jahren zur Spiritualität hingezogen und war fasziniert davon, hierin Antworten auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und dem Sinn des eigenen „Ichs“ zu finden. Neben seiner Affinität zu den genannten Themenfeldern prägte sich in der Vergangenheit ebenso eine Affinität zu diversen Betäubungsmitteln, insbesondere zu dem bewusstseinserweiternden Psychedelikum Dimethyltryptamin (chemische Bezeichnung: N, N-Dimethyltryptamin, kurz DMT) aus. Weiter heißt es im Urteil:

Etwa im Jahr 2015 begann der Angeklagte unter depressiven Phasen zu leiden, erkannte den Sinn des Lebens nicht und sah für sich keinen so rechten Platz in der Welt. Es ummantelte ihn ein allgemeines Gefühl der Traurigkeit und Unzufriedenheit mit sich und der Welt. Während einer psychisch labilen Phase erfuhr der Angeklagte von einem Freund von der Substanz „Dimethyltryptamin“ (im Folgenden DMT). Der Freund erklärte ihm, dass das bewusstseinserweiternde Psychedelikum in gewissen Kreisen der Psychiatrie zur Therapie von Depressionen oder anderer psychischer Krankheiten eingesetzt werde. Der Angeklagte begann in der Folgezeit nicht nur mit dem Konsum von DMT, sondern auch damit, sich intensiv mit der Materie der bewusstseinserweiternden Substanzen im Allgemeinen, und mit der Substanz DMT im Speziellen, inhaltlich auseinanderzusetzen. Nach dem „Ratschlag“ des Freundes nahm er das DMT zunächst oral in Form des Getränks „Ayahuasca“ ein. Zusätzlich nahm er zur Erzielung eines Rauschgefühls die syrischen Steppenraute als einen sog. „MAO-Hemmer“ ein. Etwa ab dem Jahr 2016 begann der Angeklagte, den von ihm selbst aus der Wurzelrinde der Pflanze „Mimosa hostilis“ extrahierten Wirkstoff DMT zu inhalieren bzw. zu rauchen, anfangs zwei- bis dreimal monatlich, dann einmal wöchentlich und zuletzt zwei- bis dreimal in der Woche. Zuletzt fand ein Konsum auch während der Arbeit statt. So nutzte der Angeklagte etwa einen Raum im ehelichen Bekleidungsgeschäft, den er sich für seine „Reisen ins innerste Bewusstsein“ einrichtete, in dem er sich sicher und wohl fühlte, machte sich eine Kerze und schöne Musik an und rauchte DMT. Hin und wieder meditierte er auch vor dem Konsum. Für etwa 60 Minuten war er dann „richtig weg“ und nachdem die akute Rauschwirkung nachgelassen hatte, befand er sich in einem Zustand höchster Glücksgefühle, Freude und Euphorie, war mit sich im Reinen und vollkommen entspannt.

Hierzu bestellte der Angeklagte wiederholt die DMT-haltigen Extrakte der Pflanzen Mimosa hostilis sowie Acacia Confusa bzw. ein aus der Wurzelrinde dieser Pflanzen gewonnenes, rötliches Pulver über das Internet bei einem Lieferanten namens „Fr. L. Nu.“ in Brasilien und veranlasste diesen dazu, die Substanzen sodann per Luftfracht nach Deutschland zu senden. Es handelte sich jeweils mindestens um 9,5 Kilogramm Mimosa hostilis Pflanzenextrakt. Dem Angeklagten war bekannt, dass das DMT aus Brasilien geliefert und von dort aus über die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde. Zudem wusste er, dass er den Fr. L. Nu. durch seine Bestellung zur Lieferung nach Deutschland veranlasste.

Nach Entgegennahme der Betäubungsmittel in Deutschland behielt der Angeklagte jeweils etwa 20% für seinen eigenen Konsum. Den Rest der Betäubungsmittel beabsichtigte der Angeklagte gewinnbringend unter anderem über die lnternetplattform E. an verschiedene Abnehmer im In- und Ausland weiter zu veräußern. Über E. wickelte der Angeklagte dabei mindestens 590 Verkäufe in Mengen zwischen 50 Gramm und 1.500 Gramm ab.

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt die Kammer aus:

Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in 10 dieser Fälle jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BtMG i.V.m. Anlage I zum BtMG, §§ 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, §§ 26, 52, 53 StGB strafbar gemacht.

1. Allein der bloße Besitz oder Verkauf der Pflanze Mimosa hostilis ist nach dem BtMG nicht strafbar. Eine Strafbarkeit setzt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) BtMG i.V.m. dem 5. Spiegelstrich zur Anlage I zum BtMG darüber hinaus voraus, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken vorgesehen ist.

Unerheblich ist hierbei auch bei Bestandteilten einer Pflanze, ob sie in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand vorliegen (vgl. Weber, Kommentar zum BtMG, 6. Aufl. 2021, § 2, Rn. 37). Eine missbräuchliche Verwendung im Sinne des 5. Spiegelstrichs der Anlage I zum BtMG ist anzunehmen, wenn der Gebrauch dem Zweck dient, sich oder anderen die psychotrope Wirkung des Stoffs nutzbar zu machen (vgl. Patzak, Kommentar zum BtMG, 10. Aufl. 2022, § 2, Rn. 6). Ein Indiz für eine missbräuchliche Verwendung zu Rauschzwecken können hierbei die Mengen sein, mit denen umgegangen wird (vgl. Dahlenburg/Bohnen, BeckOK zum BtMG, 16. Edition, Stand: 15.09.2022).

a) Indem der Angeklagte die Pflanzenteile der Mimosa hostilis ankaufte, das DMT extrahierte und dieses zu Rauschzwecken selbst konsumierte, hat er auch das Tatbestandsmerkmal der missbräuchlichen Verwendung zu Rauschzwecken hinsichtlich des eigenen Besitzes vorsätzlich verwirklicht.

b) Darüber hinaus war dem Angeklagten vorliegend auch bewusst, dass der größte Teil seiner Kundschaft die DMThaltigen Pflanzenteile ebenfalls zur missbräuchlichen Verwendung zu Rauschzwecken von ihm erwarb und genau zur Verwirklichung dieses Zwecks bot der Angeklagte die DMThaltigen Substanzen auch zum Kauf an.

Das LG Würzburg verurteilte den Angeklagten deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 4 Monaten, ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 21.722,- EUR an.

Zur nicht geringen Menge von DMT stellt es fest:

Die Kammer folgt hinsichtlich der Festsetzung des Grenzwertes bezüglich der nicht geringen Menge der Rechtsauffassung des Landgerichts Frankenthal (Urteil vom 07.12.2012, Az. 2 KLs 5127 Js 10022/09 = BeckRS 2013, 1454), welches für die Substanz DMT einen Grenzwert von 3,6 Gramm zugrunde gelegt hat.

Hierbei hat die Kammer neben den äußerst detaillierten und rechtlich überzeugenden Erwägungen des Landgerichts Frankenthal ein Gutachten zur Wirkungsweise des Psychedelikums DMT und zur Einordnung dessen Gefährlichkeit bei den Forensisch-Analytischen Laboratorien am Institut für Rechtmedizin der Universität E.-N. in Auftrag gegeben, welches von dem Toxikologen Dr. D2. in der Hauptverhandlung mündlich erstattet wurde.

Hierbei erläuterte der Sachverständige insbesondere, dass die Substanz DMT neben der Wahrnehmung geometrischer Muster - sog. Pseudohalluzinationen - in größeren Mengen aufgenommen sehr intensive psychedelische Erlebnisse, vielfach mit stark spirituell gefärbtem Empfinden, häufig auch mit außerkörperlichen Erfahrungen hervorrufe. In rituellem Zusammenhang sei DMT als Bestandteil des berauschenden Getränks „Ayahuasca“ vor allem aus Südamerika bekannt. Neben der psychischen Wirkung entfalte DMT auch eine stimulierende sowie kardiovaskuläre Wirkung und führe zu Beeinträchtigungen der Nieren- und Leberfunktion, wenngleich lebensbedrohliche Effekte durch DMT für sich genommen in der Regel nicht zu erwarten seien. Das Suchtpotential sei bei DMT, wie auch bei anderen psychedelischen Drogen, eher als gering zu bewerten, weise jedoch in seiner Wirkungsweise Übereinstimmungen mit Psilocin (dem typischen Wirkstoff halluzinogen wirkender Pilze) sowie auch mit LSD auf. Wie bei diesen Substanzen können auch bei DMT noch Monate bis Jahre nach der Einnahme Flashbacks mit Paranoia und Panikattacken auftreten, wenngleich die Wirkstärke im Vergleich zu Psilocin und LSD als schwächer und kürzer zu bewerten sei. Der im Urteil des Landgerichts Frankenthal hergeleitete Grenzwert zur nicht geringen Menge von 3,6 Gramm bei DMT sei bei Berücksichtigung der Mengen für eine Konsumeinheit (Dosierung bei inhalativem und oralem Konsum etwa 40 bis 100 mg pro Einheit) und bei Berücksichtigung der Wirkungsweise und Gefährlichkeit der Droge aus chemischtoxikologischer Sicht plausibel und nachvollziehbar.

Die zur Wirkungsweise und Gefährlichkeit der Droge DMT sachverständig beratene Kammer schließt sich daher der Rechtsauffassung des Landgerichts Frankenthal (Urteil vom 07.12.2012, Az. 2 KLs 5127 Js 10022/09 = BeckRS 2013, 1454) nach eigener rechtlicher Prüfung an.

 

 

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